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Überraschender Rücktritt des Papstes

Genau um 11:47 Uhr kam die erste Meldung über den Rücktritt von Papst Benedikt. Matthias Gierth, Leiter der Redaktion "Religion und Gesellschaft" beim Deutschlandfunk beschreibt, dass der Papst immer wieder selbst auf die Möglichkeit eines Rücktritts hingewiesen hat.

Matthias Gierth im Gespräch mit Peter Kapern | 11.02.2013
    Peter Kapern: Genau 11:47 Uhr war es, da schickten die Kollegen vom englischen Dienst der Nachrichtenagentur Reuters eine Blitzmeldung in die Welt: "Pope Benedict to resign", Papst Benedikt wird zurücktreten, und zwar unter Berufung auf die italienische Nachrichtenagentur Ansa. Einzelheiten, soweit bekannt, dazu nun aus Rom von Tilmann Kleinjung.

    ((O-Ton))

    Soweit Tilmann Kleinjung aus Rom, und bei mir im Studio ist mein Kollege Matthias Gierth, der Leiter unserer Redaktion "Religion und Gesellschaft". Herr Gierth, wie bewerten Sie diese doch sehr überraschende Meldung aus Rom, welche Erklärung haben Sie für diesen überraschenden Rücktritt?

    Matthias Gierth: Ja, Herr Kapern, es ist, wie Sie sagen, tatsächlich ein Paukenschlag, den wir heute erleben. Interessanterweise hat Papst Benedikt XVI. ja während seines Pontifikats immer wieder angedeutet, dass er diesen Weg einmal gehen könnte. Er ist ja in der Kirchengeschichte bisher eigentlich nahezu einmalig, das heißt, die katholische Kirche hat es schon einmal erlebt, nämlich bei Celestin V., der ist 1294 schon einmal zurückgetreten, aber seitdem nicht mehr. Und eigentlich galt so etwas als ausgeschlossen. Benedikt selber hat aber in der Vergangenheit, unter anderem auch in den Interviewbüchern, die er mit Peter Seewald geführt hat, immer wieder darauf hingewiesen, dass das ein Weg und ein Schritt sein kann, als Papst zurückzutreten. Und offensichtlich hat er jetzt für sich erkannt, dass er nicht mehr genügend Kraft hat für dieses Amt, denn das war für ihn immer der Punkt, von dem er gesagt hat, wenn das so sein sollte, dann werde er zurücktreten. Der Papst selber hat in den letzten Wochen und Monaten immer wieder einen angeschlagenen Eindruck gemacht, andererseits hat er auch wieder Gottesdienste gehalten – wir erinnern uns an die Weihnachtsfeiertage, da hat er sämtlichen Gottesdiensten vorgestanden –, aber jetzt scheint er, von dem, was wir hören, aus gesundheitlichen Gründen der Ansicht zu sein, dieses Amt nicht weiter ausführen zu können. Und deshalb von der im Kirchenrecht möglichen Form Gebrauch zu machen, tatsächlich als Papst zurückzutreten.

    Kapern: Wie viel Kraft braucht man für dieses Amt?

    Gierth: Das ist sicherlich ein Amt, zu dem man unendliche Kraft braucht. Schauen Sie, Sie sind ständig im Licht der Öffentlichkeit, Sie sind bei Reisen ja sehr viel unterwegs, auch wenn Benedikt das etwas reduziert hat. Und wir dürfen nicht vergessen, Benedikt ist 85 Jahre alt, das ist ein Alter, in dem man normalerweise seit 20 Jahren in Pension ist. Und ein Papst ist natürlich, auch wenn er deutlich in seiner Tätigkeit ja gerade in den letzten Wochen und Monaten zurückgenommen ist – die Erholungsphasen bei Benedikt wurden immer größer, er ist häufiger in die Aosta-Berge gefahren, er hat sich häufiger erholt. Aber auch wenn man das anschaut, dann ist natürlich diese Belastung enorm. Und wenn er nun einsieht, dass diese Belastung für ihn zu groß ist, dann ist das natürlich ein Novum, aber ich finde, dann ist das ein sehr, sehr beachtlicher und respektabler Schritt, der natürlich auch noch mal einen besonderen Blick vielleicht auf das Papstamt als solches wirft, von dem man ja annahm, es ist eben ein Lebensamt. Und er hier deutlich macht, nein, es ist offensichtlich dann auch ein Amt auf Zeit.

    Kapern: Bleiben wir noch bei dem Punkt, Sie haben es ja eben gesagt: Das Kirchenrecht sieht die Möglichkeit vor, dass der Papst von seinem Amt zurücktritt. Gleichwohl ist uns allen nur ein weiterer Fall in der Kirchengeschichte bekannt. Warum wird von dieser Möglichkeit denn dann so selten Gebrauch gemacht, denn es sind ja doch ganz überwiegend ältere, alte Männer, die dieses Papstamt innehaben?

