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Überraschender Machtwechsel in Kirgistan

Uwe Halbach zeigt sich überrascht vom raschen Machtwechsel in Kirgistan. Mit der früheren Außenministerin Rosa Otunbajewa stehe nun zwar eine erfahrene Politikerin an der Spitze des Landes. Es sei jedoch möglich, dass der bisherige Machthaber Bakijew eine Gegenbewegung aufzubauen versuche.

Uwe Halbach im Gespräch mit Sylvia Engels | 08.04.2010
    Silvia Engels: Die Situation im zentralasiatischen Kirgistan ist noch etwas unklar, doch es scheint so, als hätten die Putschisten sich durchgesetzt. Die Opposition in der früheren Sowjetrepublik hat erklärt, die Macht übernommen zu haben. Die selbst ernannte Übergangspräsidentin Rosa Otunbajewa kündigt Neuwahlen an und Präsident Bakijew soll in den Süden des Landes geflohen sein. Angeblich will er dort Anhänger um sich scharen. Mitgehört hat Uwe Halbach. Er ist Russland- und Zentralasien-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik. Das ist ein Institut in Berlin, das Politiker und Wissenschaftler in internationalen Fragen berät. Guten Tag, Herr Halbach.

    Uwe Halbach: Guten Tag!

    Engels: Waren Sie überrascht von dieser ja nun doch rasanten Entwicklung, die zurzeit offenbar für die Opposition ausgegangen ist?

    Halbach: Ja, ich war schon überrascht von der Stoßkraft, die diese Entwicklung in den letzten zwei Jahren genommen hat, und ich hätte auch mit einer längeren Konfrontation zwischen dem Regime und den Kräften, die das Regime anfechten, erwartet, weil Präsident Bakijew in den letzten Monaten seine Sicherheitsapparate festgezurrt hat. Von daher ist es für mich schon auch eine Überraschung, dass Bakijew so plötzlich verschwunden ist, und niemand so ganz genau weiß, wo er derzeit ist.

    Engels: Nun ist es so – unser Korrespondent hat es gerade gesagt -, dass die Gefahr eines Bürgerkrieges noch nicht gebannt erscheint. Wie schätzen Sie die Lage ein?

    Halbach: Es taucht möglicherweise ein Problem wieder auf, das das Land seit seiner Unabhängigkeit begleitet hat, nämlich eine Nord-Süd-Spaltung des Landes. Die Rosenrevolution vor fünf Jahren war im Wesentlichen dadurch geprägt, dass Politiker aus dem Süden des Landes mit in den Machtapparat gekommen sind, die vorher ausgeschlossen waren aus den Machtstrukturen. Wenn Bakijew sich tatsächlich in den Süden zurückgezogen hat und versucht, dort in seinem Heimatgebiet eine Art Gegenbewegung aufzubauen, dann birgt das in der Tat schon ein gewisses Risiko. Ich sehe einen Bürgerkrieg zwar noch nicht vor mir, aber dieser Nord-Süd-Gegensatz, der in Kirgistan bisher unbewältigt ist, ist schon ein Problem, aus dem noch Auseinandersetzungen erwachsen können.

    Engels: Von der Ferne ist es schwer zu beurteilen, aber denken Sie, das war wirklich ein spontaner Volksaufstand, oder sehen wir hier doch die lange geplante Tat einiger weniger, die sich dann aus ganz bestimmten Kreisen die Unterstützer geholt haben, um eben auch den Druck auf der Straße aufzubauen?

    Halbach: Das ist schwer zu beurteilen. Es ist sicherlich eine Mischung aus spontanen elementaren Elementen und organisierten Akteuren, aber es ist eigentlich in den letzten Monaten eher ein Bild entstanden, in der die Opposition als nicht besonders geeint, als nicht besonders tatkräftig, was die Vorstellung einer politischen Alternative zu dem herrschenden Regime betrifft, abgegeben hat. Insofern ist dieser doch jetzt wieder rasche Machtwechsel schon etwas überraschend.

    Engels: Die frühere Außenministerin Rosa Otunbajewa hat nun sich an die Spitze der Bewegung gestellt. Sie erklärt sich zur Übergangspräsidentin und will eine sogenannte Regierung des Volkes anführen. Weiß man, wofür sie steht?

    Halbach: Sie gehört sicherlich zu den alt erfahrenen Politikern in Kirgistan. Seit den 90er-Jahren ist sie in der politischen Szene. Sie hat das Amt des Außenministers ausgeübt, sie hat außenpolitische Erfahrungen. Im Moment ist das auch sehr wichtig für Kirgistan, weil ein wesentlicher Teil der politischen Dispute in dem Land ging auch über Außenpolitik, ging um die Frage, ob man sich eher nach Russland oder nach Westen hin ausrichten sollte. Bakijew hatte eine Schaukelpolitik betrieben. Die Frage der russischen und der westlichen Militärbasen hat in der Innenpolitik Kirgistans eine große Rolle gespielt. Insofern ist es ganz gut, eine Politikerin wie Otunbajewa dort an der Spitze zu sehen, die über außenpolitische Erfahrungen verfügt, über Kontakte verfügt auf internationaler Bühne.

    Engels: Herr Halbach, Sie haben es angesprochen: Sowohl Russland, als auch die USA unterhalten in Kirgistan Militärbasen. Das Land liegt an strategisch wichtiger Position, im Süden der ehemaligen Sowjetunion. Es grenzt an China. Welche Perspektiven haben nun diese Militärbasen?

    Halbach: Möglicherweise die Perspektive einer friedlichen Koexistenz. Umstritten war ja vor allem die Basis Manas, die amerikanische Militärbasis, die im letzten Jahr, so lautete die Ankündigung Bakijews, geschlossen werden sollte, und dahinter stand wesentlich Russland. Hinter dieser Option stand im Wesentlichen Russland. Russland hat seinerzeit damals Kirgistan noch einen erheblichen Kredit ausgeschrieben. Das fiel zeitlich sehr auffallenderweise zusammen mit diesen Entscheidungen über die Militärbasis. Die Militärbasis ist dann aber doch nicht geschlossen worden, Bakijew hat sich dann doch anders entschlossen. Insofern war dieses Thema auch innenpolitisch heftig umstritten. Jetzt bleibt Kirgistan das Land, in dem tatsächlich sowohl russische als auch westliche Militärbasen bestehen. In letzter Zeit war sogar noch die Diskussion darüber, ob es eine Anti-Terrorismus-Basis im südlichen Landesteil Osch geben sollte.

    Engels: Vielen Dank für diese Einschätzungen. – Das war Uwe Halbach. Er ist der Russland- und Zentralasien-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Vielen Dank!

    Halbach: Danke schön.