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Ukraine
Kommunisten ohne Fraktion im Parlament

Die Kommunistische Partei der Ukraine hat ihren Fraktionsstatus im Parlament verloren. Ihr wird vorgeworfen, die prorussischen Milizen in der Ostukraine unterstützt zu haben. Ein Parteiverbot ist nicht ausgeschlossen. Die Partei selbst sieht sich als Sündenbock.

Von Sabine Adler | 24.07.2014
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    Am Dienstag hat die Oberste Rada in Kiew die Mindestgröße für eine Fraktion erhöht. (dpa / picture alliance / Sergey Dolzhenko)
    Er möchte eine Gräte im Hals der neuen ukrainischen Regierung sein, die für ihn wechselweise ein neofaschistisches oder nationalfaschistisches System ist. Mit derartigen Sprüchen keilt der Chef der Kommunistischen Partei seit Langem gegen die Sieger der Maidan-Bewegung. Am Dienstag hatte das Parlament die Mindestgröße für eine Fraktion erhöht, was für die Kommunisten nun zum Verlust des Fraktionsstatus führt. Petro Simonenko, Chef der Fraktion und Partei schlug um sich. In seinem Hass auf den politischen Gegner verstieg er sich zu ungeheuren Anschuldigungen.
    "Die ukrainischen Medien verbreiten Informationen, dass Leute in diesem Krieg Geld damit verdienen, dass aus denen, die verletzt aber noch nicht getötet worden sind, Organe herausgeschnitten werden, mit denen dann Handel betrieben wird."
    Über diesen Auftritt Simenenkos im russischen Internet-Kanal LifeNews hat der Abgeordnete der Partei "Swoboda" Alexej Kaida die Deputiertenkollegen informiert und gestern verlangt, den Kommunisten Simonenko aus dem Sitzungssaal zu werfen.
    "Historische Aufgabe"
    Parlamentspräsident Turtschinow ließ nicht über den Rauswurf abstimmen, weil der Werchowna Rada dafür die Regeln fehlen. Die Folge war eine Schlägerei, Fäuste flogen.
    "Ich unterbreche für 15 Minuten, ich bitte die Abgeordneten, sich zu beruhigen und hinzusetzen."
    Alexander Turtschinow, der Parlamentspräsident, erklärte gestern, er würde die historische Aufgabe übernehmen, die Arbeit der kommunistischen Fraktion zu beenden, es blieben nur noch Stunden, diese Fraktion zu ertragen.
    Ein Verbot der Kommunistischen Partei ist seit Monaten im Gespräch, seitdem die Separatisten zu Beginn des Jahres mit Massendemonstrationen Städte im Osten der Ukraine aufwiegeln wollten und Ende März, Anfang April eine nach der anderen im Donezker und Lugansker Gebiet besetzten. Die Kommunisten hätten den prorussischen Milizen nicht nur nahe gestanden, sondern sie unterstützt, sich an deren Aktionen beteiligt, lauten die Vorwürfe. Turtschinow, damals noch amtierender Präsident, bat Justizminister Pawel Petrenko, auf der Grundlage von Geheimdiensterkenntnissen ein Verbot vorzubereiten. Das war Ende Mai. Anfang des Monats, nach den schweren Ausschreitungen in Odessa und dem Brand im Gewerkschaftshaus sollte Simonenko zunächst aus der Parlamentssitzung ausgeschlossen werden, zu Unrecht wie er fand und findet:
    "Was hat man mir als separatistische Erklärung ausgelegt? Ich hatte gesagt: Odessa ist eine Schande des derzeitigen national-faschistischen Regimes geworden, das die Zivilbevölkerung tötet und verbrennt."
    Parteichef gibt sich als verfolgte Unschuld
    Experten halten die Chancen, die Kommunistische Partei wegen verfassungsfeindlicher Aktivitäten zu verbieten, für aussichtsreich. Ihre Sympathisanten hat die Partei vor allem in der älteren russischsprachigen Bevölkerung, die die Separatisten in deren Hochburgen Slawiansk, Kramatorks, Donezk und Lugansk sehr viel stärker unterstützen als in anderen ostukrainischen Städten wie Charkow, Dneprpetrowsk oder Odessa. Mitglieder der Kommunistischen Partei hätten antiukrainisch, verfassungsfeindlich und separatistisch agiert, verbal und materiell sowie technisch, sagt der Geheimdienst. Sie hätten bei der Vorbereitung und Durchführung des Referendums am 11. Mai im Donbass mitgewirkt und den russischen Präsidenten Putin gebeten, die sogenannten Volksrepubliken in die Russischen Föderation aufzunehmen beziehungsweise russische Truppen zu schicken.
    Der Chef der Partei gibt sich als verfolgte Unschuld, sieht politische Gründe hinter dem angestrebten Parteienverbot. Petro Simonenko:
    "Damit sollen mehrere Probleme gelöst werden. Die Frage des Krieges ist nicht gelöst, es geht um die Verantwortung derer, die ihn begonnen haben. Es geht um soziale Fragen, die in den nächsten Tagen und Wochen zuspitzen werden. Die Verantwortung soll auf die Kommunistische Partei abgewälzt werden, die als einzige im Land sagt, was hier vor sich geht."
    Experten sehen vielfache Verletzungen Verfassung durch die Kommunisten. Artikel 2,37, 73, 84, 132, 133 und 134 der ukrainischen Verfassung sowie eine Reihe von Gesetzen wie dem über die Parteien.
    Die Kommunisten kontern, sie würden zu Sündenböcken abgestempelt und weisen jede Mitverantwortung für die Destabilisierung der Lage in der Ostukraine zurück.