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Ude: SPD soll Ja zum Flughafenausbau sagen

Der Münchener Oberbürgermeister macht seine Kandidatur für die Bayern-SPD bei den Landtagswahlen 2013 davon abgängig, dass seine Partei für den Ausbau des Flughafens stimmt. Die SPD hatte sich auf einem Landesparteitag "überraschend" dagegen ausgesprochen.

Christian Ude im Gespräch mit Peter Kapern | 15.08.2011
    Peter Kapern: Es gibt Dinge, die kann man sich einfach nur ganz schwer vorstellen: zum Beispiel, dass Schalke doch noch mal Deutscher Fußballmeister wird – oder auch, dass die SPD irgendwann mal Bayern regiert. Obwohl, von Letzterem wird in Bayern nun durchaus geträumt, und das hat einen Grund: Christian Ude, der überaus beliebte SPD-Oberbürgermeister von München, hat Ja gesagt. Ja, er könne es sich durchaus vorstellen, unter bestimmten Bedingungen als Spitzenkandidat seiner Partei bei der nächsten Landtagswahl 2013 anzutreten. Und seither wird eben geträumt davon, dass es Christian Ude schafft, gemeinsam mit den Grünen und den freien Wählern der CSU die Macht zu entreißen. Wie das gelingen soll, das kann er uns jetzt selbst erklären. Guten Morgen, Herr Ude!

    Christian Ude: Ja, guten Morgen!

    Kapern: Herr Ude, Sie haben ja noch nicht gesagt, Ja, ich will, sondern nur, ja, ich will vielleicht unter bestimmten Bedingungen – so richtig zupackend erscheint das ja nicht!

    Ude: Ja, ich bitte Sie! Selbstverständlich bedarf eine Kandidatur bestimmter Voraussetzungen. Und wir haben ja überhaupt noch keine Gespräche geführt, sondern diese Idee ist öffentlich geäußert worden vom Landesvorsitzenden, und daraufhin haben die Journalisten mich gefragt, ob ich mir das überhaupt vorstellen könne. Und während es in den vergangenen Jahren so war, dass ich guten Gewissens sofort und apodiktisch Nein sagen konnte, weil ich meine Lebensaufgabe im Rathaus sah und nicht in der Landespolitik, habe ich jetzt erklärt, dass die Situation offen ist, weil tatsächlich mein Engagement im Rathaus zu Ende geht und die Frage, ob ich eine andere Aufgabe anpacke, nunmehr eine offene Frage ist. Wobei ich diese Gespräche, die wir im Herbst haben, nicht führen würde, wenn nicht tatsächlich ein positiver Ausgang möglich wäre. Ich habe gesagt, es müssen einige Bedingungen erfüllt sein, dass wirklich die SPD insgesamt dahintersteht und nicht nur einige Führungspersönlichkeiten – das scheint übrigens schon geklärt zu sein, das ist wohl der Fall, aber dann müsste ...

    Kapern: Wie ist das herausgefunden worden?

    Ude: Durch die schlaue Zunft der Journalisten, der ich auch mal angehört habe, die haben einfach, was die innerparteiliche Willensbildung so schnell nicht tun kann, alle Bürgermeister und Bezirksvorsitzenden und Unterbezirksvorsitzenden in Bayern angerufen und die Resonanz war so, dass die bayerische SPD selber fast erschrocken ist: Was, seit wann streiten wir uns nicht mehr? Seit wann gibt es eine solche Einmütigkeit in der Partei?

    Kapern: Welche weiteren Bedingungen müssen denn erfüllt werden?

    Ude: Es gibt in der Sache eigentlich nur einen Konfliktpunkt, den ich sehe: Die Münchner SPD ist mit ihrem Wahlprogramm und in Übereinstimmung mit der Staatsregierung übrigens für den Ausbau des Flughafens, der das wirtschaftliche Rückgrat, nicht nur von ganz Oberbayern, sondern für den gesamten Freistaat ist. Es gab mal zu später Stunde einen Landesparteitagsbeschluss, der ihn überraschend abgelehnt hat – hier kann ich keine Persönlichkeitsspaltung zelebrieren und als Oberbürgermeister dafür sein, aber als Spitzenkandidat dagegen. Wir haben ja jetzt auch einen ganz, ganz gründlichen Planfeststellungsbeschluss, der die Notwendigkeit dieses Projektes bestätigt, und da müsste eine Korrektur zustande kommen. Ansonsten ...

    Kapern: Ist die Bayern-SPD, Herr Ude, eine Dagegen-Partei?

    Ude: Nein, das ist sie nicht, sondern sie hat hier, wie ich schon angedeutet habe, zu sehr später Stunde und sehr überraschend, bei auch geringer Anwesenheit von Delegierten, einen Beschluss gefasst, der natürlich den örtlichen Betroffenen, die das Projekt ablehnen, sehr gelegen kam, aber für die Münchner SPD gar schwer verdaulich gewesen ist.

    Kapern: Trotzdem klingt es ja ein wenig seltsam, wenn sozusagen ein Spitzenkandidat sich eine Partei formt. Normalerweise suchen sich ja Parteien einen Spitzenkandidaten aus. Wenn Sie jetzt sozusagen Ihrer Partei erst mal einen Reformprozess verordnen, bevor Sie sich dann zur Kandidatur bereit erklären, könnte das ja drauf hindeuten, dass Sie von Ihrer eigenen Partei so ein hohes Bild gar nicht haben!

