Dienstag, 23. April 2024

Archiv

Umgang mit Pegida
"Demonstrativer Schlingerkurs der SPD"

Grünen-Innenpolitiker Volker Beck wirft den Sozialdemokraten einen Schlingerkurs gegenüber Pegida vor. "Erstaunlich" sei es, dass Parteichef Gabriel die Bewegung demonstrativ aufwerte, seine Generalsekretärin zugleich jeden Dialog ablehne, so Beck im DLF. Er plädiert für "klare Kante" gegen Pegida.

Volker Beck im Gespräch mit Silvia Engels | 24.01.2015
    Der Grünen-Innenpolitiker Volker Beck.
    Der Grünen-Innenpolitiker Volker Beck. (Imago / Sven Simon)
    Silvia Engels: Am Telefon ist nun Volker Beck, innenpolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, guten Tag, Herr Beck!
    Volker Beck: Guten Tag!
    Engels: SPD-Chef Gabriel nimmt also in der Landeszentrale für politische Bildung an einer Diskussion mit Pegida-Anhängern teil, als Privatmann, wie er sagt. Eine gute Idee?
    Beck: Ich finde es erstaunlich, dass er als Vizekanzler diese demonstrative Aufwertung von Pegida macht, ich hab nichts dagegen, wenn Politiker in Dresden wie in anderen Städten jeden Tag an Diskussionen teilnehmen, aber ich würde es schon vermeiden, Pegida hier politisch aufzuwerten, und wundere mich ein bisschen angesichts der Aussagen seiner Generalsekretärin über den demonstrativen Schlingerkurs der SPD in dieser Frage.
    Engels: Generalsekretärin Fahimi, die Sie ansprechen, hat eher dazu aufgefordert, hier die Debatte beziehungsweise den Dialog zu meiden. Gabriel begründet das ja so, dass er sich abgrenzen will von den Organisatoren von Pegida, aber, ich zitiere: "Mit den Menschen, die dort hingehen und die verärgert sind über die Politik, müsse man natürlich reden." Ist da nicht was dran?
    Beck: Natürlich muss man mit den Menschen reden, zumal man hier jemandem auch auf der Straße oder in einer Veranstaltung nicht ansieht, dass er auf so eine Demonstration geht. Also ich diskutiere jeden Tag – ohne dass ich da jetzt eine Tugend draus mache demonstrativ – auf Twitter, auf Facebook auch mit vielen Leuten, die aus dieser Ecke kommen. Man muss natürlich in der Öffentlichkeit als Politiker sich mit diesen Argumenten auseinandersetzen, aber man sollte Pegida als Diskussionspartner politisch nicht aufwerten, weil das ist pures Ressentiment, da geht es nicht um Sorgen oder um politische Vorschläge, sondern es geht um dumpfes Ressentiment gegen Minderheiten, gegen Migranten, gegen Flüchtlinge, zum Teil auch gegen Juden, wie wir in Leipzig bei Legida gesehen haben. Das darf man jetzt nicht als Diskussionspartner in der demokratischen Gesellschaft aufwerten.
    "Keinen Dialog mit Judenhass oder Muslimhass oder Ausländerhass"
    Engels: Welchen Umgang mit Pegida schlagen Sie denn vor?
    Beck: Ich denke, man muss sich eben mit den Argumenten auseinandersetzen und gegenüber Ressentiments klare Kante zeigen. Es gibt keinen Dialog mit Judenhass oder Muslimhass oder Ausländerhass.
    Engels: Auf der anderen Seite, Sie sagen selbst, in sozialen Medien sind Sie auch mit Sympathisanten von Pegida im Gespräch, aber wenn man die Ablehnung recht weit fasst, ist das dann nicht genau die Bedienung der Politikverdrossenheit, die die Pegida-Sympathisanten ja immer bemängeln?
