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Überspringer oder Frühstudierende

Hochbegabte sind so vielfältig im Lernen wie andere Schülerinnen und Schüler auch. Wer sie aufbauen und vorwärts bringen will, braucht somit viele Mittel und Wege, damit die Schnelllerner, Überflieger und Jungforscher ihren Talenten entsprechend Futter und Förderung bekommen.

Von Katrin Sanders | 15.09.2012
    Sie brauchen mehr Tempo, mehr Futter fürs Gehirn und sie leiden, wenn sie von all dem zuwenig bekommen. Für hochbegabte Kinder ist die Regelschule oft eine Herausforderung - und umgekehrt gilt dasselbe. In Königswinter nimmt man diese Herausforderung an: Die besonders begabten Kinder werden an der cjd Christopherusschule in je einer Klasse pro Jahrgang gemeinsam unterrichtet: Dagmar Trachtenach, Koordinatorin des Konzepts für die Sekundarstufe 1, nennt die Vorteile:

    "Wir können zum Beispiel das Tempo einfach erhöhen: Weniger Übungsphasen, weniger Wiederholungsphasen und können einen höhere Selbstständigkeit erwarten bei solchen Kindern. Die denken gerne selbstständig. So dass wir bei uns in der Sekundarstufe 1 den Freiraum gewinnen. Wir knapsen hier und da ein Stündchen weg bei den üblichen Fächern und können dafür die Fächer Forschen und Projektunterricht anbieten. Und gerade für sehr begabte Kinder sind das Fächer, die ihren Fähigkeiten sehr entgegenkommen."

    Sie bauen selbstständig Versuche auf, beschreiben und präsentieren ihre Ergebnissen. Viele nehmen außerdem regelmäßig an Wettbewerben teil. Ab der siebten Klasse wird Mathematik in zwei unterschiedlichen Lernniveaus unterrichtet, so dass die Blitzrechner noch mehr Mathe bekommen. Dazu kommt der Projektunterricht:

    "Das ist das Pendant zum Fach Forschen, da arbeiten sie eher im Bereich Sprachen, Geisteswissenschaften, musischen Bereich. Dass wir da Oberthemen dann festlegen und die Kinder zu selbst gewählten kleineren Themen arbeiten. Selbstständig recherchieren in Büchern, im Internet und Präsentationen vorbereiten. Das kann PowerPoint sein, dass sie eine Mappe erstellen, oder eine kleine Szene, die sie dann vorstellen."

    Mal nicht die Ausnahme sein, sondern die Regel, für die meisten ist schon das allein Talentförderung:

    "Ein ganz wichtiger Aspekt, dass sie das Gefühl haben, zum ersten Mal sich wohl zu fühlen in der Umgebung, reinzukommen, unter gleichen Kindern zu sein, die so ähnlich ticken wie sie selber."

    "Akzeleration und "Enrichment", Beschleunigen und Vertiefen, diese Prinzipien gelten auch in der Sekundarstufe 2. Dazu kommt noch mehr Selbstständigkeit. Deshalb muss sich, wer bis zum Abitur bleiben will, noch einmal bewerben, sagt die Koordinatorin Claudia Saffa.

    "In der Sekundarstufe 2 wird noch freier und wissenschaftlicher gearbeitet. Wir wollen den Übergang zur Uni eben möglichst leicht durchführen. Wir bieten ganz viel Extras in dieser Vertiefungsphase in der Oberstufe, da wird ganz viel mit der Uni zusammengearbeitet und dadurch geht natürlich auch sehr viel Unterrichtszeit verloren. Die Schüler müssen selbstständig das nacharbeiten und wenn der Schüler da vorher schon Schwächen gezeigt hat – 'Schwächen!" sag ich mal - dann müssen wir gucken, ob der Schüler da nicht besser im Regelzweig aufgehoben ist."

    In der Regelschule, bleiben die Schnelllerner für gewöhnlich die Ausnahme: Sie werden früher eingeschult, überspringen, ein oder mehrere Male. Die Schullaufbahn wird so beschleunigt. Bundesweit erproben Schulen aber auch besondere Lernangebote für die Talentierten: Im so genannten Drehtürmodell werden ihnen Projekte außerhalb des normalen Unterrichts, oder der Mathematikstoff der nächst höheren Klasse angeboten. Auch dürfen sie parallellernen zum Beispiel Französisch und Latein.
    Schulen mit Förderschwerpunkten nutzen außerdem externe Angebote wie Schülerwettbewerbe oder Sommerakademien. Sie werden organisiert vom Verband Bildung und Begabung, einer Gründung des Stifterverbands der Deutsche Wissenschaft. Elke Völmicke ist die Geschäftsführerin.

    "Wir haben ein anderes Lernsetting von vorneherein, wir können kleinere Gruppen anbieten, wir können rausgehen. Wir können ganz andere Szenarien schaffen, wir können mit Lernformen spielen und experimentieren. Das hat einen anderen Rahmen und dann stellt man fest, das setzt dann einfach noch mal Lust und Laune und Motviation frei. Also da werden dann mal innerhalb von einer Woche Apps entwickelt oder tanzende Computer programmiert oder sensationelle Theaterstücke aufgeführt."

    Die Förderszene wächst. Doch die Hochbegabten sind Kinder oder Jugendliche. Das System muss auf sie zugehen, nicht umgekehrt Elke Völmicke setzt verstärkt auf Lotsen, Mentoren und Netzwerke, damit Talente früh gefördert und auf Dauer nicht übersehen werden:

    "Wenn ich die Unterstützung bekommen, die Anregung, Zuwendung, die Hilfe, dann kann sich das Kind besser entfalten. Deshalb: Wenn das schon nicht im unmittelbaren häuslichen Umfeld gewährleistet ist, dann ist es eben gut, ein Netzwerk zu haben, seien es eben andere Jugendliche oder Personen aus Fördereinrichtungen, die mir weiterhelfen, die einfach auch das Selbstbewusstsein weiter unterstützen: Dran bleiben, nicht aufgeben, zusammenhalten."