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Umgang mit Medizindaten
Von elektronischer Patientenkarte bis zur digitalen Selbstvermessung

Das digitale Datenvolumen verdoppelt sich etwa alle zwei Jahre. Auch immer mehr Ärzte, Forscher und Firmen im Gesundheitsbereich arbeiten mit großen Datenmengen, die Patienten teilweise selbst generieren. Über die ethischen und rechtlichen Herausforderungen von Big Data haben Experten nun bei der Jahrestagung des Ethikrates diskutiert.

Von Jennifer Rieger | 26.05.2015
    Selbstvermessung im Praxistest: die Daten von 9 Uhr
    Immer mehr Patienten betreiben Selbstvermessung. (Deutschlandradio Kultur)
    Auch im medizinischen Bereich hält die Digitalisierung Einzug, sagt Klaus Mainzer, Professor für Philosophie und Wissenschaftstheorie an der Technischen Universität München:
    "Wir kennen das alle aus der ärztlichen Praxis, der Mediziner oder die Medizinerin sitzen dann in der Regel am Computer, während sie mit uns Patienten sprechen und halten die Daten fest und dann kommen noch die Krankenhausdaten dazu und, und, und, das heißt es entsteht im Laufe der Zeit ein Profil von uns, das natürlich sehr hilfreich ist, die Daten können auch sofort zur Verfügung stehen, wenn uns irgendwas passiert."
    Doch nicht nur die Behandlungsdaten einzelner Patienten und die Ergebnisse klinischer Studien tragen bei zur Datenflut – inzwischen generieren Patienten auch selbst gesundheitliche Daten. Mit der Hilfe mobiler Apps oder sogenannter Wearables - digitalen Geräten, die die Nutzer am Körper tragen - können sie genau aufzeichnen, wie sie sich verhalten, was sie essen, wie viel Sport sie treiben und wie tief sie schlafen. Und auch wer seine Grippesymptome googelt, hinterlässt Hinweise auf seinen gesundheitlichen Zustand im Netz.
    Enormes Potenzial für die Wissenschaft
    Big Data, das steht für diese riesigen heterogenen Datenmengen – und den Umgang mit ihnen. Für die medizinische Forschung birgt Big Data enormes Potenzial, erläutert Epidemiologe Henry Völzke von der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald.
    "Wir können umfangreiche Daten nutzen, um neue Assoziationen zu identifizieren, unbekannte von Medikamenten zu entdecken und diese Erkenntnisse gehen unmittelbar in die Versorgung rein und nutzen Patienten und der Gesellschaft und dazu brauchen wir teilweise tatsächlich sehr umfangreiche Daten um solche Erkenntnisse zu generieren."
    Und auch einzelne Patienten können von mehr Vernetzung unterschiedlicher Datenquellen profitieren. Zu diesem Zweck wurde am 1. Januar 2015 in Deutschland die elektronische Gesundheitskarte eingeführt. Sie erleichtert den Austausch von Daten, wenn Patienten von mehreren Ärzten behandelt werden.
    Die zentrale Speicherung von Gesundheitsdaten ist aber auch riskant. Vor dem Hintergrund der NSA-Spähaffäre und Hacker-Attacken auf Fernsehsender, Regierungen und Unternehmen stellt sich die Frage: Wie sicher sind meine Daten? Denn, so Thomas Heinemann, Mitglied des Deutschen Ethikrates:
    "Gesundheitsdaten sind immer sensible Daten, schon allein aus dem Grund, weil über solche Daten Nachteile,// möglicherweise Diskriminierungen erfahren werden können. Also das heißt Gesundheitsdaten müssen ganz besonders geschützt sein und selbstverständlich muss der Patient auch wissen und in gewisser Weise kontrollieren können, was mit seinen Daten passiert, wo die gelagert sind und wer damit umgeht."
    Angst vor Big Data
    Arbeitgeber, Versicherungen – viele könnten Interesse am gesundheitlichen Zustand eines potenziellen zukünftigen Angestellten oder Versicherungsnehmers haben. Als Erstes europäisches Unternehmen bietet die Generali-Versicherung Kunden niedrigere Beiträge, wenn sie regelmäßig per App Daten über ihren Lebensstil preisgeben. Die Teilnahme an dem Programm ist zwar freiwillig, trotzdem ruft sie Ängste vor übermäßiger Kontrolle wach.
    Ängste, die aber häufig übertrieben werden, meint Henry Völzke:
    "Bei diesem Thema Big Data und Datamining wird oft über die potenziellen Gefahren gesprochen, // aber mir ist kein einziger Fall bekannt, wo wirklich Datenmissbrauch betrieben wurde. Aber das muss man natürlich auch realistisch sagen, es gibt keine 100-prozentige Sicherheit. Nur, das ist mein Credo dabei, der Missbrauch, der muss bestraft werden. Und zwar konsequent."
    Bisher ist der Umgang mit Datenmissbrauch juristisch noch nicht umfassend geregelt. Rechtlich und ethisch stellt Big Data die Medizin vor neue Herausforderungen.