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#TwitternwieRueddel
Wie ein Tipp des CDU-Politikers Rüddel für Pflegekräfte nach hinten los ging

Mit seinem Aufruf, Pflegekräfte sollten positiv über ihre Arbeit sprechen, dann würden sich auch mehr junge Leute für den Job interessieren, hat der CDU-Gesundheitspolitiker Rüddel für beißenden Spott und Verärgerung gesorgt. In einem Tweet bot der neue Vorsitzende des Gesundheitsausschuss des Bundestags den Pflegekräften nun einen "Deal" an.

06.02.2018
    Drei Pflegerinnen am Bett eines Patienten
    Der CDU-Politiker Rueddel will, dass Pflegekräfte positiv über ihrenBeruf reden. (imago / Rainer Weißflog)
    Die Politik habe konsequent gehandelt. Nun sollten Beschäftigten "gut über die Pflege reden". Was folgte, war eine Welle der Empörung. Der CDU-Politiker wollte mit seiner Initative für ein besseres Umfeld in der Pflege werben. Er äußerte die Hoffnung, dass viele Menschen in diesen Beruf zurückkehrten und damit "gute Zeiten für die Pflege" beginnen würden.
    Anonyme Twitter-Nutzer, die vermutlich als Pflegekräfte arbeiten, empörten sich über den Vorschlag und lösten mit dem Hashtag #twitternwierueddel einen Sturm der Entrüstung aus. Nutzer berichteten von ihrem Arbeitalltag und einer permanenten Überlastung. Die erschreckenden Beispiele sollen zeigen, dass es angesichts des Personalmangels in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen derzeit wenig Lobenswertes über den Beruf von Pflegefachkräften gibt. Auch der Deutsche Pflegeverband reagierte ungehalten. Rüddels Tweet sei ein Beleg für die politische Inkompetenz.
    Die Initiatorin des Hashtags #twitternwierüddel, Sarah Menna, aus Breckerfeld, alias "LAD_in_GAZ" auf Twitter, sagte im DLF-Podcast "Der Tag", tatsächlich sei es nicht einfach, lobende Worte für den Job in der Pflege zu finden. Sie sei erbost über Rüddels Vorschläge gewesen. Mit Blick auf die versprochenen neuen 8.000 Stellen in der Pflege meinte Menna, damit würde es in der Pflege keine spürbaren Veränderungen geben.
    Unverständnis äußerte sie auch darüber, dass Pflegekräfte eine Mitschuld trügen, weil sie nicht gut über ihre Arbeit sprechen würden. In der Pflege gebe es nichts schön zu reden. Menna, die jahrelang als Krankenschwester arbeitete fügte hinzu, vor allem in der Nacht sei es schlimm, wenn man allein sei. Man habe keinerlei Hilfe. Im Notfall müssten Kollegen von den anderen Stationen gerufen werden. Im Frühdienst sei die Körperpflege der Bedürftigen nur noch Fließbandarbeit. Es gebe einfach zu wenig Personal. Teilweise müssten Praktikanten und Hauswirtschaftskräfte am Patietenbett mitarbeiten. "Das hat mit professioneller Pflege wenig zu tun."

    Inzwischen hat der CDU-Politiker reagiert. Rüddel fühlt sich missverstanden und bittet um Nachsicht. Sein Tweet sollte keine Anschuldigung gegenüber den Pflegekräften sein. Er habe großen Respekt vor der Arbeit dieser Menschen. Deren Tätigkeit sei nicht nur ein Beruf, sondern auch Berufung. Gerade wegen der schweren körperlichen Arbeit müsse die Politik für die bestmöglichen Rahmenbedingungen sorgen. Dafür engagiere er sich als Gesundheitspolitiker.
    Zuvor hatte die Debatte auch die Politik erreicht. Mit Häme reagierten Politiker und Abgeordnete auf Rüddels Vorstoß. Die Vorsitzende der Linken-Fraktion im Bundestag, Wagenknecht, nannte Rüddels "irre". Sie wünschte ihn ein "Rendevouz mit der Realität".
    Auch ihr Partei-Kollege Gysi warf dem CDU-Politiker mangelnde Sachkenntnisse vor. Man könne vielleicht mit 90 noch im Gesundheitsausschuss "herumdödeln", ohne dass es einer merkt, aber keinen Pflegeberuf ausüben.
    Der AfD-Bundestagsabgeordnete Pasemann warf der CDU Konzeptlosigkeit vor. "Statt Probleme anzupacken, fordert man Betroffene auf, alles schönzureden!"
    Jenseits der Twitter-Debatte legte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) eine Studie zur Situation der Pflege vor. Demnach kümmere sich jeder elfte beschäftigte um einen pflgebedürftigen Angehörigen. Allerdings stelle fast drei Viertel der Betroffenen die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf vor Probleme, heißt es in der Untersuchung im Rahmen des DGB-Index "Gute Arbeit". In Deutschland seien rund 3,3 Millionen Menschen pflegebedürftig, zwei Millionen würden daheim versorgt. Vor allem ältere Arbeitnehmer würden ihre Angehörigen pflegen. Das DGB-Vorstandsmitglied Buntenbach forderte einen besseren gesetzlichen Rahmen für selbstbestimmte Arbeitszeiten sowie finanzielle Unterstützung von den Arbeitgebern.