Dienstag, 19. März 2024

Ukraine-Konflikt
Erstes Treffen von Putin und Selenskyj

Zum ersten Mal seit über drei Jahren gibt es wieder ein Treffen zwischen Russland und der Ukraine, um über den Konflikt in der Ostukraine zu verhandeln. Die Interessenlage ist komplex - und die Erwartungen wurden bereits im Vorfeld des Gipfels in Paris von den Konfliktparteien gedämpft.

09.12.2019
     Wladimir Putin (l), Staatspräsident von Russland, und Wolodymyr Selenskyj, Staatspräsident der Ukraine
    In Paris treffen der russische Präsident Wladimir Putin und sein ukrainischer Amtskollege Wolodymyr Selenskyj das erste Mal persönlich aufeinander, um über den Friedensprozess in der Ostukraine zu verhandeln. (dpa / ap / Lahodynskyj/Lovetsky /The Canadian )
    Der Friedensprozess in der Ukraine soll wiederbelebt werden: In Paris kommen dafür die Regierungschefs der Konfliktparteien, der russische Präsident Wladimir Putin und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, zusammen. Es wird das erste Mal sein, dass Putin und Selenskyj persönlich aufeinander treffen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel treten in Paris als Vermittler auf. Der Gipfel steht unter besonderer Beobachtung, auch weil es seit mehr als drei Jahren keine Gespräche im "Normandie-Format" gegeben hatte.
    Die Interessen der Akteure im Überblick
    Russland
    Moskau will die Erwartungen an das Gipfeltreffen herunterschrauben, berichtet Deutschlandfunk-Korrespondent Thielko Grieß aus Moskau. Gleichzeit erwarte in Russland niemand konkrete Vorschläge von Präsident Wladimir Putin. Der russische Staatschef sei in der komfortablen Situation, dass ihn innenpolitisch nichts und niemand dränge, baldige Verhandlungserfolge zu erzielen, so Grieß. Russland sei der Ukraine wirtschaftlich überlegen und könne sich die Unterstützung der separatistischen Gebiete noch lange leisten.
    Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) bei einer Pressekonferenz zur Ukraine-Politik
    Ukraine: "Mit Selenskyj ist neue Dynamik in den Prozess gekommen"
    Der ukrainische Präsident Selenskyj habe bei der Entmilitarisierung "eindeutig vorgelegt", sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) im Dlf vor dem Normandie-Treffen in Paris. Nun müsse auch Russland seinen Beitrag leisten.
    Denkbar sei dagegen, dass Putin sich auf den Austausch weiterer Gefangener sowie einen breiteren Waffenstillstand einlasse, auch um sich den Teilnehmern des Normandie-Treffens als friedenswillig zu präsentieren. Putin könnte das Zusammentreffen zudem nutzen, um über einen neuen Vertrag zum Transit von Erdgas durch die Ukraine in Richtung Europa zu verhandeln. Die Ukraine sei an langfristigen Verträgen interessiert – ganz im Gegensatz zu dem russischen Konzern Gazprom, der die baldige Fertigstellung der Pipeline Nord Stream 2 durch die Ostsee erwarte.
    Ukraine
    Ähnlich wie Moskau hat auch Kiew die Erwartungen an das Treffen in Paris gedämpft. Dass ein solcher Gipfel überhaupt stattfinde, sei schon ein Erfolg, ließ der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj im Vorfeld verlauten. Konkret möchte Selenskyj, der ein halbes Jahr im Amt ist, über den Austausch weiterer Gefangener beraten und weitere Schritte für die Einhaltung des Waffenstillstands verhandeln, berichtet Deutschlandfunk-Korrespondent Florian Kellermann aus Kiew.
    Innenpolitisch genießt Selenskyj für seinen Verhandlungskurs mit Moskau breite Unterstützung in der Bevölkerung, etwa 70 Prozent stimmen seiner Russland-Strategie zu. Kiew sei allerdings beunruhigt über den Kurs von Emmanuel Macron, so Kellermann. Es sei ab und zu durchgeklungen, dass Frankreich eine engere Partnerschaft mit Russland anstrebe – ohne Rücksicht auf die Ukraine zu nehmen.
    Frankreich
    Es dürfte dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron sehr gelegen kommen, dieses erste Aufeinandertreffen von Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj als Gastgeber zu prägen, erklärt Deutschlandfunk-Korrespondent Jürgen König aus Paris. Dieser arbeite schon seit Wochen auf ein solches Treffen hin: Macron wolle Frankreich nicht nur wieder zu einer bedeutenden diplomatischen Vermittlungsinstanz machen, sondern auch für ein neues Verhältnis der Europäer zu Russland werben. Er stehe zwar zu den EU-Sanktionen gegenüber Moskau, aber dennoch müsse die EU Wege suchen, Russland wieder als europäischen Nachbarn zu behandeln und sich von dem "Feindbild Russland" lösen, so Macron.
    Macrons prorussische Initiative wurde mit keinem der Bündnispartner abgestimmt und stieß in der EU überwiegend auf Verwunderung, berichtet Frankreich-Korrespondent König. Der Alleingang Macrons sei in der Forderung gegipfelt, die NATO müsse den russischen Vorschlag über ein Moratorium für landgestützte Mittelstreckenraketen prüfen lassen, obwohl die NATO diesen Vorschlag bereits abgelehnt hatte.