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UEFA
"Die Topclubs haben sich zu viel genommen"

Skandinavische Fußballclubs sehen sich durch Reformen des Europapokals vom Wettbewerb ausgeschlossen. Eine Abspaltung von den UEFA-Wettbewerben steht im Raum. "Die Spitzenklubs haben den Geist des europäischen Fußballs hinter sich gelassen", sagte der dänische Ligapräsident Claus Thomsen im Deutschlandfunk.

Der dänische Ligachef Claus Thomsen im Gespräch mit Jessica Sturmberg | 16.10.2016
    Zweikampf im Spiel Videoton gegen Midtjylland.
    Europaleague-Qualifikation: Videoton FC aus Ungarn gegen den FC Midtjylland aus Dänemark (dpa/picture-alliance/EPA/Szilard Koszticsak)
    Jessica Sturmberg: Was haben Sie genau vor?
    Claus Thomsen: Was in Skandinavien passiert ist, dass der FC Kopenhagen und andere Vereine prüfen, ob sie einen eigenen Wettbewerb veranstalten, wenn sie im Endeffekt von den europäischen Wettbewerben ausgeschlossen sind.
    Und ob das passiert oder nicht, hängt von der UEFA ab. Wenn die weitermacht auch mit ihren Plänen, was sie über 2021 hinaus vor hat, dann muss die dänische Liga darüber nachdenken, ob sie weiter an den Wettbewerben der UEFA teilnehmen will oder ob sie die Zeit besser nutzt um an anderen Wettbewerben teilzunehmen in unserem Spielkalender und unsere gegenwärtige Überlegung geht dahin, dann lieber den Raum zu schaffen für einen Wettbewerb, der dem dänischen Fußball die höchsten Wertschöpfung ermöglicht.
    Jessica Sturmberg: Und was wäre das?
    Claus Thomsen: Das wären Wettbewerbe, bei denen dänische Teams die Chance haben teilzunehmen und Wettbewerbe, bei denen sportliche Erfolge in den nationalen Wettbewerben entscheidend sind für die Teilnahme.
    Jessica Sturmberg: Was ist mit der Europa League?
    Claus Thomsen: Wenn die Pläne, die die UEFA gerade hat, weitergehen, würde es eine Abwertung der Europa League bedeuten, die es weniger attraktiv macht daran teilzunehmen und die mögliche Alternativen aufwerten würden. Aber es ist momentan noch Zukunftsmusik. Es gibt immer noch die Möglichkeit, dass die UEFA die grundlegenden Werte des europäischen Fußballs bewahrt, die bedeuten, dass sportliche Erfolge in den nationalen Ligen maßgeblich sind für den Zugang zu den europäischen Wettbewerben.
    Jessica Sturmberg: Ist das bisher nur eine Art Drohszenario für den Fall, dass noch weitergehende Reformen realisiert werden?
    Claus Thomsen: Bisher sind es nur ein paar Vereine, die mit einer solchen Idee arbeiten. Wenn die Entwicklung, die wir bei der UEFA sehen, so weitergeht, dann müssen wir alle … solche Alternativen in Betracht ziehen wie wir den nationalen Vereinsfußball aufrechterhalten. Wenn sich bei der UEFA nichts ändert, müssen wir anfangen zu prüfen, was unsere Optionen sind.
    Jessica Sturmberg: Geht es Ihnen neben der Kritik an der schon vollzogenen Reform, die ab 2018 gilt, vor allem auch um das, was noch weiter kommen könnte – die Vision einer europäischen Meisterschaft der Spitzenclubs?
    Claus Thomsen: Wir wissen nicht, ob das das Szenario wäre, aber es ist ein wahrscheinliches Szenario, was auch hervorgehoben wurde, als der Vorstoß vom FC Kopenhagen und anderen europäischen Vereinen bekannt gemacht wurde.
    Das wäre eine logische Konsequenz, weil was wir so absehen können, ist, dass wir kaum Zugang zu den europäischen Vereinswettbewerben haben und dass es dem dänischen Fußball wenig Wert verspricht. Wir müssen für dieses Szenario gewappnet sein. Ob es tatsächlich so kommt, weiß man nicht.
    Die Reform, die jetzt durchgeführt wird, ist nicht ordnungsgemäß abgelaufen – zum einen, es gab keine Absprache mit irgendjemandem außer wahrscheinlich den besten 10 Klubs in Europa oder so und die Entwicklung geht in nicht die richtige Richtung. Das gilt sowohl für die vier festen Plätze für die vier besten Verbände als auch für Verteilung der Einnahmen. Das läuft darauf hinaus, dass alle – bis auf die besten 20 Vereinen – aussortiert werden von allen Entscheidungen in der Zukunft in Bezug auf europäische Wettbewerbe. Das ist inakzeptabel. Und wenn diese Entscheidungen nicht nochmal überdacht werden und alle an der Diskussion beteiligt werden, werden die Ligen wahrscheinlich die Vereinbarungen mit der UEFA aufheben. Sie könnten dann in Europapokalwochen dienstags, mittwochs und donnerstags spielen – das wäre nur der erste Schritt um den Wert der eigenen Liga zu schützen.
    Jessica Sturmberg: Der Vorsitzende der Europäischen Klubvereinigung, Karlheinz Rummenigge, sagte nach dem Beschluss, die Reform sei ein Gewinn für alle. Sie stimmen dem offensichtlich nicht zu?
    Claus Thomsen: Nein. Das ist ein Gewinn maximal für die besten 20 Klubs in Europa.
    Jessica Sturmberg: Wollen die zu viel?
    Claus Thomsen: Sie wollen zu viel und sie haben sich zu viel genommen. Vor allem haben sie die Grundwerte und den Geist des europäischen Fußballs hinter sich gelassen. Die Grundwerte des europäischen Fußballs sind, dass die sportlichen Erfolge darüber entscheiden, wer teilnimmt und dass alle eine Chance haben zu gewinnen. Und sie lassen das hinter sich und verfestigen, dass das Geld an einige wenige Klubs geht - unabhängig davon, wie sie sportlich abschneiden. Und deshalb ist die Entwicklung für den europäischen Fußball an sich gefährlich.
    Jessica Sturmberg: Können Sie kurz beschreiben, was die Reform für den dänischen Verband bedeutet?
    Claus Thomsen: Für die dänische Liga bedeutet das: Selbst wenn wir uns sportlich und finanziell verbessern, werden wir auf europäischer Ebene keinen Erfolg haben können. Das heißt auch, dass die Attraktivität der dänischen Liga sich verringert, weil es weniger europäische Spiele gibt. Das führt zu einer Wettbewerbsverzerrung innerhalb der Liga, vielleicht schafft es ein Klub ganz oben mitzuhalten, der dann alle Einnahmen auf sich zieht. Und alle anderen können kaum mithalten, weil die Einnahmen aus der Europa League sehr gering sind. Und das geht dann in Richtung Schweizer Verhältnisse, wo nur der FC Basel und kein anderer Verein eine Chance hat, die nationale Meisterschaft zu gewinnen. Das ist also eine sehr unglückliche Entwicklung. Wir müssen die Werte der Fußballs schützen. Die UEFA muss sich wieder mehr um Fußball kümmern und nicht um die finanzielle Situation der besten 20 Klubs.