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Uli Hoeneß wird "dieses Amt aufgeben"

Angesichts der Vorwürfe gegen Uli Hoeneß ist Henning Herzog der Meinung, dass der FC-Bayern-Präsident den Aufsichtsratsvorsitz nicht dauerhaft ausüben können wird. Der private Kredit für Hoeneß vom ehemaligen Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus könnte einen Interessenskonflikt darstellen.

Henning Herzog im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 08.05.2013
    Tobias Armbrüster: Ob der Aufsichtsrat richtig gehandelt hat im Fall Hoeneß, das wird also bei der Adidas-Hauptversammlung eine Rolle spielen, aber was sagt eigentlich das Unternehmensrecht in solchen Fällen? Das wollen wir jetzt klären im Gespräch mit Professor Henning Herzog, Professor für Unternehmensführung und Compliance Management an der Quadriga Hochschule in Berlin. Schönen guten Morgen, Herr Herzog!

    Henning Herzog: Ich grüße Sie, guten Morgen aus Berlin!

    Armbrüster: Herr Herzog, war das eine problematische Entscheidung am Montag, Uli Hoeneß im Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden zu lassen?

    Herzog: Ja, auf alle Fälle, und zwar ist das mehrschichtig zu beantworten. Zum einen müssen wir mal über die Frage von Aufsicht reden. Aufsicht bedeutet ja, ich muss drauf schauen, ich muss auf etwas achten. Und wir haben in Deutschland ein duales Führungssystem. Und da soll der Aufsichtsrat letzten Endes die Aufgaben und Funktionen und die Entscheidungen des Vorstandes überwachen. Und jetzt geht es ja darum, dass der FC Bayern München AG ein Wirtschaftsunternehmen ist, das ist ein Großunternehmen, macht viele Umsätze, hat noch einige Tochtergesellschaften, und da muss die Aufsicht in der Lage sein und frei von jedem Vorwurf, die geschäftlichen Belange auch vollumfänglich überwachen zu können. Und bei diesen Vorwürfen, die im Raume stehen, das ist kein Vorwurf, sondern ist ja eine Selbstanzeige, da darf das infrage gestellt sein, ob denn dann Aufsicht wirklich noch neutral und frei von Interessenkonflikten durchgeführt werden kann.

    Armbrüster: Haben Sie den Eindruck, die Interessenkonflikte sind da im Aufsichtsrat?

    Herzog: Na ja, schauen Sie sich das an, dazu müsste man sich dann den Zeitstrahl mal genau vor das geistige Auge führen: Zu der Zeit, als Herr Dreyfus privat Herrn Hoeneß ein Darlehen gegeben haben soll, da gab es noch keine Aktiengesellschaft, da war also letzten Endes Adidas Ausrüster und Partner des Vereines, aber eben noch nicht dieser jetzt beaufsichtigten Aktiengesellschaft. Und im Zeitverlauf haben sich dann die Funktionen geändert, und zurzeit ist Herr Hoeneß Aufsichtsratsvorsitzender, Herr Dreyfus ist verstorben, aber mittlerweile sind eben die Partner sogar Gesellschaftspartner geworden, und da liegt es nahe, dass dort es zu einer Vermengung von privaten und geschäftlichen Interessen gekommen sein könnte. Das wissen wir heute nicht, aber dafür wäre es gut, wenn Herr Hoeneß für umfangreiche Transparenz sorgen würde.

    Armbrüster: Ist es denn dann überhaupt noch haltbar, dass ein Unternehmen wie Adidas in diesem Aufsichtsrat sitzt, oder sollten die vielleicht auch eher sagen, wir lassen unseren Posten ruhen?

    Herzog: Na ja, sehen Sie, also die Adidas ist gleichzeitig Gesellschafter, und in Form der Gesellschafterfunktion ist es völlig nachvollziehbar, dass auch ein Posten im Aufsichtsrat denn dann besetzt wird, um die Gesellschaftsinteressen durchzuführen. Aber wenn ich diese Frage erweitern darf, es gibt ja noch ganz andere prominente Aufsichtsratsmitglieder, die auch eine geschäftliche Beziehung haben, die aber zum Beispiel nicht Gesellschafter sind. Also nehmen Sie die Deutsche Telekom, oder nehmen Sie die HVB, jetzt Unicredit, die haben geschäftliche Beziehungen zu dem Unternehmen, die Telekom ist Hauptsponsor und hat auf der anderen Seite dann ein Aufsichtsratsmandat inne. Hier kann es eben potenziell zu sehr vielen Interessenkonflikten kommen, da es zu einer Vermengung zwischen den Interessen aus dem Geschäft zwischen dem Hauptsponsor und dem eigentlichen Verein kommen kann, und auf der andere Seite dann die Aufsicht, die frei von Interessenkonflikten und neutral denn beaufsichtigen muss.

