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Udo Ulfkotte: Grenzenlos kriminell. Die Risiken der EU-Osterweiterung. Was Politiker verschweigen.

Guten Abend und herzlich willkommen zu 45 Minuten, die sich wieder einmal schwerpunktmäßig mit dem Osten Europas beschäftigen wollen. Vor allem Russland, die ehemalige Sowjetunion und Polen haben wir uns dazu ausgesucht - Polen, das ja ab kommendem Samstag, ab dem 1. Mai, auch Partnerland und Neumitglied in der nach Osten erweiterten Europäischen Union sein wird.

Von Christian Bommarius | 26.04.2004
    Gerade am Beispiel Polens wird deutlich, wie dieses im Zentrum Europas liegende Land im Lauf seiner Geschichte mehrfach Opfer europäischen Haders und miteinander konkurrierender Machtzentren geworden ist. Geradezu symbolisch dafür ist - nicht nur für die langsam aussterbende Erlebnisgeneration - der Warschauer Aufstand vom Sommer 1944 gegen die nazi-deutschen Unterdrücker. Ein neues Buch über das damalige Geschehen aus der Feder eines britischen Historikers kommt in diesen Tagen auf den Markt. Wir haben schon einmal für Sie hineingeschaut.

    Der Sowjet-Diktator Stalin, dessen Herrschaft das 20. Jahrhundert, und damit auch die Politik der europäischen Länder nachhaltig geprägt hat, ist Objekt einer weiteren Neuerscheinung, die seine auf den Schrecken der Geheimpolizei beruhende Macht untersucht, vor allem aber auch Brücken in das Russland der Gegenwart schlägt. Stalin und die Russlanddeutschen - mit dieser für die letzteren verhängnisvollen Wechselbeziehung befasst sich ein Erlebnisbericht, der erst jetzt, vor kurzem, veröffentlicht worden ist. Auch über dieses Buch werden Sie gleich mehr erfahren.

    Und gegen Ende der heutigen Ausgabe der politischen Literatur wird es schließlich noch um einen Sammelband gehen, der in einer Art Synthese versucht, die - so der Titel - "Aufstände im Ostblock. Zur Krisengeschichte des realen Sozialismus" miteinander zu vergleichen.

    Keine Woche also wird es noch dauern, bis die östliche Landesgrenze der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr zugleich auch die Außengrenze der Europäischen Union sein wird. Tschechien und Polen werden endlich zur EU gehören. An die neue östliche EU-Außengrenze stoßen dann Russland mit seiner Exklave Kaliningrad/Königsberg, Weißrussland und die Ukraine. Eine territoriale Neuordnung, die bei manchen allerdings auch neue Sorgen aufkommen lässt. Einer, dem die Osterweiterung eher Bauchschmerzen bereitet, ist der Publizist Udo Ulfkotte. "Grenzenlos kriminell - Die Risiken der Osterweiterung - Was Politiker verschweigen" so hat er sein neues, im Münchner Bertelsmann Verlag erschienenes Buch genannt. Für uns gelesen hat es Christian Bommarius und sich dann folgende Gedanken notiert:

    Die polnischen Diebe, die litauischen Wanderdealer, die estnischen Bankräuber und die tschechischen Zuhälter, die Udo Ulfkotte aufmarschieren lässt, werden demnächst ihr blaues Wunder erleben. Wenn sie nach dem Beitritt ihrer Länder in die Europäische Union vor allem Deutschland überschwemmen, wenn sie ab dem 1. Mai zu Tausenden, zu Zehn-, zu Hunderttausenden das Organisierte Verbrechen über die geöffneten Grenzen bringen und dem deutschen Rechtsstaat frech den Krieg erklären, dann treten ihnen keineswegs Polizisten, Staatsanwälte oder Richter entgegen, sondern gewaltbereite Islamisten.

    Denn noch vor den Horden gefährlicher Krimineller hatte Ulfkotte im vergangenen Jahr in seinem Buch "Der Krieg in unseren Städten" die Bundesrepublik mit zu allem entschlossenen extremistischen Moslems bevölkert, die – verschlagen als friedliche Mitbürger getarnt – die Stunde des Generalangriffs auf den deutschen Rechtsstaat unruhigen Herzens erwarten. Ausführlich hatte Ulfkotte das Vergnügen beschrieben, mit dem die Islamisten dem Tag entgegensehen, an dem sie dem Rechtsstaat das Messer in den Rücken stoßen. Danach darf es ausgeschlossen werden, dass sie dabei ausgerechnet den polnischen, litauischen, estnischen oder tschechischen Kriminellen den Vortritt lassen, die Ulfkotte nun in seinem neuesten Buch "Grenzenlos kriminell – Die Risiken der EU-Osterweiterung" den Deutschen auf den Hals hetzt.

