Dienstag, 16. April 2024

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Ukraine-Konflikt
"Ein langwieriger Prozess"

Das Berliner Treffen der vier Außenminister zum Ukraine-Konflikt hat zwar kein greifbares Ergebnis gebracht: Es hat nach Ansicht des SPD-Außenpolitikers Josip Juratovic aber eine wichtige Botschaft an die Ukrainer gesendet. Juratovic sagte im Deutschlandfunk, letztlich müsse dieser Dialog zwischen den Präsidenten geführt werden.

Josip Juratovic im Gespräch mit Marina Schweizer | 19.08.2014
    Josip Juratovic am Samstag (16.07.2005) auf dem baden-württembergischen Landesparteitag der SPD in Albstadt- Tailfingen (Zollern-Alb-Kreis).
    Josip Juratovic (SPD) mahnt in der Ukraine-Krise zum Dialog. (dpa / Patrick Seeger)
    Die Außenminister hätten signalisiert, "dass die Bevölkerung vor allem das Gefühl hat, dass allen Seiten daran gelegen ist, eine vernünftige Lösung zu finden," sagte Juratovic im DLF, "um nachher ein Zusammenleben wieder zu ermöglichen, das wird nämlich das wichtigste sein".
    Das Treffen habe den Russen und den Ukrainern ein Bündel an Konfliktthemen ins Gepäck gelegt, die nun jede Seite zunächst gesondert beraten müsse, sagte das Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages. Diese Diskussion müsse schließlich zwischen den Präsidenten der Ukraine und Russlands, Petro Poroschenko und Wladimir Putin, geführt werden. Die Außenminister würden mit ihren noch folgenden Treffen zunächst "den Boden dafür bereiten" und konkrete Vorschläge erarbeiten. Der Weg dorthin sei anstrengend. Juratovic sagte, er rechne mit einem "langwierigen Prozess". "Wir haben kaum eine andere Möglichkeit, die Diplomatie darf nicht versagen."
    Der Konflikt müsse letztlich in der Ukraine selbst gelöst werden, sagte Juratovic. Dort müsse ein Gesellschaft aufgebaut werden, die auf demokratischen Werten beruhe und Bürgerrechte garantiere. Die Ukraine müsse selbst ihren Frieden finden.