    Armbrüster: Haben dann, Herr Herzog, vielleicht einige der beteiligten Unternehmen in diesem Aufsichtsrat, haben die gegen geltendes Recht verstoßen?

    Herzog: Nein, sie haben – das muss man differenziert betrachten. Wenn Sie also heute eine Telekom nehmen als börsennotiertes Unternehmen, da liegt das deutsche Aktienrecht zugrunde, aber Sie haben sich gleichzeitig auch verpflichtet, die Bedingungen des deutschen Corporate Governance Codex einzuhalten. Und der Kodex sieht ganz klar vor, dass es keine Interessenkonflikte geben kann und geben darf auf Vorstands- und Aufsichtsratsebene. Hier wird es regen Diskussionsbedarf geben in den Häusern, um zu klären, ob diese Aufsichtsratstätigkeit überhaupt langfristig in dieser Form so auszuüben ist. Das ist meine persönliche Meinung.

    Armbrüster: Das heißt, wir können schon mal festhalten, diese Unternehmen haben gegen ihre eigenen Grundsätze verstoßen?

    Herzog: Diese Unternehmen haben sich dem Kodex verpflichtet, und im Kodex gibt es Passagen, die explizit ausführen, dass es keine Interessenkonflikte geben darf, das wäre dann sicherlich im Einzelfall zu prüfen, ob die Funktion als Hauptsponsor und gleichzeitig im Aufsichtsrat, ob das zu Interessenkonflikten führt – meiner persönlichen Meinung nach ja, das wäre aber dann sicherlich mit Detailinformationen zu prüfen. Des Weiteren haben diese Unternehmen eigene interne Leitlinien, es gibt Codes of Conduct, es gibt Ethik-Leitlinien, das wäre da auch zu prüfen, ob möglicherweise gegen diese eigenen, noch enger gesetzten Leitlinien denn dann intern verstoßen wird.

    Der Präsident ist in der Bringschuld
    Armbrüster: Herr Herzog, Sie haben jetzt mehrmals gesagt, dass es in den Unternehmen dazu wahrscheinlich derzeit heftige Auseinandersetzungen oder zumindest Gespräche geben wird. Was glauben Sie denn, sollte Herr Hoeneß nach dem Champions-League-Finale tatsächlich seinen Posten erst mal ruhen lassen? Ist diese Kontroverse dann beendet?

    Herzog: Ich glaube, dass es beim Ruhenlassen dieser Funktion gar nicht bleiben wird. Meiner persönlichen Meinung nach wird Herr Hoeneß dieses Amt aufgeben, denn der Aufsichtsratsvorsitzende soll halt – ich wiederhole mich – damit ja die Neutralität wahren, soll frei von Interessenskonflikten sein, und das muss er eben nachhaltig und langfristig auch umsetzen können. Ich persönlich gehen davon aus, dass dann dieser Posten auch neu besetzt wird. Die Frage des Ruhenlassens hätte ich mir schon viel früher gewünscht, nämlich spätestens mal bei der Selbstanzeige. Normalerweise hätte er die – aus meiner Sicht hat er eine Bringschuld. Er hätte den Aufsichtsrat und den Vorstand informieren müssen über seine Geschäfte in der Vergangenheit mit Herrn Dreyfus. Möglicherweise hat er das getan, das ist alles Spekulation, das wissen wir nicht. Nur das, was im Raume steht, sind eben wirklich schwerwiegende Vorwürfe, die ein dauerhaftes Ausüben einer solchen Aufsichtsratsvorsitzendenfunktion meiner Meinung nach gar nicht möglich sein lassen.

    Armbrüster: Hier bei uns in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk war das Professor Henning Herzog, Professor für Unternehmensführung und Compliance Management an der Quadriga Hochschule in Berlin. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Herzog!

    Herzog: Ich danke Ihnen!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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