    Panikmache ist noch der geringste Vorwurf, den sich Journalisten vom Schlage Ulfkottes zum Vorwurf machen lassen müssen. Autoren wie er leben von den vagabundierenden, teils begründeten, teils überzogenen, teils haltlosen Ängsten der Bevölkerung, beuten sie aus und füttern sie zugleich mit angeblich brisantem Material. Auf diese Weise hat es Ulfkotte in den vergangenen Jahren bereits zum Bestsellerautor gebracht, mit seinem jüngsten Werk aber ist ihm der Triumph, der Dieter Bohlen der inneren Sicherheit zu sein, nicht mehr zu nehmen. Allein die Behauptung auf dem Cover, das Buch enthülle, "was Politiker verschweigen", ist bizarr, ebenso wie die Bemerkung auf den ersten Seiten, der Autor greife ein "Tabuthema" auf. Kaum ein anderes Thema im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung wird in der Politik und in den Medien so heftig und so offen diskutiert wie die mögliche Gefahr zunehmender Kriminalität in den alten EU-Staaten. Leider aber wird auch kaum ein anderes Thema so unqualifiziert behandelt wie in dem Buch Ulfkottes. Um die Bedrohlichkeit des Szenarios, das er auf 319 Seiten entwirft, nur ja nicht zu dämpfen, scheut er selbst vor falschen Tatsachenbehauptungen nicht zurück:

    Was den Fahrzeugdiebstahl angeht, so hat man in Deutschland anscheinend die Hoffnung auf sinkende Fallzahlen aufgegeben.

    Ein oberflächlicher Blick in den vom Bundesinnen- und vom Bundesjustizministerium herausgegebenen "Ersten periodischen Sicherheitsbericht" hätte Ulfkotte eines Besseren belehrt. Danach haben sich beim Auto-Diebstahl zwischen 1993 und 1999 die registrierten Fälle mehr als halbiert. Ginge es Ulfkotte tatsächlich um Aufklärung, dann hätte er die plausible Einschätzung des Bundeskriminalamts zumindest erwähnt, wonach die Ostweiterung nicht etwa potentiellen Tätern das Geschäft erleichtern werde – denn die sind längst schon da –, sondern vielmehr den nationalen Sicherheitsbehörden. Vor allem die Zusammenarbeit zwischen den Polizeien und Staatanwaltschaften, die gemeinsamen gesetzlichen Standards und der Informationsaustausch dürften sich durch die Erweiterung spürbar verbessern, da die Beitrittsländer die Rechtsinstrumente und Prinzipien der Justiz der alten EU-Staaten übernehmen werden. Das alles interessiert Ulfkotte nicht, was ihn interessiert, ist die Rivalität der polnischen "Wolomin-Mafia" mit der "Pruschkuw-Gang", das Treiben der rumänischen "Gullydeckel-Bande" und jene erschütternde Manifestation osteuropäischer Kriminalität, die jüngst in Nürnberg beobachtet wurde:

    Am 29. November 2003 wurde in Nürnberg ein Akkordeonspieler von der Polizei kontrolliert. Der Mann wies sich mit einem rumänischem Pass aus. Bald aber stellten die Polizeibeamten fest, dass der 40 Jahre alte Rumäne schon im Jahr 2002 unter anderem Namen aus Deutschland abgeschoben worden war, nachdem er sich hier illegal aufgehalten hatte. In seiner Heimat ließ er sich unter Angabe falscher Personalien einen neuen Pass ausstellen und reiste am 21. November 2003 wieder nach Deutschland ein. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wurde er dem Ermittlungsrichter vorgeführt, der die Untersuchungs- und Abschiebehaft anordnete.

    Wer von diesen Fällen liest, der fragt sich natürlich, der muss sich fragen, in welcher Welt wir leben, in der solche Verbrechen geschehen. Sollten etwa alle Ausländer so sein? Zumindest auf diese Frage, und zumindest am Beispiel der Polen gibt der praktizierende Anti-Rassist Ulfkotte eine beruhigende Antwort.

    Nicht alle Polen sind Gangster und Schmuggler, genauso wenig, wie alle Deutschen Nazis sind.
    Schön, dass Udo Ulfkotte zumindest so viel schon verstanden hat.


    Christian Bommarius rezensierte: Udo Ulfkotte: "Grenzenlos kriminell. Die Risiken der EU-Osterweiterung. Was Politiker verschweigen". Erschienen ist der Band im Verlag C. Bertelsmann, München. 320 Seiten - für 19 Euro 90.