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Umdenken in der Union
Lesben und Schwule gründen CSU-Landesverband

Patrick Slapal ist das neue Gesicht der Homosexuellen in der CSU und gründete vor zwei Monaten einen Landesverband. Ausgerechnet die CSU, mögen jetzt viele sagen. Laptop, Lederhosen – und Lesben-Hochzeit? Slapal hofft auf "den Befreiungsschlag bei denjenigen, die konservatives Denken missverstehen".

Von Burkhard Schäfers | 22.06.2017
    Die Parade am Christopher Street Day 2017 in München.
    Schwule und Lesben sprechen sich nicht nur beim CSD in München, sondern auch im neuen CSU-Landesverband gegen Diskriminierung aus. (imago / Future Image)
    Es ist genau 30 Jahre her, dass homosexuelle Aktivisten dem CSU-Politiker Peter Gauweiler eine "Hatz" auf Schwule vorwarfen. Gauweiler, später Bundestagsabgeordneter und stellvertretender Parteivorsitzender, forderte im Kampf gegen AIDS Zwangstests für Drogenabhängige und angehende Beamte.
    In der CSU stand er mit seiner ablehnenden Haltung gegenüber Homosexuellen nicht allein. Heute aber sei das anders, sagt CSU-Mitglied Patrick Slapal: "Die CSU ist schon weitergekommen in den letzten 30 Jahren. Ich glaube, es ist dort angekommen, dass ein Kampf gegen Homosexuelle negativ auf die CSU zurückschlägt. Und deswegen wäre es auch richtig, wenn sich die CSU irgendwann distanziert von den Aussagen von Gauweiler, von früheren Aussagen gegenüber Homosexuellen."
    Union im Grundsatzprogramm gegen Diskriminierung
    Der 29-Jährige ist so etwas wie das neue Gesicht der Homosexuellen in der CSU. Gemeinsam mit 40 anderen hat er vor zwei Monaten den Landesverband der Lesben und Schwulen in der CSU gegründet: "Die Partei, die sich jetzt selbst ins Grundsatzprogramm den Satz gesetzt hat, dass sie gegen Diskriminierung ist, muss das auch vorantreiben durch Aufklärung. Das darf nicht als Nebenthema untergehen. Insgesamt ist die CSU als Regierungspartei in der Pflicht zu sagen, dass Minderheiten geschützt gehören."
    Nicht verlebenspartnert, sondern verheiratet
    Mit der Gründung des Landesverbandes wünscht sich Slapal ein Umdenken in der Union und Gesellschaft: "Mir ist vor allem wichtig, dass wenn ich Kinder adoptiere, dass das dann als Familie akzeptiert ist. Eine Familie ist für mich – egal ob's alleinerziehend ist oder ob's gleichgeschlechtliche Paare sind oder heterosexuelle Paare, die erziehen. An dem Wort Ehe hängt mein Herz nicht, mein Herz hängt daran, dass eine Gleichheit dargestellt wird. Dass man nicht sagt, man ist verlebenspartnert, sondern man ist verheiratet, man steckt sich ja keinen Lebenspartnerschaftsring an, sondern einen Ehering."
    'Ehe für alle' – die Wendung ist zum politischen Kampfbegriff geworden. Grüne, SPD und FDP wollen sie. Nähert sich die CSU nun den anderen Parteien an, um nach der Bundestagswahl in alle Richtungen koalitionsfähig zu sein? Wenn, dann würde es langsam Zeit für Lockerungsübungen. Die Grünen haben am Wochenende gerade beschlossen, sie würden keine Koalition ohne 'Ehe für Alle' eingehen. Und der Vorsitzende des CSU-Verbands der Lesben und Schwulen fordert gar eine Verfassungsänderung: "Es gehört auch ins Grundgesetz, dass Lebenspartnerschaften – die für mich persönlich trotzdem Ehen sind – ebenso geschützt werden."
    "Herkömmliche Ehe dennoch unantastbar"
    In der Parteizentrale treten sie angesichts solcher Forderungen erst mal auf die Bremse. Das aktuelle Grundsatzprogramm der CSU, verabschiedet vor gut einem halben Jahr, geht ohnehin schon weiter als die Vorherigen. Erstmals heißt es darin, die Partei lehne jegliche Form der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ab.
    Fragt man Markus Blume, den stellvertretenden CSU-Generalsekretär und Chef der CSU-Grundsatzkommission, wird aber rasch klar: Aus seiner Sicht ist die herkömmliche Ehe unantastbar – und eine Koalition mit den Grünen in weiter Ferne: "Es gibt doch überhaupt keinen Grund, jetzt das eine, was eine eigene Tradition hat, nämlich die Ehe von Mann und Frau, zu schleifen und zu relativieren. Sondern zu sagen: Heute in unserer Gesellschaft gibt es unterschiedlichste Lebensformen, und wir wollen nichts zurücksetzen und schaffen deswegen dafür ein eigenes Institut. Das ist der richtige Weg, und da sehen wir auch keinen Handlungsbedarf."
    Noch sei alles offen
    Über den neuen Verband der Lesben und Schwulen in der CSU sagt Blume das, was ein stellvertretender Generalsekretär halt so sagt, wenn er einerseits die innerparteiliche Demokratie hochhalten soll und andererseits rote Linien vertreten: "In der CSU darf jeder seine Position einbringen, wir freuen uns über jeden, der sich engagiert, es gibt keine Tabus." Der Zusammenschluss der Lesben und Schwulen in der CSU strebt die offizielle Anerkennung als Arbeitskreis der Partei an – da allerdings sollten sie sich nicht zu früh freuen.
    "Ich sehe dafür im Moment keine Notwendigkeit, zumal wir noch nicht einmal Gespräche miteinander geführt haben. Dafür sind wir offen. Die Möglichkeiten der Mitwirkung in der CSU als Mitmachpartei sind unglaublich vielfältig. Vor dem Hintergrund sehe ich auf der einen Seite keinen Modernisierungsbedarf, aber ich sehe umgekehrt auch gar keine Diskussionsverbote", sagt Blume.
    In den Großstädten, unter CSU-Bundestagsabgeordneten und unter Münchner CSU-Stadträten, hat die neue Gruppierung Unterstützer. Deutlich schwieriger dürfte die Akzeptanz in kleinen Ortsverbänden auf dem Land werden.
    Aber Patrick Slapal ist Optimist: "Wenn man zeigt: Wir sind gar nicht so schlimm, natürlich auch mit einem Augenzwinkern, umso mehr Leute werden dann auch überzeugt. Es ist ja eine Überzeugungsarbeit, die seit 30 Jahren abläuft. Jetzt fehlt die letzte Bastion, das sind diejenigen, die noch konservativ verankert sind. Und wenn wir da gemeinsam zusammenstehen, tut es allen gut, die für Gleichstellung stehen."