    Gierth: Das stimmt, wobei, wenn sie ins Amt gekommen sind, so wie Johannes Paul II., dann waren es natürlich teilweise relativ, sogar relativ junge Männer noch, sofern man das in der katholischen Kirche sagen kann. Aber natürlich steht hier eine doch andere Auffassung offensichtlich bei Benedikt dahinter, der eben deutlich macht, dies ist nicht unbedingt etwas, was nur auf Lebenszeit ist, sondern das hat immer auch mit den Fähigkeiten zu tun, die ich für ein solches Amt mitbringe. Und wenn ich zu der Einsicht komme, diese Fähigkeiten reichen nicht mehr aus, dann ist es eben an der Zeit, die Aufgabe auf neue Schultern zu geben.

    Kapern: Sein Vorgänger hat diesen Sachverhalt offenbar völlig anders interpretiert, denn er hat ja – ja, wie soll man das sagen? – so etwas wie ein öffentliches Sterben im Amt zelebriert. Er hat ja sozusagen bis zum letzten Atemzug mit ganz großer Publizität an diesem Amt festgehalten.

    Gierth: Das ist richtig. Daran erinnert man sich noch, dass Johannes Paul II. gerade ja auch erst in diesen letzten Jahren und Monaten seines Leidens eigentlich so populär geworden ist. Und das war schon eine gewisse Spiritualisierung des Leides geradezu, eine Botschaft natürlich auch an eine Gesellschaft, in der das Alter, alte Menschen keine so wesentliche Rolle mehr spielen, hier deutlich zu zeigen, die Würde und der Wert eines Menschen, der ist eben unabhängig vom Alter. Aber diesen Weg zu kopieren, das wäre vermutlich ein falscher Weg gewesen. Und Benedikt zeigt gerade mit diesem so überraschenden Schritt ja jetzt, dass er hier einen anderen Weg wählt, wobei wir sicherlich in den nächsten Minuten und auch Stunden vielleicht noch mehr zu seinen Beweggründen tatsächlich erfahren können.

    Kapern: Was wir bereits erfahren haben, Herr Gierth, das ist ein Datum: Er will vom 28. Februar an nicht mehr Papst sein. Das sind, wenn ich auf den Kalender schaue, noch gerade 17 Tage. Lässt sich in einer so kurzen Zeit ein Konklave organisieren und zu einem Ende führen. Oder wie wird der Vatikan nun organisiert?

    Gierth: Nun ja, das ist natürlich so, dass das Konklave sich so lange hinzieht, wie die wählenden Kardinäle dann auch tatsächlich brauchen, um eine neue Person zu wählen. Bei Joseph Ratzinger hat dieses Konklave letztlich sehr kurz gedauert. Es gibt längere Konklave, aber es wird dort jetzt einen geordneten Übergang geben. Das Kirchenrecht legt auch hier sehr klar fest, wie diese Reglementaria dann zu sein haben. Und das werden wir erleben. Es zeigt natürlich diese kurze Zeit, es ist dann ja mitten in der Fastenzeit, die jetzt mit dem Aschermittwoch beginnt. Das zeigt natürlich, dass offensichtlich die gesundheitlichen Probleme und Schwierigkeiten von Benedikt doch sehr massiv auch sind, dass er zu dieser Einsicht gekommen ist. Dass er es jetzt mitgeteilt hat, scheint am Konsistorium zu liegen, zu dem man eben zurzeit in Rom zusammen ist. Die Kardinäle sind beisammen. Und Benedikt legt jetzt die Verantwortung, die bisher auf seinen Schultern ruhte, nun stärker in das Kollegium der Kardinäle zurück. Auch das ist ja ein gewisses Zeichen, es wurde ja immer sehr stark kritisiert, dass er doch sehr stark dieses Papsttum ausspielt, dass die Kardinäle zu wenig an der Kirchenleitung beteiligt sind. Er macht mit diesem Schritt eigentlich deutlich, dass er hier jetzt die Gemeinschaft der Kardinäle, die dann ein neues katholisches Kirchenoberhaupt wählen werden, stärker in die Pflicht nimmt.

    Kapern: Nun meldet gerade die Deutsche Presseagentur unter Berufung auf den Bruder des Papstes, nämlich Georg Ratzinger, dass die angeschlagene Gesundheit in der Tat der Grund dafür ist, dass Papst Benedikt XVI. vor einer halben Stunde seinen Rücktritt zum Ende des Monats angekündigt hat. Das waren soweit Informationen von meinem Kollegen Matthias Gierth, wir werden uns im Laufe der Sendung noch ein wenig weiter unterhalten. Erst mal danke bis hierher!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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