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Ukraine
Bodenreform gerät in Gefahr

Einst galt die Ukraine als Kornkammer der Zaren. Heutzutage sind die Erträge der Landwirtschaft aber gering. Eine Landreform soll das ändern, doch der Widerstand ist heftig.

Florian Kellermann | 11.02.2020
Reifende Ähren in einem Weizenfeld
Gute Böden und trotzdem zu geringe Erträge: Es gibt gute Gründe für eine Bodenreform (imago / Harald Lange)
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fuhr am Tag der Abstimmung extra ins Parlament. Er wollte wenigstens die Abgeordneten seiner Fraktion "Diener des Volkes" auf Linie bringen. Die Bodenreform ist eines der Vorzeigeprojekte des 42-Jährigen. Schon Ende des vergangenen Jahres hielt er deshalb eine Ansprache an die Nation. Er zählte die Länder auf, in denen es keinen Handel mit Ackerland gibt - wie in der Ukraine:
"So ist es in Nordkorea, Tadschikistan, Venezuela, und Kuba. Im Rest der Länder gibt es einen Markt für landwirtschaftliche Flächen. Dort können die Landwirte Kredite auf ihr Land aufnehmen, sie können ihren Betrieb erweitern und investieren."
Gute Argumente für eine Bodenreform und dafür, den Kauf und Verkauf von landwirtschaftlichen Flächen zuzulassen.
Winzige Parzellen, niedrige Erträge
Denn der Status quo bringt viele Probleme mit sich. Nach dem Zerfall der Sowjetunion bekamen alle ehemaligen Mitglieder der Kolchosen, also die Arbeiter und ihre Familien, winzige Parzellen. Insgesamt sind es rund sieben Millionen. Landwirte, die einen größeren Betrieb aufbauen wollen, müssen diese Parzellen umständlich pachten. Meist geht das nur, indem sie die örtlichen Beamten schmieren. Die Agrarbetriebe wissen nicht, wie lange sie die Böden bearbeiten können. Deshalb versuchen sie, ohne Investitionen so viel wie möglich aus ihnen herauszuholen.
Trotzdem protestiert die Opposition im Parlament gegen die Bodenreform. Allen voran Julia Tymoschenko von der "Vaterlandspartei". Sie sagte gegenüber ukrainischen Journalisten:
"Das Gesetz, das uns angeboten wird, wurde von großen, globalen Finanzkonzernen geschrieben. Sie wollen unseren Boden in eine Spekulationsmasse verwandeln. Das sind doch Marionetten, die uns heute in der Ukraine regieren und dieses Gesetz beschließen wollen."
Damit wies Tymoschenko darauf hin, dass der Internationale Währungsfonds auf das Gesetz pocht. Von dessen Unterstützung ist die Ukraine finanziell abhängig.
Während der zweiten Lesung des Gesetzes im Parlament okkupierte Julia Tymoschenko, gemeinsam mit anderen Abgeordneten, die Rednerbühne. Es kam zu Rangeleien. Außerdem brachte die Opposition über 4.000 Änderungsanträge ein, um das Gesetz auf Monate hin zu verschleppen.
Selenskyjs Partei "Diener des Volkes" hat die absolute Mehrheit im Parlament. Sie könnte einen Weg finden, um die Sabotage-Taktik der Opposition zu durchkreuzen. Aber die Fraktion ist gespalten. Ein Teil von Selenskyjs Abgeordneten will inzwischen auf die Reform verzichten, weil es dem Präsidenten einfach nicht gelungen ist, die Bevölkerung zu überzeugen. Eine deutliche Mehrheit ist gegen das Projekt, wie Umfragen zeigen.
Drohende Niederlage für ukrainischen Präsidenten
Aber zurück könne der Präsident nicht mehr, erklärte der Politologe Wolodymyr Selenskyj dem Fernsehsender "Nasch":
"Das ist für ihn zu einer prinzipiellen Frage geworden. Wenn das Gesetz scheitert, wäre das für in eine schwere Niederlage. Deshalb denke ich, dass seine Fraktion das Gesetz beschließen wird, allerdings so, dass es möglichst wenig Angriffsfläche bietet."
Ein Zugeständnis hat Selenskyj schon gemacht: Ausländische Bürger und Firmen in ausländischem Besitz sollen zunächst kein Land kaufen können. Die Ukrainer sollen erst in einer Volksabstimmung darüber entscheiden, ob das möglich sein wird. Weitere Zugeständnisse sind denkbar. Etwa, dass kleine Bauernhöfe beim Kauf von Land gegenüber größeren Betrieben begünstigt werden.