    Ude: Ich habe von dieser einen Entscheidung, die zu später Stunde und überraschend und ohne gründliche Vorbereitung und ohne Anhörung der Befürworter gefallen ist, wie das bei Parteitagen gelegentlich passiert, keine hohe Meinung. Aber das ist doch nicht die Kernfrage, ob man zusammenkommen kann. Ich denke, dass ich die inhaltlichen Positionen der SPD in den meisten Fragen der Landespolitik – ob es die Bildungspolitik ist, wo wir immer schon Nachmittagsangebote wollten und die gemeinsame Schule und selbstverständlich Ganztagsschulangebote, ob es die Krippenbetreuung ist, wo die Sozialdemokraten Jahrzehnte vor den Schwarzen einen realistischen und familienfreundlichen Kurs gefahren haben, ob es die Fragen der Sozialpolitik sind – volle Übereinstimmung habe. Aber man muss sich immer noch bei einigen restlichen Punkten zusammenraufen!

    Kapern: Herr Ude, bei der letzten Landtagswahl hat die SPD, wenn ich mich recht entsinne, in Bayern 18 Prozent geholt. Wie viel wären mit einem Spitzenkandidaten Ude drin?

    Ude: So viel Zeit muss sein, es waren 18,6! Und in Bayern legt man auf solche Stellen nach dem Komma auch großen Wert. ...

    Kapern: Knapp an der Macht vorbei, ja?

    Ude: Nein, ich weiß, dass es hier keine Wunder geben wird, auch so eine Tatsache wie die Entstehung der Grünen, die stärker geworden sind, gerade in diesem Jahr, und die Absplitterung der Linken, kann nicht rückgängig gemacht werden. Wir bewegen uns nicht mehr auf dem hohen Niveau der Vergangenheit. Aber ich bin schon von einem Rundfunkkollegen zur Beantwortung dieser Frage genötigt worden und habe gesagt: Fünf Prozent Zuwachs traue ich mir zu. Und wenn die Grünen ihre Stärke behaupten und die Freien Wähler auch, dann ist das allemal eine Mehrheit!

    Kapern: Was macht Sie eigentlich so sicher, dass Ihre Zugkraft auch außerhalb Münchens und außerhalb der bayrischen Großstädte funktioniert? Denn es gibt ja Regionen in Bayern, da kam die SPD zuletzt nicht einmal mehr auf zehn Prozent. Können Sie da auch landen, in den ländlichen Gebieten?

    Ude: Die Frage ist wirklich sehr ernst zu nehmen. Es wird keine landeseinheitliche Entwicklung geben. Ich denke, dass ich mit mehreren Wahlergebnissen deutlich über 60 Prozent die Zugkraft in München bewiesen habe. Das strahlt ganz sicher in der gesamten Metropolregion München aus, auch im Oberland rund um München, und es wird natürlich schwächer ausgeprägt sein in Franken oder in Niederbayern. Aber auch dort haben sich die Repräsentanten der Partei sehr positiv geäußert. Ich habe immer schon Wahlkämpfe auch in Augsburg und Nürnberg geführt und Reden in Regensburg gehalten und gemerkt, dass die Resonanz auch dort positiv ist, und dort hat die SPD den gewaltigen Nachholbedarf! Ich glaube nicht, dass ihre Zukunft so stark auf dem flachen Land liegt, wo bäuerliche, wo landwirtschaftliche Strukturen herrschen, wo sie natürlich auch Angebote machen kann und Zuwächse erzielen kann, aber die große Chance liegt in den Städten, dort wo Urbanität und Modernität zuhause sind.

    Kapern: Herr Ude, ich habe ja eingangs gesagt, wie schwer vorstellbar es scheint, dass die SPD eines Tages mal Bayern regiert. Was wäre das für eine Zäsur in der politischen Geschichte Deutschlands, wenn dies der SPD doch tatsächlich mal gelingen würde, der CSU die Macht zu entreißen?

    Ude: Das wäre natürlich für die zwei Wochen später stattfindende Bundestagswahl schon ein beachtliches Signal, dass die Sozialdemokratie keineswegs verkümmert – was viele Propheten ihr schon geweissagt haben, sondern dass sie ganz stark wieder im Kommen ist, selbst in einem Bundesland, in dem man ihr das am allerwenigsten zugetraut hat. Und es wäre natürlich für den Freistaat Bayern ein Stück Normalität, dass hier nicht Generationen lang die CSU das alleinige Sagen hat, sondern dass ein demokratischer Wechsel auch in diesem Gemeinwesen möglich ist. Das war ja zuletzt in den kleinen drei Jahren von 1954 bis 1957 der Fall, dass mit dem Vater der bayrischen Verfassung, Professor Wilhelm Hoegner ein Sozialdemokrat regiert hat. Es gibt mehrere Generationen, die sich das ganz gut vorstellen können.

    Kapern: Schöner, Herr Ude, kann man gar nicht um die Unterstützung der Bundes-SPD bitten für die eigene Kandidatur. Christian Ude war das, der Oberbürgermeister vom München – und, sagen wir mal ganz vorsichtig, wahrscheinliche Spitzenkandidat der bayrischen SPD bei der nächsten Landtagswahl. Herr Ude, ich bedanke mich für das Gespräch, Wiederhören!

    Ude: Ja, Wiederhören, danke schön!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.