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Überwachung
Russland verschärft Internetkontrolle

Schon seit geraumer Zeit ist auch das Internet Ziel der Regulierungs- und Überwachungswut in Russland geworden. Nun soll angeblich eine Datenbank erstellt werden, in der aktive Internetnutzer geführt werden, die eine negative Haltung zur russischen Regierung haben.

Von Gesine Dornblüth | 22.01.2014
    Ein Finger zeigt auf zwei Computerbildschirme, auf denen der russische Präsident Wladimir Putin zu sehen ist.
    Was äußern russische Internetnutzer online über ihren Präsidenten? Das will die Regierung stärker überwachen. (dpa/picture alliance/Alexey Kudenko)
    Mitte November vor dem Konservatorium in Moskau. Das Königspaar der Niederlande steigt aus einer Limousine. Roter Teppich, Händeschütteln, Blitzlichtgewitter. Dann Aufruhr. Zwei junge Leute wollen Tomaten auf das königliche Paar werfen.
    Der Zwischenfall hätte vermieden werden können, wenn die Behörden das Internet besser im Blick gehabt hätten. Denn die jungen Leute hätten ihre Aktion dort angekündigt. Das sagte ein Informant der russischen Zeitung Izvestija. Ein Informant mit Beziehungen zum Sicherheitsdienst des Präsidenten, FSO. Das ist einer von zahlreichen Geheimdiensten in Russland, und er ist schon seit längerer Zeit für die Überwachung von Blogeinträgen zuständig. Der FSO wolle die Kontrolle nun verschärfen und dafür professionelle Informatiker engagieren, berichtet die Izvestija. Bereits im Dezember soll es eine Ausschreibung gegeben haben, das Volumen: umgerechnet rund 700.000 Euro. Mit der Überwachung nicht genug, die Spezialisten sollten ein Verzeichnis negativ eingestellter Bürger erstellen, die auf ihren Seiten oppositionelle Informationen verbreiten, so die Zeitung weiter. Die Pressestelle des FSO hat dies bisher weder bestätigt noch dementiert.
    Provider sollen Zugang zu Informationen sperren
    Es wäre nicht der erste Schritt zur Einschränkung des Internets. Es gilt in Russland noch immer als vergleichsweise frei. Doch bereits im Dezember peitschte die Duma in aller Eile ein Gesetz durch, das den Behörden erlaubt, Internetseiten ohne Gerichtsbeschluss zu schließen, wenn dort zu illegalen Handlungen aufgerufen wird. Unter illegale Handlungen fallen Aufrufe zu Massenunruhen oder zu Extremismus ebenso wie Verabredungen zu nicht genehmigten Demonstrationen. Zuständig sind der Generalstaatsanwalt und seine Stellvertreter. Sie sollen Provider auffordern, den Zugang zu nicht erlaubter Information zu sperren, und zwar binnen 24 Stunden.
    Den Entwurf zu diesem Gesetz brachten Abgeordnete Anfang Dezember ein, da waren die Proteste auf dem Maidan in der Ukraine gerade auf dem Höhepunkt.
    Sergej Mitrochin, Vorsitzender der nicht im Parlament vertretenen Partei Jabloko, sprach denn auch von einem Versuch Russlands, im Internet koordinierte Proteste wie in der Ukraine von vorn herein zu unterbinden.
    "Gesetze zur Regulierung des Internets sind völlig schwachsinnig"
    Der prominente Blogger Anton Nosik sieht es gelassen. Er sagte dem Radiosender Echo Moskwy:
    "In unserem Land herrscht, wie unser Premierminister völlig richtig beschrieben hat, Rechtsnihilismus. Die Gesetze zur Regulierung des Internets sind völlig schwachsinnig. Wenn man sie liest, kann man wirklich glauben, es gehe darum, die Daumenschrauben anzuziehen oder das Internet in Russland ganz zu verbieten. Aber wir leben in Russland nun mal nicht nach dem Gesetz. Und ich glaube deshalb, dass auch die Gesetze zur Kontrolle des Internets nicht unbedingt angewendet werden."
    Nosik verweist auf die Novelle des Jugendschutzgesetzes vor anderthalb Jahren. Damals hatte die Duma zum ersten Mal beschlossen, Internetseiten ohne Gerichtsbeschluss schließen zu lassen. Es betraf Seiten mit kinderpornografischen Inhalten und solche, die Drogenkonsum verherrlichen oder zum Selbstmord aufrufen. Nosik:
    "Alle Experten haben damals gewarnt, dass dieses Gesetz Tor und Tür öffnet für Missbrauch. Und tatsächlich wurden danach tausende Seiten aus Versehen blockiert, wegen technischer Fehler. Es entstand totales Chaos."
    Kommunikation der Olympiabesucher wird überwacht
    Das neue Gesetz tritt am 1. Februar in Kraft, wenige Tage vor Beginn der Olympischen Winterspiele.
    In und um den Austragungsort Sotschi gelten schon jetzt verschärfte Sicherheitsmaßnahmen, die auch das Internet betreffen. Mit einer sogenannten Deep Package Inspection wird die gesamte Kommunikation der Olympiabesucher überwacht, Telefongespräche, aber auch Emails und Aktivitäten in sozialen Netzwerken. Bei der Gelegenheit fangen die Geheimdienste auch Metadaten ab, zum Beispiel Kontaktverzeichnisse. Offiziell dient das der Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung. Was einmal erlaubt wurde, werde nicht wieder aufgegeben, fürchtet Irina Borogan, Journalistin bei dem auf Geheimdienste spezialisierten Internetportal agentura.ru.
    "Sotschi ist ein Versuchsfeld für alle möglichen Maßnahmen der elektronischen Überwachung geworden. Die Besucher und die Sportler werden dort komplett elektronisch ausspioniert."
    Ganz legal. Und dieses System wird weiter entwickelt werden.