Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Ukraine
Präsident als Teil des Korruptionsproblems

Es passiert tagtäglich: In der Ukraine wird geschmiert, bestochen, veruntreut, hinterzogen. Europa verlangt Fortschritte im Kampf gegen die Korruption. Doch Präsident Petro Poroschenko, der dringend westliche Unterstützung braucht, dürfte sich schwertun. Kritiker werfen ihm vor, selbst Teil des Problems zu sein.

Von Sabine Adler | 10.04.2018
    Petro Poroschenko, der Präsident der Ukraine, äußert sich am 01.02.2016 bei einer Pressekonferenz mit Bundeskanzlerin Merkel vor ihrem Gespräch im Bundeskanzleramt in Berlin.
    Ukrainischer Präsident Petro Poroschenko in Berlin (dpa/ picture alliance / Bernd von Jutrczenka)
    Schluss mit der Korruption, mit der Macht der Oligarchen, forderten Demonstranten vor wenigen Tagen in Kiew. Die Vorwürfe reichen bis ins höchste Amt. Dmytro Drobot vom Antikorruptionszentrum in Charkiw beschuldigt Präsident Petro Poroschenko persönlich, eine reine Schaufensterpolitik gegen die grassierende Bestechung und Bestechlichkeit sowie Veruntreuung von Geldern zu betreiben.
    "Das Antikorruptionsgesetz, das er ins Parlament brachte, wurde von der Venedig-Kommission, der EU, dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank nicht gebilligt, weil es dem Präsidenten selbst die volle Kontrolle über den Antikorruptionskampf zusichert."
    Demonstration von Aktivisten des Antikorruptionszentrums Charkow
    Demonstration von Aktivisten des Antikorruptionszentrums Charkow (deutschlandradio / Sabine Adler)
    Das Geschäftsgebaren des ersten Mannes im Staat
    Ein wichtiger Streitpunkt ist das Antikorruptionsgericht. Aber auch das Geschäftsgebaren des ersten Mannes im Staat selbst. Laut dessen elektronischer Einkommenssteuererklärung hat er sein Präsidentengehalt von mehr als 10.000 Euro gespendet, den Löwenanteil seines Einkommens von 16 Millionen Griwna, also rund 50.000 Euro ausschließlich aus Zinsen erzielt. Was Beobachter ihm nicht abkaufen.
    Demnach hätte der Präsident keinerlei Gewinn mit seinen Pralinen und Molkereiprodukten erzielt, die jeweils marktbeherrschend sind, und auch nicht mit seiner Bank.
    "Korruption gibt es auch in der Armee. Jüngster Skandal war der Weiterverkauf von Armeebenzin, mutmaßlich durch das Verteidigungsministerium. Poroschenko wurde einst zitiert, dass er jedem, der die Armee bestiehlt, die Hand abhacken wollte, doch jetzt ist er still, weil er selbst so viel Dreck am Stecken hat."
    Präsident als Kriegsgewinnler?
    Poroschenko wird vorgeworfen, auch persönlich am Krieg gegen die Separatisten im Osten zu verdienen. Das Internetportal Marlin fand heraus, dass Privatunternehmen des Präsidenten 2017 Staatsaufträge im Wert von über 800.000 Euro bekamen, darunter die Reparatur einer Marinefregatte im Wert von über 400.000 Euro.
    "Die Korruption hat nicht zugenommen, wenn man sie mit der Janukowitsch-Zeit bis 2013 vergleicht. Aber sie ist eine politische Frage, weil das, was gegen sie unternommen wird, vom Präsidenten abhängt, vom Parlament und von der Regierung."
    Entschädigungshilfen für Katastrophenopfer teils gestohlen
    2017 explodierte bei Charkiw das größte Munitionsdepot des Landes und konnte eine Woche lang nicht gelöscht werden. Wohnhäuser, Schulen wurden zerstört und deshalb stellte Kiew rund sechs Millionen Euro zur Verfügung. Dem Charkiwer Antikorruptionszentrum wurden viele Steine in den Weg gelegt, die Entschädigungszahlungen zu kontrollieren. Später stellte sich heraus, dass die Hälfte der Summe gestohlen wurde.
    Für die Betroffenen steht Roman Lichatschow von der Helsinki-Gruppe derzeit vor Gericht. Er klagt zudem gegen Poroschenko, weil der 2017 russische soziale Netzwerke verbot, die in der Ukraine gern genutzt werden.
    "Das brachte mir den Besuch des ukrainischen Geheimdienstes ein, der mich fragte, was die Klage soll. Ich sagte: Der Präsident hat die Menschenrechte verletzt."
    Druck auf Antikorruptions-Aktivisten
    Die Ukraine hat eine starke Zivilgesellschaft, eine Reihe von Nichtregierungsorganisationen deckt Korruptionsfälle auf. Alle Aktivisten müssen öffentliche Steuererklärung abgeben. Obwohl sie anders als die Politiker und Beamten keinerlei Zugang zu staatlichen Geldern haben.
    Der Investigativ-Journalist Pawel Nowik vom Charkiwer Antikorruptionszentrum sagt, was auch die EU moniert: dass mit diesen Deklarationen unzulässig Druck auf die Aktivisten ausgeübt wird.
    "Wir Aktivisten sollen weniger über Korruption und Fehler der Regierung schreiben. Über die Partei Poroschenkos darf schon jetzt nur Gutes oder aber gar nichts geschrieben werden. Sie versuchen, einen entweder zu kaufen oder zu ersticken, nur damit nichts bekannt wird."
    Die Rolle des Vorreiters bei Kampf gegen die Korruption hat Poroschenko in der Ukraine kaum jemand abgenommen, bei der Wahl in einem Jahr bekommt er dafür möglicherweise die Quittung.