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Ukraine-Konflikt
Separatisten werden kaum geschwächt

Trotz der jüngsten Landgewinne der ukrainischen Armee werden die Truppen der prorussischen Separatisten offenbar kaum schwächer. Und dort, wo die Rebellen inzwischen vertrieben wurden, ist der Jubel der Bevölkerung verhalten.

Von Florian Kellermann | 04.08.2014
    Ein pro-russischer Kämpfer bewacht die Absturzstelle des Flugs MH17 bei Donezk.
    Ein pro-russischer Kämpfer an der Absturzstelle des Flugs MH17 bei Donezk. (AFP / Bulent Kilic)
    Heute wird ein weiteres Flugzeug mit den sterblichen Überresten der Passagiere in der ostukrainischen Stadt Charkiw starten, es wird gegen 16 Uhr in Eindhoven in den Niederlanden erwartet. In den vergangenen Tagen hatten rund 100 Experten das Gelände in der Ostukraine abgesucht, wo das malaysische Passagierflugzeug vor zwei Wochen abgestürzt war. Die meisten der Insassen, die alle ums Leben kamen, waren Niederländer. Der Leiter der Mission, Pieter-Jaap Aalbersberg, sagte der ukrainischen Nachrichtenagentur Ukrinform, die Sucharbeiten würden sich voraussichtlich noch Wochen hinziehen. Bisher sei erst rund ein Fünftel des Geländes untersucht worden.
    In der Umgebung des Absturzortes hielten sich die ukrainische Armee und die separatistischen Kämpfer zuletzt weitgehend an die vereinbarte Waffenruhe. Der Kampf um die beiden Bezirkshauptstädte Donezk und Lugansk ging jedoch auch am Wochenende weiter. Insgesamt starben in den beiden Städten mindestens neun Zivilisten, teilten die Stadtverwaltungen mit. Der Vorstoß der ukrainischen Armee kam am Wochenende weitgehend zum Erliegen. Es gelang ihr bisher nicht, die Linie zwischen den strategisch wichtigen Städten Schachtarsk und Torez zu kontrollieren. Damit könnte sie die Separatisten im Bezirk Donezk vom Nachschub aus Lugansk abschneiden. Nach ukrainischen Angaben erreichten gestern zehn weitere Panzer Donezk, die zuvor über die russisch-ukrainische Grenze gekommen seien.
    Trotz der jüngsten Landgewinne der ukrainischen Armee würden die Truppen der Separatisten kaum schwächer, sagte der ukrainische Verteidigungsminister Valerij Heletej gestern. Demnach gebe es auf ihrer Seite weiterhin rund 15.000 Kämpfer. Die Reihen der Separatisten würden regelmäßig durch aus Russland neu ankommende Kämpfer gestärkt, so Heletej. Russland weist den Vorwurf zurück, die Separatisten zu unterstützen.
    Demonstration pro-ukrainischer Bewohner
    Der ukrainische Geheimdienst gab an, dass er am Wochenende rund 300 Personen festnahm, die zwar nicht in den Reihen der Separatisten kämpften, diese jedoch finanziell und logistisch unterstützten. Unter den Verdächtigen seien auch elf Ausländer, die meisten von ihnen aus Russland. Einige von ihnen hätten Anschläge in den Gebieten vorbereitet, die inzwischen unter der Kontrolle der ukrainischen Armee sind. Der Geheimdienst habe durch die Festnahmen verhindert, dass zehn Gebäude zerstört oder zumindest beschädigt werden, hieß es.
    In der Stadt Slawjansk, lange die Hochburg der Separatisten, fand gestern zum ersten Mal eine pro-ukrainische Demonstration statt. Einige Hundert Bürger der Stadt mit einst rund 100.000 Einwohnern feierten die Rückeroberung durch die ukrainische Armee. Dabei wurde aber auch deutlich, wie schwierig der Neuanfang wird - nicht nur wegen der zerstörten Häuser und Straßen - sondern auch, weil weite Teile der örtlichen Elite die Separatisten unterstützten. Einer der Teilnehmer der Demonstration sagte:
    "Viele Büros in der Stadtverwaltung sind leer, weil die Gemeindeangestellten untergetaucht oder geflohen sind oder einfach gekündigt haben. Und diejenigen, die noch da sind, sollten eigentlich auch gehen. Wir brauchen eine neue Verwaltung von Leuten, die sich nicht kompromittiert haben, die aus dem Volk kommen."
    Bei der Demonstration wurde allerdings auch deutlich, dass sich längst nicht alle Menschen in Slowjansk über den Einzug der ukrainischen Armee freuen. Viele äußerten ihren Unmut im Vorbeigehen.