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Ultraschall - mehr als ein Erinnerungsfoto

Drei bis vier von 100 Neugeborenen kommen mit Fehlbildungen auf die Welt. Die meisten sind harmlos, doch es gibt auch lebensbedrohliche. In den neuen Mutterschaftsrichtlinien, die im Sommer in Kraft treten sollen, ist eine erweiterte Ultraschalluntersuchung in der 20. Schwangerschaftswoche vorgesehen, um solche Anomalien früh zu entdecken.

Von Marieke Degen | 03.04.2012
    Eines von ungefähr 5000 Neugeborenen kommt mit einer Lücke im Zwerchfell auf die Welt. Für sie geht es nach der Geburt um Leben und Tod, sagt die Gynäkologin Ute Germer.

    "Lücken im Zwerchfell führen dazu, dass der Darm in den Brustkorb hineinfällt und dass die Lunge zusammengedrückt wird und dass natürlich ein Kind, was neu geboren wird, erstmal atmen muss, weil vorher wird’s ja über den Mutterkuchen mit Sauerstoff versorgt, und wenn diese Umstellung der Atmung nicht funktioniert, dann ist das Kind in einer akuten lebensbedrohlichen Situation."

    Ute Germer ist die Vorsitzende der Sektion Gynäkologie der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin. Glück im Unglück sei es, wenn die Ärzte schon vor der Geburt erkennen, dass mit dem Kind etwas nicht stimmt.

    "Das gilt für Lungenerkrankungen, das gilt auch für viele Herzfehler, es kann aber auch akut lebensgefährlich sein, wenn man eine Spaltbildung im Gesicht hat oder einen Verschluss – wie auch immer – der Atemwege, sodass diese Kinder eben am Atmen gehindert werden; und all diese profitieren sicher davon, wenn man diese Diagnose vor der Geburt stellt und den Kinderarzt entsprechend neben das Kreißbett stellt, und das Kind dann eben optimal versorgt werden kann durch eben den Spezialisten nach der Geburt."

    In Deutschland können Schwangere drei Ultraschalluntersuchungen in Anspruch nehmen: eine in der zehnten, eine in der 20. und eine in der 30. Woche. Trotzdem werden viele Fehlbildungen nicht entdeckt. Denn: für die Ultraschalluntersuchungen sind in erster Linie die niedergelassenen Frauenärzte zuständig. Nur wenn ihnen etwas am Fötus auffällt oder die Frau eine Risikopatientin ist, wird sie an einen Spezialisten überwiesen, der eine Ultraschall-Feindiagnostik macht. Jetzt soll die zweite der drei Ultraschalluntersuchungen – die in der 20. Woche – besser werden, damit die Frauenärzte in Zukunft mehr Auffälligkeiten entdecken. Die Mutterschaftsrichtlinien sind entsprechend geändert worden.

    "Es gab immer schon in der 20. Woche die Anforderung, den Feten auszumessen und zu sehen, ob er zeitgerecht entwickelt ist. Das bleibt auch so. Und jetzt ist neu dazu gekommen, dass konkrete morphologische Untersuchungen erfolgen sollen, dass konkret der Vierkammerblick des Herzens, der Rücken, die vordere Bauchwand und das Kleinhirn und die Blase zum Beispiel dargestellt werden sollen."

    Die meisten niedergelassenen Frauenärzte könnten die Untersuchung heute schon machen, einige müssen sich noch weiterbilden. Sind genügend Ärzte qualifiziert, tritt die neue Mutterschaftsrichtlinie in Kraft – wahrscheinlich im Sommer 2012. Das sei ein Schritt in die richtige Richtung, sagt auch Ulrich Gembruch, Direktor der Abteilung für Geburtsmedizin am Universitätsklinikum Bonn. Noch besser wäre es allerdings, wenn die Frauen von vorneherein eine Feindiagnostik beim Spezialisten in Anspruch nehmen.

    "Optimal wäre, wenn jede Frau die Option hätte, eine detaillierte Organdiagnostik in der 20. Woche durchführen zu lassen, weil dann natürlich auch bei entsprechendem Aufklären, diese Zielsetzung, Entdeckung von Fehlbildung, die man besser behandeln kann, die man im Mutterleib behandeln kann oder bei Geburt dann auch besser betreuen kann, erreicht wird in einer noch höheren Zahl, als wir es bisher haben."

    Herzfehler zum Beispiel seien besonders schwer zu entdecken, sagt Ute Germer.

    "Der große Fortschritt würde sich ergeben, wenn man nicht nur die vier Kammern im Herzen darstellen würde, sondern auch die Haupt- und die Lungenschlagader, weil, das sind gerade die sensiblen Stellen, wo nach der Geburt unter Umständen eben die Durchblutung von den Körperorganen oder die Lunge nicht mehr gewährleistet ist, wenn diese Schlagadern ein Problem haben, also zu klein sind. Das könnte man pränatal diagnostizieren, aber das erfordert wesentlich höhere Kompetenz von dem Untersucher, als es der niedergelassene Frauenarzt bieten könnte."

    Doch es bleibt dabei: Für eine Feindiagnostik brauchen Schwangere eine Überweisung von ihrem Frauenarzt. Natürlich können sie auch ohne Überweisung zum Spezialisten gehen. Die Kosten von 300 Euro müssen sie aber aus eigener Tasche zahlen.