
Valodia muss Slalomfahren - langsam manövriert der 53-jährige seinen LKW zwischen den knapp drei Meter hohen Panzersperren aus Beton, bleibt vor dem Schlagbaum stehen und flucht.
"Wozu latscht dieser Putin überall hin. Was hat ihm die Ukraine angetan? Warum lässt er uns nicht in Ruhe leben?"
Kaum ist der Sattelschlepper am Grenzposten von Uspenka vorbei, schon geht der Schlagbaum wieder herunter. Überall stehen Soldaten mit Maschinenpistolen. So entspannt wie einst, ist es selbst an diesem kleinen Grenzübergang seit Wochen nicht mehr.
Dobry Dien, sagt der diensthabende Offizier, und bittet höfflich um den Presseausweis. Trotz der sichtbar angespannten Lage versucht der junge Soldat, Normalität zu vermitteln. Interviews, bedauert der Mittdreißiger, dürfe er leider nicht geben. Ob er seinen Kollegen in Sichtweite, dort wo die russische Fahne am Grenzhäuschen weht, auch Dobry Dien zuruft? Kein Kommentar. Angeblich sollen dort Panzer stehen. Heißt es. Zu sehen seien sie nicht, mischt sich ein älterer Mann in das Gespräch ein. Er könne es sich nicht vorstellen, dass Russen und Ukrainer gegeneinander kämpfen sollen:
"Wir wollen, dass unsere Kinder und Enkel hier ohne Krieg leben. Stattdessen herrscht hier nur Chaos."
Verantwortlich dafür, wettert der 60-Jährige, sei die Übergangsregierung in Kiew. Äußerungen, die der diensthabende Offizier ebenfalls nicht kommentieren will.
"Früher gab es hier einen regen Verkehr"
Ein weißer Lada mit russischen Kennzeichen kommt von der gegenüberliegenden Seite der Grenze. Fährt beherzt durch die - eher symbolische - Desinfektionsanlage und verschwindet Richtung Westen. Es wird Stunden dauern bis sich hier der nächste PKW aus Russland blicken lässt. In Uspenka – am ukrainisch-russischen Grenzübergang – meint Natalia sei das mittlerweile Alltag. Die 34-Jährige verkauft normalerweise grüne Versicherungskarten. Jetzt sitzt sie da in ihrer kleinen Holzbude, schaut fern und sehnt sich nach der guten alten Zeit, nach der Zeit bevor Putin durchdrehte, wie sie es formuliert.
"Früher da fuhren die Menschen hin und her. Sie kamen in die Ukraine zu Besuch. Und wir Ukrainer fuhren nach Russland. Jetzt drehen wir Däumchen. Keine Autos, keine Menschen. Früher gab es hier einen regen Verkehr."
Neben einem leer stehenden Bus sitzt eine ältere Frau. Sie verkauft den hier wartenden Fahrern Tee und Piroschki. Was hält sie von der Situation? Die 76-Jährige schüttelt den Kopf, fängt an, zu schimpfen, und deutet auf die Panzersperren.
"Ich weiß nicht was diese Dinger sollen. Was für eine Kriegsgefahr soll es hier geben. Ich weiß wirklich nicht was die hier wollen."
Der LKW-Fahrer Nikolai denkt es vermutlich auch. Nun ist er, an der Reihe am Grenzübergang Uspenka Slalom zu fahren. Er muss nach Rostow am Don, in Russland. Geschlagene sechs Stunden hat er gewartet, nicht wegen Kriegsgefahr, sagt er verärgert, es sei vielmehr überflüssige Bürokratie und Panikmache. Vielleicht hat Nikolai recht. Vielleicht aber auch nicht.