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Überblick über dem Morast

Klimaforschung. - In den gefrorenen Böden der Polarregionen sind ungeheure Mengen an Kohlenstoff gespeichert. Was genau allerdings in der Arktis vor sich geht, wo welche Böden auftauen und wieviel von welchem Treibhausgas produziert wird, ist bis heute unbekannt, denn die Arktis ist eine der unzugänglichsten Regionen der Welt. Deshalb setzen amerikanische Forscher jetzt auf kontinuierliche Messkampagnen per Flugzeug. Erste Ergebnisse haben sie vorgestellt auf dem Herbsttreffen der Amerikanischen Geophysikalischen Union in San Francisco.

Von Monika Seynsche | 07.12.2012
    Die kleine graue Propeller-Maschine überfliegt eine endlos scheinende grünbraune Ebene, durchlöchert von unzähligen kleinen Seen und Tümpeln. Im Dunst des Horizonts verschwindet das Land gen Norden im Meer. Der Anblick ist Charles Miller vom Jet Propulsion Laboratory der Nasa vertraut. Den Sommer über haben er und seine Kollegen jeden Monat zwei Wochen an Bord des kleinen Flugzeugs verbracht.

    "Wir nutzen einen sehr robuster Flugzeugtyp mit zwei Propellern, der oft in der Arktis eingesetzt wird. Aus unserem Flugzeug haben wir aber alle Sitzreihen herausgenommen und es mit unseren Instrumenten ausgestattet. Es sieht im Inneren also ganz anders aus, als Sie sich ein normales Flugzeug vorstellen."

    Im Sommer taut die Oberfläche der Permafrostböden auf. Durch das Eis im Untergrund kann das Wasser nicht abfließen und die Tundra Alaskas verwandelt sich in eine unzugängliche Sumpflandschaft. Mit dem Dalton Highway durchzieht nur eine einzige Straße ein Gebiet, fast so groß wie Deutschland.

    "Schätzungen gehen davon aus, das in der Permafrostböden der Arktis bis zu 1500 Milliarden Tonnen Kohlenstoff gespeichert sind. Um Ihnen einen Vergleich zu geben: Seit dem Beginn der Industrialisierung sind durch die Verbrennung von Kohle, Gas und Öl insgesamt gerade einmal 350 Milliarden Tonnen Kohlenstoff freigeworden. In den arktischen Böden liegt also fünf Mal so viel Kohlenstoff, wie wir bislang durch fossile Energien in die Atmosphäre gebracht haben."

    Dieser Kohlenstoff ruht, solange die Böden gefroren sind. Tauen sie auf, fangen Mikroorganismen an, ihn umzuwandeln, in Kohlendioxid und Methan. Charles Miller und seine Kollegen untersuchen mit ihrem Flugzeug kontinuierlich Luftproben, um zu sehen, wieviel dieser Treibhausgase in die Atmosphäre gelangt.

    "Wir benutzen Laserspektrometer, mit denen wir messen, wieviel Licht von den Molekülen in unserer Probe absorbiert wird. Daraus können wir dann auf die Zahl der Moleküle schließen."

    Ähnliche Messungen laufen auch an den wenigen festen Messstationen, die es in der Arktis gibt. Aber sie können immer nur Aussagen für die direkte Umgebung der Station liefern. Satellitendaten wiederum geben zwar einen Überblick, aber keine Details. Genau diese Lücke wollen Charles Miller und seine Kollegen mit ihrer Carve genannten Mission schließen. Das graue Flugzeug soll mindestens fünf Sommer lang Daten sammeln. Schon die Ergebnisse der ersten Messflüge in diesem Sommer haben Charles Miller überrascht.

    "Wir haben gesehen, dass die Methanproduktion viel früher im Jahr einsetzt, als bisherige Untersuchungen und Modelle nahegelegt hatten. Das liegt daran, dass Schnee und Eis schmelzen und die Gase entlassen, die sich während der langsamen Abbauprozesse im Winter im Boden angesammelt haben. Es kommt dann zu regelrechten Ausbrüchen von Gas, die zwar lokal sehr begrenzt sind, aber hohe Konzentrationen erreichen können. Und das zu einem Zeitpunkt, zu dem die Landoberfläche noch zu 80 bis 90 Prozent gefroren ist: im April und Anfang Mai. Das ist viel früher als wir erwartet haben."

    Darüberhinaus variieren die Konzentrationen von Kohlendioxid und Methan von Ort zu Ort viel stärker, als die Forscher vermutet hatten. Und selbst identisch aussehende Landschaftstypen stoßen zur selben Jahreszeit unterschiedlich viel an Treibhausgasen aus. Allerdings war 2012 auch ein außergewöhnlich warmes Jahr in der Arktis. Erst die Messkampagnen der nächsten Jahre werden deshalb Aussagen über Trends und Veränderungen der Kohlenstoffemissionen aus den Permafrostböden der Arktis ermöglichen. Charles Miller wird also noch viele Male mit dem grauen Flugzeug über die Tundra Alaskas fliegen.