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Überlebenskampf, Eheberatung und Aussteiger

Im Mittelpunkt von "Der Fluss war einst ein Mensch" steht eine Person und ihr Überlebenskampf. In "Mensch 2.0 - Die Evolution in unserer Hand" ist ein dokumentarischer Essay, der die Verschmelzung von Mensch und Maschine beleuchtet. "Wie beim ersten Mal" zeigt Szenen einer Ehe, die in der Sackgasse steckt.

Von Hartwig Tegeler | 26.09.2012
    Was ist der Mensch, wenn er sich fremd wird, fremder als jemals zuvor in einer beängstigenden, andersartigen Welt, in die er wie gefallen ist? Ist das Freiheit oder Bedrohung? Ein Mann, ein Deutscher, erfolgloser Schauspieler - mehr erfahren wir von ihm nicht -, auf einer Kanufahrt in Botswana. Das Delta des Okavango.

    Am Morgen ist sein afrikanischer Führer, der weise, alte Mann, tot. Nun ist der Deutsche allein auf dem fremden Fluss. Eine Flussfahrt ins Unbekannte wie bei Josef Conrad im "Herz der Finsternis". Hier, im Film "Der Fluss war einst ein Mensch" steht im Mittelpunkt nur eine Person und der Dschungel, der Fluss, die Fremde, der existenzielle Überlebenskampf. Der Versuch, ein Lagerfeuer zu machen, kann dazugehören. In einer betörenden Intensität stellt Alexander Fehling den Weißen in Afrika dar. Fehling, der den Goethe spielte, Andreas Baader oder jüngst den Republik-Flüchtling in "Wir wollten aufs Meer". In Jan Zabeils Regiedebüt "Der Fluss war einst ein Mensch", diesem magischen wie unheimlichen, unsere Sehgewohnheiten immer wieder irritierenden Trip in Afrika, beweist Alexander Fehling, dass er zurzeit einer der besten deutschen Schauspieler ist.

    "Der Fluss war einst ein Mensch" von Jan Zabeil - wunderbar verstörend wie herausragend.

    Was ist der Mensch, besser, wenn er und seine Beziehung in die Jahre kommt.

    "Nun, Arnold, ich schätze diese Paartherapie war nicht Ihre Idee. - Genau."

    Meint Arnold, seit gut drei Jahrzehnten Ehemann von Kay. Beide sind sich gleichgültig geworden; gemeinsamer Sex nur noch eine vage Erinnerung. Eines Tages trifft Kay die Entscheidung:

    "Ich möchte dahin! - Dr. Bernard. Zentrum für Intensiv-Paar-Beratung. Du willst zu einer Paartherapie? - Ich habe es schon bezahlt."

    Meryl Streep spielt im Film "Wie beim ersten Mal" nach "Der Teufel trägt Prada" erneut die Hauptrolle in einem David-Frankel-Film. An ihrer Seite als griesgrämiger, gefühlsmäßig erkalteter Ehemann Tommy Lee Jones.

    "Wir haben überhaupt keinen Sex mehr."

    Die Sache mit dem erkalteten Sex ist ohne Frage ein realistisches Problem vieler Paare. Und "Wie beim ersten Mal" zeigt Meryl Streep und Tommy Lee Jones durchaus in bedrückenden wie berührenden Szenen diese alten Ehe in der Sackgasse. Guter Ausgangspunkt für einen guten Film, den allerdings David Frankel ziemlich schnell opfert. Zum einen sind es unerträglich süßliche Songs, die in "Wie beim ersten Mal" wie eine Soße über den Film gekippt sind, und zwar immer dann, wenn der Filmemacher offensichtlich nichts mehr zu erzählen weiß. Zum anderen ist es dieser von Anfang an spürbare Zwang zum guten Ende. Natürlich wissen wir, dass Meryl Streep und Tommy Lee Jones am Ende wieder ein glückliches Paar sind. Das nimmt dem Film jede Ernsthaftigkeit in der Auseinandersetzung mit seinem Thema nimmt. Und das macht:

    "Wie beim ersten Mal" von David Frankel - äußerst ärgerlich.

    Was der Mensch ist? Er ändert sich ständig, meint der Professor für Robotik.

    "Human being is changing ..."

    Mensch und Maschine verschmelzen. Was aber ist dann noch der Mensch? Was künstliche im Gegensatz zur natürlichen Intelligenz? Diese fundamentalen Fragen über uns haben Alexander Kluge und Basil Gelpke Neurologen, Ärzten und Robotikern gestellt. Das rund zwölfstündige Material von "Mensch 2.0 - Die Evolution in unserer Hand" erschien in diesem Jahr einer opulenten DVD-Box. Knapp zwei Stunden lang ist die Fassung dieses faszinierenden dokumentarischen Essays, der jetzt in den Kinos zu sehen ist.

    "Mensch 2.0 - Die Evolution in unserer Hand" - spannend und äußerst empfehlenswert.

    Was ist der Mensch, wenn er in einen unaufhaltsamen Strudel der Zeit gerät? Tatsächlich nur noch erfüllende Maschine?

    "Auch ich habe langsam das Gefühl, ich denke und funktioniere schon wie ein Computer."

    Meint Florian Opitz, der die Dokumentation "Speed - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" gedreht hat.

    "Auch in meinem Wortschatz kommt das Wort Muße nicht mehr vor. Warum das so ist? Keine Ahnung."

    Natürlich ist dieser naiv-persönliche Ton, den Filmemacher Florian Opitz anschlägt, äußerst künstlich und - mit Verlaub - ziemlich nervig. Dabei präsentiert "Speed" spannende Gesprächspartner, die das Problem unserer chronischen Zeitnot trotz anschaulich machen. Zeitforscher Karlheinz Geißler:

    "Die Geschwindigkeit, die wir erreicht haben inzwischen, in der Produktion, im Verkehr und im Vergnügen, in der Unterhaltung, diese Geschwindigkeit lastet uns sozial immer mehr Entscheidungen auf, und das kommt natürlich auch davon, dass alles rund um die Uhr zur Verfügung steht. Und deshalb haben wir zu wenig Zeit."

    Florian Opitz spricht in "Speed" mit Zeitmanagement-Experten, Therapeuten, mit Wissenschaftlern. Am intensivsten wirkt die Dokumentation jedoch, wenn Opitz das Leben der Zeit-Aussteiger beschreibt, beispielsweise den ehemaligen Investment-Banker auf der Alm besucht. Da gibt "Speed" für uns in unserer Zeitnot irritierende wie spannende Denkanstöße.

    "Speed - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" von Florian Opitz - empfehlenswert.