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Ukraine
Hilfsgüter aus Deutschland

Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat einen Konvoi von 112 Lastwagen voll mit Hilfsgütern aus Deutschland in die Ukraine begleitet. Es soll ein Signal sein. Deutschland übernimmt nicht nur militärisch Verantwortung, sondern auch mit humanitärer Hilfe. Doch in der Ostukraine sind vor allem russische Hilfsgüter präsent.

Von Frank Capellan | 15.10.2014
    Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) im Deutschen Bundestag
    Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) begleitete einen Hilfskonvoi in die Ukraine. (dpa / Rainer Jensen)
    Gerd Müller sucht. Er will den Mann sprechen, der diesen Sattelzug mit deutschen Hilfsgütern in den Osten der Ukraine bringt. Deutschland hilft. Der CSU-Minister ist begeistert. In seiner Regie wurde der Konvoi mit 112 Lastwagen hierher gebracht.
    Dem LKW-Fahrer ist der Rummel zuviel. Müller zieht weiter, wirft einen Blick auf die Ladefläche.
    "Das ist ein LKW mit unterschiedlichen Gütern, unter anderem vom Deutschen Roten Kreuz, einem unserer Partner."
    Ein Radlader, Notstromaggregate, einige Heizungslüfter. Gleich geht alles auf die Reise ins ostukrainische Charkiw, nur 50 km von der russischen Grenze entfernt.
    Eigentlich möchte sich der Entwicklungsminister kurz auf den Bock setzen, hoch oben am Steuer eines Vierzigtonners, das wären gute Bilder, doch die Zeit drängt, rein in die riesige Halle eines Gewerbegebietes von Kiew. Hier sind 750 Tonnen Hilfsgüter angekommen, von hier werden sie dorthin verschickt, wo die meisten Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet gestrandet sind.
    "Wir haben Kühlschränke, Waschmaschinen, hier ein ganzes Paket mit Schuhen. Das sind Möbelteile, Schlafsofas, da sind auch ganz dünne Matratzen dabei. Also querbeet."
    Holger Neuweger von der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit ist froh, dass alles klappt. Deutschland übernimmt nicht nur mit Waffen und Soldaten Verantwortung, sondern auch mit humanitärer Hilfe. Das ist das Signal.
    "Wir gehören zu Europa"
    Müller: "Ich freue mich sehr, Sie kennenzulernen. Schön, dass Sie uns empfangen."
    Klitschko: "Immer herzlich willkomen in Kiew."
    Dann Empfang beim Bürgermeister. Minister trifft Boxer.
    "Gerd Müller, das war mal ein großer deutscher Fußballer, der Bomber der Nation. Der Fußballweltmeister schenkt dem Boxweltmeister einen Fußball, und damit Sie unserer Heimat treu bleiben, einen Deutschlandschal."
    Ein Ball als Gastgeschenk, Vitali Klitschko überreicht ein Buch über seine Stadt, sein Land. Schöne Bilder aus friedlichen Tagen. Austausch von Nettigkeiten. Der Minister aus Bayern ist über 1,90 Meter groß, neben Klitschko wirkt er fast schon ein wenig klein. Draußen vor dem Rathaus auf dem Weg zum Maidan gibt er dem Minister noch mit auf den Weg: Wir gehören zu Euch.
    "Ich bin fest überzeugt: Wir gehören zu Europa. Die Ukraine befindet sich im geografischen Europa und unsere Geschichte ist eine europäische Geschichte, unsere Mentalität ist eine europäische Mentalität."
    Sympathien mit Moskau
    In Charkiw, knapp 600 Kilometer von der Hauptstadt entfernt, denkt längst nicht jeder so. Hier im Osten sind die Sympathien mit Moskau nicht zu überhören.
    Russland hat mehr geholfen, meint eine Rentnerin, die auf die deutschen Hilfsgüter angesprochen wird. Vom deutschen Hilfskonvoi hat sie noch nichts gehört. Der russische ist ihr nur in bester Erinnerung.
    Wieder ein Lager für Hilfsmaterial, LKW werden entladen. 1,5 Millionen Menschen leben in Charkiw, weit mehr als 100.000 Flüchtlinge müssen hier versorgt werden. Insgesamt ist eine halbe Million Menschen vor den Kämpfen geflohen.
    Müller: "Wir sehen ja schreckliche Bilder im Fernsehen zu Hause bei Ihnen, und deshalb sind wir auch da um einigen ein Stück weit zu helfen."
    Begegnung mit Valery Kalinin. Mit Frau Irina und seinen drei Kindern ist er aus Donezk hierher gekommen. Minister Müller zeigt ihnen den Container, der bald ihr Zuhause sein wird. Wie lange er wohl hier bleiben muss? Valery zuckt mit den Schultern.
    Sie hoffen alle, schnell wieder in den Donbas zurückkehren zu können, meint Andrej Waskowyc, in Deutschland geborener Präsident von Caritas Ukraine. Und doch wissen wir alle, dass viele vielleicht nie zurückkönnen. Die Hilfsbereitschaft der Ukrainer, sagt er, ist enorm.
    "Die ukrainische Gesellschaft ist in dieser Krise, in diesem Krieg enorm solidarisch. Sie sind bereit, fremde Menschen aufzunehmen, wenn diese Hilfe brauchen und sie zu unterstützen."
    Später trifft der Minister in einem Caritas-Wohnheim Raissa aus Lugansk. Ihr Haus wurde zerstört. Jetzt muss sie sich hier mit 13 anderen einen Schlafraum teilen, Müller setzt sich zu ihr aufs Bett und nimmt die 76-Jährige in den Arm.
    "Und sie hat Humor und kann noch lachen."