    Das Interview zum Nachlesen:
    Peter Kapern: Und über die Perspektiven zur Lösung des Ukraine-Konflikts nach den Außenministerberatungen von Berlin hat gestern Abend meine Kollegin Marina Schweizer mit Josip Juratovic gesprochen. Er ist SPD-Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, der gestern über den Ukraine-Konflikt beraten hat.
    Marina Schweizer: Herr Juratovic, der Auswärtige Ausschuss ist unter anderem zusammengekommen, um über die Ukraine zu sprechen. Ist die Hoffnung dort auf eine schnelle Lösung nach diesen Verhandlungen auf ein Minimum geschrumpft?
    Josip Juratovic: Gut, ich würde nicht sagen, auf ein Minimum geschrumpft, sondern es ist natürlich, je länger es dauert, desto schwieriger wird es, schnelle Lösungen zu finden. Wichtig ist aber, dass der Dialog stattfindet und dass man, wenn auch nicht immer mit klaren Ergebnissen rauskommt aus dem Dialog, aber doch dann in dem Fall beide Seiten, dass sie Themen haben, mit denen sie dann versuchen, Lösungen zu finden, die sicherlich nicht ganz einfach sind. Denn durch diesen Konflikt ist auch Vertrauen verschwunden von beiden Seiten und schwindet immer mehr. Und das macht die ganze Situation zunehmend schwierig. Wenn ich sage, Vertrauen, dann meine ich auch die Akteure vor Ort, die Bevölkerung, die kämpfenden Gruppen. Ich bin ja jemand, der vom Ex-Balkan abstammt und da Erfahrung hat und da Erfahrung hat. Und deshalb ist es auch sehr wichtig, dass man ernsthaft Dialog führt, dass die Bevölkerung vor allen Dingen vor Ort das Gefühl hat, dass allen Seiten daran gelegen ist, eine vernünftige Lösung zu finden, um nachher ein Zusammenleben wieder zu ermöglichen. Das wird nämlich das Wichtigste sein.
    Schweizer: Herr Juratovic, Ihr Parteikollege Bundesaußenminister Steinmeier hat nach dem Treffen heute gesagt, wenn wir jetzt mal von Perspektiven sprechen, ein neuer politischer Impuls sei nötig. Was könnte das denn sein?
    Juratovic: Es ist zunächst einmal wichtig, dass man aufeinander zugeht in der Form, dass man zum Beispiel die OSZE stärkt, dass man die Kontrolle über die Grenzen bekommt. Die muss natürlich die OSZE sichern oder das wäre das Vernünftigste. Natürlich aber auch aus diesem Außenministergespräch hofft man, dass dann auch die Akteure, das heißt die Präsidenten aufeinander zugehen und eine politische Lösung finden. Die dringend notwendig ist nicht nur regional, sondern auch darüber hinaus. Man muss auch eins wissen, dass zum Beispiel die Vereinten Nationen gestärkt werden müssen nämlich, wenn es um Lösungen geht auch in anderen globalen Konflikten. Was man ohne Russland zum Beispiel nicht schafft.
    Schweizer: Sie sprechen die weiteren Gespräche auf höchster politischer Ebene an.
    Juratovic: Ja.
    Schweizer: Sollten die also so stattfinden – das wurde ja heute auch vom weißrussischen Botschafter in der Ukraine vorgeschlagen –, also, Sie sagen, man soll sich wirklich auf präsidialer Ebene treffen?
    Juratovic: Ja, das ist wichtig, dass man auch auf präsidialer Ebene nach Lösungen sucht. Aber das wird nicht gehen, wenn man nicht vorher den Boden dazu vorbereitet. Und ich denke, gerade das Außenministertreffen, das jetzt nicht das letzte Treffen ist, sondern einige andere folgen werden mit konkreten Vorschlägen, wo man dann auf der präsidialen Ebene Lösungen finden wird.
    Schweizer: Jetzt hat sich ja in den vergangenen Monaten sehr viel getan, nicht nur, was den Konflikt selbst betrifft, sondern auch, was die Haltung des Westens angeht. Die EU und die USA haben Stufe drei der Sanktionen, also Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt. Mit welchem, sagen wir mal, verbalen Instrumentarium sollte denn Deutschland weiter in solche Gespräche gehen, auch, was jetzt die Haltung gegenüber diesen beiden Parteien betrifft?
    Über Josip Juratovic
    Geboren 1959 in Koprivnica, Kroatien. Der SPD-Politiker lebt seit 1974 in Deutschland und absolvierte bis 1979 eine Lehre zum Automechaniker. Zuletzt arbeite er bis 2005 bei der Audi AG als freigestellter Betriebsrat Juratovic ist seit 1982 Mitglied der SPD und seit 1993 IG Metall. Seit 2005 ist er für die SPD im Deutschen Bundestag und dort Mitglied im Auswärtigen Ausschuss.
    Juratovic: Ich denke in erster Linie, was ein Embargo betrifft, das ist ein Mittel, um einfach Russland als Verhandlungspartner unter Druck zu setzen und vor allen Dingen auch tatsächlich klarzustellen, dass man es ernst meint. Natürlich muss man dann aber nach dem Dialog suchen mit Russland. Und vor allen Dingen ist, wie ich schon erwähnt habe, sehr wichtig, dass man schnellstmöglich Lösungen findet in diesem Konflikt.
    Schweizer: Und wie soll das funktionieren?
    Juratovic: Das soll in erster Linie so funktionieren, dass in der Ukraine selbst eine Gesellschaft aufgebaut wird, die auf den demokratischen Werten beruht und Bürgerrechte gesichert werden, dass sich alle Bürger in der Ukraine sicher fühlen, egal, welcher Gruppierung sie jetzt angehören. Ich meine jetzt, national oder religiös oder wie auch immer. Das muss immer als Grundlage des Dialogs sein und praktisch Russland dazu einladen, dass es sich daran beteiligt. Es muss vordergründig, damit Ukraine ... Nämlich dass die Ukraine ihren Frieden findet und ihre Perspektive bekommt. Und praktisch dazu sind aufgefordert sowohl wir aus der Europäischen Union beziehungsweise unser Bündnispartner USA auf der einen Seite, auf der anderen Seite Russland. Und das können wir nur gemeinsam schaffen.
    Schweizer: Herr Juratovic, noch ganz kurz zum Schluss: Es gab ja sehr unterschiedliche Resümees dieses Treffens, von zuversichtlich bis pessimistisch. Wie interpretieren Sie denn diese Unterschiede bei den Außenministern?
    Juratovic: Ich finde, dass Frank-Walter Steinmeier heute das richtig beurteilt hat. Er hat nicht gejubelt und er ist aber auch nicht auf der anderen Seite entrüstet gewesen. Das heißt, er ist sich bewusst, dass das ein langwieriger Prozess sein wird, dass es viele Dialoge geben muss. Und das ist der einzige richtige Weg. Wir haben im Grunde genommen kaum andere Möglichkeiten. Die Diplomatie darf nicht versagen. Jedes Versagen der Diplomatie heißt am Ende eine Katastrophe, die wir nicht haben wollen. Und deshalb ist das der richtige Weg. Es gibt überhaupt nichts zu jubeln, aber es gibt auch nicht den Grund, jetzt den Kopf in den Sand zu stecken. Wir müssen einfach die Ärmel hochkrempeln und arbeiten, damit die Region wieder ihren Frieden bekommt.
    Kapern: Der SPD-Bundestagsabgeordnete Josip Juratovic im Gespräch mit meiner Kollegin Marina Schweizer.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur/Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.