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Ukraine-Krise
Kein Sieg ohne Geld

Vom Kampf der ukrainischen Armee gegen die Separatisten hängt die Existenz der Ukraine ab. Doch die Streitkräfte befinden sich im Notstand: Dem Staat geht das Geld aus. Und internationale Geldgeber sind während der Kampfhandlungen nur bedingt zur Hilfe bereit.

Von Sabine Adler | 31.07.2014
    Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko in einer Militäruniform begleitet ukrainische Soldaten im Armee-Hauptquartier nahe der Stadt Izyum
    Nur noch 5000 Mann der ukrainischen Armee sind kampffähig, den Soldaten fehlen jegliche finanzielle Mittel. (afp / Genya Savilov)
    Mit leeren Kassen lässt sich kein Krieg gewinnen, im Krieg bricht die Wirtschaft ein, in der Ukraine fiel das Bruttosozialprodukt seit Anfang des Jahres um knapp 5 Prozent.
    Der Krieg im Osten reißt, je länger er dauert immer größere Löcher in den Haushalt, doch von den Kämpfen gegen die Separatisten hängt das Überleben der Ukraine insgesamt ab. Auch deshalb drängt Premier Jazeniuk das Parlament zur Steuererhöhungen.
    "Der Armee müssen wir 9 Milliarden Griwna geben, das sind 500 Millionen Euro, fast noch einmal diese Summe werden wir für den Wiederaufbau von Donezk, Lugansk und der Orte brauchen, in denen die Anti-Terror-Operation stattfindet. Wir schlagen vor, die Steuern für die Wirtschaftszweige herauszusetzen, die Gewinne machen. Das Einzige aber, was wir bisher geschafft haben, war die Vervierfachung der Steuern für Renat Achmetow. Das ist alles. Was daran liegt, dass das Parlament alles andere blockiert. Die Abgeordneten interessiert weder das Schicksal des Landes noch das der Soldaten. Wenn man dieses Gesetz nicht annimmt, wird es für die Soldaten diese Mittel nicht geben."
    Unterstützung durch die Bevölkerung
    Die Bevölkerung hat die Armee bereits kräftig unterstützt. Mit Geld, Lebensmitteln. Eine Lemberger Bürgerorganisation, die inzwischen unter dem Namen "Ameiseninitiative" landesweit berühmt ist, schafft Schutzwesten und Helme an die Front. Sie kauft sie in der EU ein, bringt sie an die polnische Grenze und schleppt sie einzeln in die Ukraine, denn laut EU-Recht darf die Ausrüstung nur für den persönlichen Gebrauch gekauft werden.
    Wie groß der Notstand der Streitkräfte ist, beschreibt Anton Geraschenko, Sicherheitsberater des Innenministers:
    "90 Prozent der Luftwaffentechnik benötigen umfangreiche Reparaturen. Die Reparatur eines Kampffliegers vom Typ SU 27 kostet 50 Millionen Griwna. Wenn man das mit der Summe vergleicht, unter der Freiwillige unter der SMS-Nummer 565 Geld gesammelt haben, dann kann man damit gerade mal zweieinhalb Jets reparieren. Aber dort stehen Dutzende in der Werkstatt. 15 Maschinen sind bereits abgeschossen worden, darunter eine Transportmaschine, eine Iljuschin 76. Kein Land der Welt verkauft uns heute auch nur eine einzige Flugdrohne, weil sich keiner mit Russland anlegen will."
    Der übermächtige Gegner Russland
    Das Dilemma: Der Premier, der für die Armee Steuererhöhungen durchsetzen will, hat keine Mehrheit im Parlament. Außerdem ist vor einer Woche die Regierungskoalition zerbrochen. Der Präsident strebt vorgezogene Parlamentswahlen an. Eine Regierungskrise im Krieg, der noch dazu gegen einen übermächtigen Gegner geführt wird, veranschaulicht Anton Geraschenko.
    "Lassen Sie uns vergleichen: Russland und die Ukraine. Ihre Armee hat 1 Million 100 000 Mann, wir haben 180 000 Mann. Ihre Armee wird 56 Mal besser finanziert. Im Februar konnten wir nicht mal unsere Panzer betanken. Die Einheiten, die tatsächlich kampffähig waren, betrugen insgesamt 5000 Mann."
    Eindämmung der Schattenwirtschaft
    Die Prognose für die Inflation dieses Jahr liegt zwischen 12 und 19 Prozent, doch eine Quelle wurde bisher nur unzureichend angezapft: die blühende ukrainische Schattenwirtschaft.
    "Wenn wir es schaffen, bringen wir einen Gesetzentwurf ein, der die Sozialabgaben von 37 Prozent auf 30 senkt. Wir wollen die Schattenwirtschaft eindämmen. Wir wollen, dass es mehr offizielle Gehälter gibt und damit mehr Steuern gezahlt werden."
    Die Regierung appelliert an die Bürger als Patrioten. Die Zukunft, die der sicherheitspolitische Berater Geraschenko malt, ist düster.
    "Putin wird nicht aufhören. Die Ukraine wird es wie Israel oder Südkorea mit einem mächtigen Gegner als Nachbarn zu tun haben. Das einzige, was uns hilft, ist als Volk zusammenzustehen. Uns hinter dem Präsidenten und dem Parlament zu versammeln und die Streitkräfte zu stärken, die Geheimdienste, die Nationalgarde, die Polizei."