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TV-Serie "The Loudest Voice"
Die Wahrheit über Fake News

Die US-Serie "The Loudest Voice" erzählt die Geschichte von Roger Ailes und seinem konservativen Fernsehsender "Fox News", der auch vor Scheinwahrheiten nicht Halt macht. Die Serie porträtiert dabei auch ein gespaltenes Land, eine aufgeheizte Medienlandschaft und eine dekadente politische Kultur.

Von Julian Ignatowitsch | 16.09.2019
Ein Mikrofon von Fox News liegt auf einem Pult.
Präsident Trump mag diesen Sender - aus Gründen (picture alliance / dpa / Justin Lane)
Ein Toter, der plötzlich zu sprechen beginnt, …
Roger Ailes: "I know what people gonna say about me."
… weil er selbst im Tod nicht aufhören kann, zu berichten ...
"I can pretty much pick the words for you."
... und, viel wichtiger, nicht die Deutungshoheit über seine Person verlieren will.
"Right-winged, paranoid, fat."
"Fox News"-Gründer Roger Ailes, ein patriotischer Republikaner, seine Gegner nannten ihn "rechts, paranoid und fett". Sie hatten nicht Unrecht. Er hat ein ganzes Land geteilt, gesteuert, getäuscht. Vom Newsdesk aus.
Einseitige US-amerikanische Weltsicht
"Right now in America, 60 percent of the people think that the media is negative, full of lies, full of bias, full of crab. We just gonna give the people what they want: positive message, an American message, wrapped up in a conservative viewpoint."
Bis heute verbreitet "Fox News" diese amerikanische Weltsicht: konservativ, einseitig, oft an der Wahrheit, an den Fakten vorbei - und die Hälfte der USA sieht zu.
"People, don’t wanna be informed, they wanna feel informed."
Die Serie "The Loudest Voice" erzählt die Geschichte eines Mannes und seines Fernsehsenders: Roger Ailes und "Fox News". Dabei zeigt sie ebenso viel über die amerikanische Gesellschaft, Politik und jüngste Vergangenheit.
Gegründet auf Unterhaltung und Falschmeldungen
Von der Gründung des Senders in den 90er-Jahren, über 9/11, die Obama-Präsidentschaft bis hin zum Trump-Wahlkampf: In Schlaglichtern beleuchtet die siebenteilige Serie, wie ein auf Unterhaltung und Falschmeldungen aufgebauter Nachrichtensender zum politischen Schwergewicht, zur vierten großen Macht wird und seine eigene erzkonservative Agenda in die Welt posaunt.
"We gonna tell people what they need to hear, we gonna bring them the truth and we gonna win!"
Allen voran: Roger Ailes. Er steigt zu einem der mächtigsten Menschen der USA auf, macht nicht nur Fernsehen, sondern Politik, Propaganda, phasenweise Staatsfernsehen.
"Go on air, wear the flag!"
Er schreibt an Bushs "War on Terror" mit, macht Obama zum Staatsfeind Nummer Eins und nimmt sogar Trumps späteren Wahlkampf-Slogan vorweg:
"Together we can make America great again!"
Informativ und schockierend
Das alles erscheint wie eine verrückte, zynische, egozentrische, größenwahnsinnige, unglaubliche Geschichte - Stranger than Fiction! - beruht aber auf harten Fakten und den langjährigen Recherchen des Journalisten Gabriel Sherman, der auch an der Serie als Schreiber und Produzent mitgearbeitet hat. Sein Buch "The Loudest Voice in the Room" war in den USA ein Bestseller. Die Serie ist kaum weniger informativ, spannend und schockierend.
"You gonna stop acting like you have any authority in this room, because you do not!"
Hollywood-Schauspieler Russell Crowe ahmt den cholerischen Machtmenschen Ailes exzellent nach wie ein Doppelgänger - mit Fatsuit (Golden Globe-Alarm). Drehbuch und Dialoge sind präzise und auf den Punkt geschrieben. Der Schnitt schnell und hart. Die Serie gibt so ein zügiges Tempo vor und führt wichtige Figuren wie Medienmogul Rupert Murdoch, Journalistin Gretchen Carlson oder Ailes’ späteren Stellvertreter Brian Lewis mit kurzen Infoblenden unmittelbar ein. Einzig der immerfort bedrohlich tönende Soundtrack ist nicht wirklich gelungen.
Leider die Wirklichkeit
Wir deutschen Zuschauer, denen das Hintergrundwissen stellenweise fehlen könnte, müssen manches vielleicht zweimal gucken oder später im Netz nachlesen. Und was man da sieht, wird man oft oft nicht glauben. Aber doch, das ist alles (ungefähr) so passiert. Bis hin zu - Achtung, Spoiler! - den Missbrauchsgeschichten und der tragischen Hirnblutung, die Ailes schließlich zu Fall bringen.
"The Loudest Voice": Im Amerika des Jahres 2019 ist das relevant und brandaktuell; und für alle, die nicht nur die amerikanische Medienlandschaft, sondern insgesamt ein zutiefst gespaltenes Land mit Fake News-Präsident Trump verstehen wollen - ein Muss!