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Ultraleichte Folien mit bemerkenswerten Eigenschaften

Physik. - Carbon-Nanotubes sind extrem stabil und können elektrischen Strom sehr effizient leiten. Doch weil die winzigen Röhrchen aus Kohlenstoff tausendmal dünner sind als ein menschliches Haar, ist es knifflig, aus ihnen brauchbare Materialien zu fertigen. Eine der führenden Gruppen auf dem Gebiet hat nun aber ein erstaunlich simples Verfahren entwickelt, um hauchdünne Folien aus den Kohlenstoff-Röhrchen herzustellen.

Von Ralf Krauter | 11.12.2006
    Am Nanotech Institute der Universität Texas in Dallas kennt man sich aus mit den Mini-Makkaroni aus Kohlenstoff. Professor Ray Baughman ist einer der weltweit führenden Experten auf diesem Gebiet der Nanoforschung.

    " Kohlenstoff-Nanoröhrchen haben spektakuläre Eigenschaften. Sie sind stabiler als Stahl, sie sind exzellente Wärmeleiter und sie leiten Strom viel effizienter als Kupfer. Das Problem ist nur: Wie baut man aus Myriaden solcher Nanotubes brauchbare makroskopische Strukturen - also etwa eine Folie oder ein Garn - ohne dass die einzelnen Röhrchen im Materialverbund ihre tollen Eigenschaften verlieren?"

    Beim Spinnen von Garnen aus Kohlenstoff-Nanoröhrchen haben die Forscher um Ray Baughman bereits in den vergangenen Jahren wichtige Fortschritte erzielt. Ihr neuester Coup eröffnet möglichen Anwendungen der schwarzen Winzlinge nun eine zusätzliche Dimension - im wahrsten Sinne des Wortes. Denn mittlerweile können die Experten in Dallas auch hauchdünne Folien herstellen, die ausschließlich aus Carbon-Nanotubes bestehen. Und das mit erstaunlich simplen Mitteln. Die chinesische Forscherin Mey Chang zeigt eine Siliziumscheibe, deren einst glänzende Oberfläche eine schwarze Rußschicht bedeckt.

    " Das ist ein Wald aus Kohlenstoff-Nanoröhrchen, den wir innerhalb von zehn Minuten durch kontrollierte Abscheidung von gasförmigem Kohlenstoff auf der Oberfläche wachsen lassen. Die Struktur ähnelt einem Bambuswald - nur dass die Stangen hier nur etwa 0,3 Millimeter hoch sind und einen Durchmesser von zehn Nanometern haben. "

    Die Milliarden von Kohlenstoff-Stangen auf dem Wafer sind also allesamt 30.000 mal höher als breit. Bei solch einem extremen Längenverhältnis, lässt es sich nicht vermeiden, dass sich die sich nach oben reckenden Nanoröhrchen gegenseitig berühren. Anders als in einem Bambus-Wald entstehen dabei lose Bindungen zwischen den hin- und her schwankenden Stangen. Und genau die machen sich die Forscher zunutze. Mey Chang nimmt ein Holzstäbchen und berührt damit vorsichtig den Rand des schwarzen Miniaturwaldes. Durch den direkten Kontakt werden einige der Nanoröhrchen von der Unterlage abgerissen und bleiben an dem Holzstab kleben. Dann beginnt die Chinesin das Stäbchen gleichmäßig von der Siliziumscheibe wegzuziehen.

    Das Ergebnis ist frappierend. Zwischen Holzstäbchen und Scheibe spannt sich eine transparente, leicht grau schimmernde Folie, die immer länger wird, während der schwarze Wald auf dem Siliziumwafer allmählich schrumpft. Die abgerissenen Nanoröhrchen verhaken sich und reißen ihre Nachbarn mit sich, die wiederum ihre Nachbarn und so fort. Das Ergebnis ist eine extrem leichte aber sehr stabile und elektrisch leitende Folie, die außer Carbon Nanotubes nur Luft enthält - Aerogel heißt das im Fachjargon.

    " Diese Folie ist 10 bis 20 Mikrometer dick. Mit einem Wafer voller Nanotubes können wir über 80 Meter davon herstellen. Die unzähligen Poren darin haben einen Durchmesser von rund 100 Nanometern. Das macht das Material interessant für alle möglichen Anwendungen. Wir können es als Filter verwenden oder als Sensor oder als Gerüst für die Zucht von biologischem Gewebe. "

    Ihre gute Leitfähigkeit prädestiniert die Kohlenstoff-Folie auch für den Einsatz als Elektrode in Solarzellen, Thermoelementen oder großflächigen Leuchtdioden. Außerdem lässt sie sich zu Fasern verdrillen, die in punkto Festigkeit pro Gewicht nicht nur Stahl, sondern auch allen kommerziell verfügbaren High-Tech-Fasern überlegen ist. Gut möglich also, dass kugelsichere Westen statt Kevlar bald Kohlenstoff-Nanoröhrchen enthalten, die einmal als Wald auf einer Siliziumscheibe gewachsen sind.