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Twitter-Sperrung
Erdogan macht Ernst

Gegen den Willen von Staatspräsident Gül setzt der türkische Ministerpräsident Erdogan seine Drohungen um und sperrt den Onlinedienst Twitter. Die EU zeigt sich besorgt, die größte Oppositionspartei im Land kündigt rechtliche Schritte an.

21.03.2014
    Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan steht am Rednerpult im Parlament in Ankara.
    Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan: "Twitter und solche Sachen werden wir mit der Wurzel ausreißen" (dpa picture alliance / Cem Ozdel)
    Die Türkei hat in der Nacht zum Freitag den Zugang zum Kurznachrichtendienst Twitter blockiert, berichtet der Türkei-Korrespondent der ARD, Thomas Bohrmann. Die türkischen Behörden begründeten die Sperrung damit, dass Twitter Gerichtsurteile der Türkei ignoriert habe. In diesen Urteilen war Twitter aufgefordert, Links zu bestimmten Seite zu sperren.
    Die größte Oppositionspartei in der Türkei, CHP, kündigte an, Klage gegen die Twitter-Blockade einreichen zu wollen. Die Europäische Union zeigte sich besorgt über die Entwicklungen in der Türkei. Frei kommunizieren zu können und dabei auch die Mittel frei zu wählen, sei ein "fundamentaler Wert der EU", sagte Erweiterungskommissar Stefan Fuele.
    Staatspräsident Abdullah Gül erklärte - über Twitter -, die vollständige Sperrung einer Social-Media-Plattform sei "unakzeptabel".
    Auch die Bundesregierung kritisierte Erdogan. Die Twitter-Blockade entspreche nicht der deutschen Vorstellung von Meinungsfreiheit, erklärte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz.
    Seit der Nacht kann die Seite nicht aufgerufen werden
    Nutzer berichteten am Freitag, die Seite der Plattform könne seit der Nacht nicht aufgerufen werden oder sei auf einen gerichtlichen Sperrvermerk umgeleitet. Auf Smartphones meldete die Twitter-App am Morgen: "Nutzer konnte nicht geladen werden."
    Share this picture if you think Turkey should unblock Twitter. #TurkeyBlockedTwitter #FreedomOfTweet pic.twitter.com/V7paSumK3Y— Journalism Tools (@Journalism2ls) 21. März 2014
    Wenige Stunden zuvor hatte der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan seine Drohungen gegen soziale Medien drastisch verschärft. "Twitter und solche Sachen werden wir mit der Wurzel ausreißen. Was dazu die internationale Gemeinschaft sagt, interessiert mich überhaupt nicht", zitierte die türkische Nachrichtenagentur Anadolu den Regierungschef.
    Tweets nun über SMS
    Erdogan hatte bereits zuvor angekündigt, nach der Kommunalwahl Ende des Monats gegen soziale Medien - die von seinen politischen Gegnern stark genutzt werden - vorzugehen. Dies schwächte er dann zunächst wieder ab, nachdem Staatspräsident Abdullah Gül ihm in die Parade gefahren war.
    Twitter wurde von türkischen Regierungsgegnern immer wieder zur Organisation von Protesten genutzt. Zudem laden seit Wochen laden unbekannte Widersacher Telefonmitschnitte im Netz hoch, die Erdogan vor wichtigen Wahlen in Bedrängnis bringen. Die Zugangslinks dazu werden auch über Twitter verbreitet.
    Twitter hat in der Türkei schätzungsweise rund zwölf Millionen Nutzer. Es blieb zunächst unklar, wie flächendeckend die Zugangsprobleme sind. Der Dienst erklärte seinen Nutzern in der Türkei unterdessen, wie sie Tweets über SMS absetzen könnten.