Freitag, 19. April 2024

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Über Fields-Preisträger Peter Scholze
"Er kommt als besonders lockerer Kollege rüber"

Fröhlichkeit und die Fähigkeit, alles im Kopf zu machen: Das zeichne den Träger der Fields-Medaille Peter Scholze aus, sagte sein ehemaliger Mentor und Doktorvater Michael Rapoport im Dlf. Die Universität Bonn solle alles tun, um diesen Spitzenmathematiker zu halten.

Michael Rapoport im Gespräch mit Arndt Reuning | 01.08.2018
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    Lachen sei immer Teil der Forschungsanstrengung von Mathematiker Peter Scholz, sagte sein Mentor und Doktorvater Michael Rapoport im Dlf (dpa / picture alliance / Ralf Hirschberger )
    Arndt Reuning: Dem deutschen Mathematiker Peter Scholze wurde heute die Fields-Medaille verliehen, die wohl höchste Auszeichnung seiner Disziplin. Peter Scholze war der jüngste ordentliche Mathematik-Professor in Deutschland und auch der jüngste Leibniz-Preisträger. Aber welche Persönlichkeit verbirgt sich hinter dem Forscher? Das habe ich jemanden gefragt, der es eigentlich wissen sollte, nämlich den ehemaligen Doktorvater und Mentor von Peter Scholze, Michael Rapoport, Professor an der Universität Bonn, mittlerweile im Ruhestand. Und das hat er geantwortet.
    Michael Rapoport: Ich würde seine Persönlichkeit als fröhlich, locker beschreiben. Er ist weitgehend konfliktfrei. Es ist auch, wenn er ein Problem löst, nicht nur, dass er sich darauf versteift, dass er von vornherein weiß, wie es gehen wird, sondern er ist bereit, alle Möglichkeiten zu eruieren. Er hat dort keine Apriori, und dadurch kommt er eben auch als besonders lockerer Kollege herüber.
    Reuning: Wenn man sich jetzt anschaut, wie Peter Scholze als Mathematiker arbeitet, gibt es da etwas Besonderes an seiner Arbeitsweise?
    Lachen und Kopfarbeit
    Rapoport: Ja, ich würde sagen, da gibt es zwei Sachen, die ich besonders hervorheben würde: Zum einen, dass er immer dabei völlig locker ist. Als ich zum Beispiel am Forschungsinstitut in Berkeley war, da war mein Büro zwei Büros von seinem entfernt, und ich hörte aus diesem Büro die ganze Zeit über nur Lachen. Am Tagesende habe ich ihn gefragt, worüber denn da so viel gelacht wurde, und da hat er gesagt, nee, nee, wir haben uns hier beschäftigt mit der prismatischen Kohomologie, wie man das definiert. Mit anderen Worten: Dieses Lachen war Teil dieser Forschungsanstrengung, die dort vorgenommen wurde - übrigens sehr oft zusammen mit anderen. Das scheint er zu lieben, dass er mit anderen zusammenarbeitet.
    Und das Zweite, was ich auffällig finde, ist, dass der Scholze alles im Kopf zu machen scheint. Er ist schon in mein Büro gekommen und hat mir gesagt, er hätte gerade einen großen Satz bewiesen, und im Gespräch stellte sich dann heraus, dass er sich gerade das alles im Kopf zurechtgelegt hätte, aber dass er noch sechs Monate lang brauchen würde, um die Einzelheiten, die dies beweisen, aufzuschreiben. Ich meine, beides sind Eigenschaften - diese Fröhlichkeit beim Schaffungsprozess und dieses im Kopf zu machen, das sind beides Eigenschaften, die mich irgendwie an Mozart erinnern.
    "Ihm war es wichtiger, bodenständig zu bleiben"
    Reuning: Peter Scholze forscht nun wieder an der Universität, an der er auch studiert hat. Ist das beschauliche Bonn denn solch ein attraktiver Standort für einen Spitzenmathematiker?
    Rapoport: Das ist eine sehr interessante Frage. Ich habe auch eine Zeit lang versucht, ihn zu drängen, vielleicht auch eines von diesen attraktiven Angeboten wenigstens auf Zeit anzunehmen, mit dem Gedanken, dass man da vielleicht auch andere Anregungen kriegen könnte, aber ihm war es wichtiger, bodenständig zu bleiben, und hat mir gesagt, dass er so viel Anregungen gar nicht benötigte, um seine Fantasie in Gang zu setzen. Und bis jetzt ist es auf jeden Fall so, dass man sagen kann, dass er eigentlich die richtige Entscheidung getroffen hat. Ich hoffe, dass in Bonn alles unternommen wird, um Scholze in Bonn zu halten, denn sicher, Bonn ist äußerst attraktiv, aber die Attraktivität von Bonn im Umkehrschluss beruht auch darauf, dass Scholze da ist.
    Reuning: Sagt Professor Michael Rapoport von der Universität Bonn über den Fields-Medaillen-Preisträger Peter Scholze. Die schlechte Audioqualität der Verbindung bitten wir zu entschuldigen, wir haben Herrn Professor Rapoport auf der Mathematik-Konferenz in Rio de Janeiro erreicht.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.