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Ukraine-Konflikt
Lukaschenko sitzt zwischen den Stühlen

Weißrussland dient bei den Gesprächen der Ukraine-Kontaktgruppe als neutraler Boden. Aber Präsident Alexander Lukaschenko fürchtet, dass es dem Land bald wie der Ukraine ergehen könnte. Allerdings muss er Wladimir Putin die Treue halten - und auf eine Annäherung an den Westen kann er nicht hoffen.

Von Sabine Adler | 04.08.2014
    Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko während einer Pressekonferenz.
    Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko soll im Ukraine-Konflikt vermitteln. (dpa / Belta)
    So große Angst hatte der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko wohl noch nie. Die Ereignisse auf dem Maidan, vor allem aber die Kämpfe im Osten der Ukraine, lassen seine Knie schlottern, dabei ist Lukaschenko Druck gewohnt, das Land hängt am Tropf des Kremls. Einer möglichen militärischen Bedrohung würde man allerdings standhalten, gibt sich Lukaschenko kämpferisch.
    "Unsere Unabhängigkeit kann nur über die Wirtschaft bedroht werden. Man will mir Angst einjagen, dass aus dem Osten Horden einfallen. Oder aus dem Westen. Dass sie uns zerstückeln, zerdrücken, zerfleischen. Keine Horde wird unser Land zerstören, keine Panzer, Flugzeuge werden in der Lage sein, uns auf die Knie zu zwingen. Sogar, wenn wir ganz auf uns allein gestellt sind. Alles hängt von uns selbst ab."
    Lukaschenko weiß, dass wenn Russland die Krim annektieren und in der Ostukraine bewaffnete Konflikte provozieren kann, dann ist das ebenso in Weißrussland möglich, sagt der Minsker Politologe Andrej Fedorow und sieht die Panik in Lukaschenkos Augen.
    "Er hat Angst. Denn es ist nicht klar, ob Präsident Putin rational agiert. Gut möglich, dass sich alles beruhigt. Aber man kann nicht ausschließen, dass es Weißrussland doch noch so ähnlich ergeht wie der Ukraine, wenn Putin irgendetwas zu missfallen beginnt. Eine solche Eskalation ist nicht ausgeschlossen."
    Am vergangenen Donnerstag war Minsk erstmals Schauplatz von Gesprächen der OSZE-Kontaktgruppe. Der ukrainische Amtskollege Poroschenko hatte Lukaschenko gebeten, das Treffen auszurichten, denn alle Versuche zuvor waren daran gescheitert, dass man sich nicht auf einen Ort einigen konnte. Lukaschenko kam der Bitte nach, als Vermittler trat er nicht auf.
    "Vermittlung kann ich überhaupt nicht ertragen. Sie wissen, wie viele Vermittler aus Europa bei mir waren, aber wir werden alles Nötige machen, damit der Widerstand im Osten der Ukraine zumindest etwas gemindert wird."
    Wirtschaftliche Abhängigkeit von Russland
    Weißrussland ist Mitglied der russischen Zollunion, hat der Stationierung von zwei Kampffliegerstaffeln im Dezember und März auf seinem Territorium zugestimmt, ist damit ökonomisch wie militärisch mit Moskau eng verbunden. Was eine neutrale Vermittlerrolle ohnehin ausschließt. Doch so eindeutig prorussisch ist Lukaschenko nicht, meint Andrej Fedorow:
    "Moralisch, von der Mentalität her ist er auf der Seite von Kiew, aber die große wirtschaftliche Abhängigkeit von Moskau führt dazu, dass er Putin die Treue halten muss."
    Waleri Karbalewitsch, der über den nun 20 Jahre amtierenden Präsidenten eine Biografie geschrieben hat, sieht Lukaschenko nur verbal in vorsichtiger Distanz zu Moskau, politisch handle er prorussisch.
    "Lukaschenko versucht, eine neutrale Position zu halten, und was die Rhetorik angeht, hat es auch den Anschein. Aber er agiert aufseiten Russlands, zum Beispiel bei der Abstimmung in der UNO oder als es um die russischen Flugzeuge ging."
    Am 27. März, als 100 Länder in einer Resolution der Vereinten Nationen das Referendum auf der Krim für ungültig erklärten, stimmten elf dagegen, neben Nordkorea, Kuba, Venezuela, dem Sudan und Nicaragua auch Armenien und Weißrussland, die beide der Zollunion angehören.
    Dass sich Petro Poroschenko an den Autokraten gewandt hat und in dieser Woche ein weiteres Kontaktgruppentreffen in Minsk folgen soll, war überraschend. Doch dass das Weißrussland aus der internationalen Isolation führen könnte, hält Andrej Fedorow für wenig wahrscheinlich.
    "Ich bezweifle das. Weißrussland nimmt nicht teil und hat keinen Einfluss. Das ist eine rein technische Zusammenarbeit, es geht um einen Ort, den sowohl die Vertreter der ukrainischen Seite als auch die Separatisten sicher erreichen können. Es ist keineswegs der einzige mögliche Tagungsort, aber der nächst gelegene. Das alles wird kaum zu einer Annäherung an den Westen führen."