    Beck: Es ist ja die Frage, ob man solche Haltungen als Diskussionspartner akzeptiert oder ob man einfach auf dumme Argumente mit einem vernünftigeren Argument oder mit einer klaren Kante antwortet. Natürlich können Politiker nicht schweigen, das ist ja auch nicht gerade ihr Job, sondern sie müssen sich mit den Vorteilen auseinandersetzen, sie müssen antworten. Aber was ich gar nicht aushalten kann, ist dieses, so zu tun, als ob wir die Sorgen, die gar keine Sorgen, sondern Hass und Ablehnung sind, ernst nehmen würden, als ob das eine Haltung wäre, die akzeptabel ist.
    "Wir gehen nicht zu denen hin"
    Engels: Die SPD-Spitze ist sich ja offenbar uneins im Umgang mit Pegida, wie ist das bei Ihrer Partei, den Grünen?
    Beck: Wir haben da gesagt, also wir werden diese Leute nicht aufwerten, sondern wir werden gegen sie demonstrieren, aber natürlich stellen wir uns überall, wo sich die Gelegenheit bietet, Diskussionen. Aber wir gehen nicht zu denen hin, sondern wir reden mit allen Menschen – das tun wir in Dresden, in Leipzig, in Köln, Düsseldorf gleichermaßen.
    Engels: Das heißt, wenn ein Grünen-Fraktionschef oder ein Parteichef eingeladen werden würde in die Landeszentrale in Dresden, würden Sie empfehlen, dort nicht hinzugehen.
    Beck: Also ich würde nicht mit Pegida-Vertretern als Diskussionspartner versuchen, Veranstaltungen zu machen, aber ich würde jetzt auch nicht sozusagen eine Veranstaltung deshalb explizit meiden, aber das demonstrative Aufwerten von denen sollte man nach Möglichkeit unterlassen.
    Engels: Dann schauen wir noch einmal auf die besondere Rolle, die ja Sigmar Gabriel nun einmal auch als Vizekanzler spielt. Es gibt eine Stimme von Aiman Mazyek, dem Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime – er hatte vor dem Bekanntwerden dieses Auftritts von Gabriel dem Portal "Focus online" gesagt, Zitat: "Pegida führt dazu, dass die Hemmschwelle, Muslime zu diskriminieren und anzugreifen, bei vielen sinkt.", Zitat Ende. Muss sich jetzt Gabriel auch den Vorwurf gefallen lassen, durch diese Aufwertung von Pegida solche Entwicklungen noch zu fördern?
    Beck: Das kann man Herrn Gabriel nicht vorwerfen, das ist ja auch nicht seine Intention, sondern man sollte natürlich eben deshalb die antidemokratischen Haltungen von Pegida nicht aufwerten, weil sie einfach Ressentiments gegen Migranten und Muslime beinhalten. Aber wenn jemand mit denen diskutiert, um sich mit ihnen zu streiten oder um insbesondere ihnen Anhänger abspenstig zu machen, um sie für die demokratische Gesellschaft zu gewinnen. Dann kann man sie nicht verantwortlich machen für die Ressentiments seiner Diskussionsgegner.
    "Die AfD versteht sich als parlamentarischer Arm von Pegida"
    Engels: Dann werfen wir einen Blick in die Zukunft: Glauben Sie, die Bewegung Pegida wird uns länger beschäftigen, oder erwarten Sie, dass sich diese Bewegung totläuft?
    Beck: Diese Bewegung hat ja eigentlich kein konkretes Ziel. Wenn man mal die Positionspapiere von denen anschaut, dann fordern sie entweder die Einhaltung der Gesetze oder ähnliche Plattitüden und wissen eigentlich nicht, wo sie politisch längs wollen. Ansonsten enthalten diese Papiere Unterstellungen gegenüber der Politik, gegenüber der Justiz, gegenüber den Medien, die so nicht stimmen. Deshalb kann diese Bewegung letztendlich keine Erfolge haben, an denen sie sich weiterentwickelt, und deshalb glaube ich nicht, dass die uns ewig erhalten bleibt. Aber es gibt natürlich eine Partei in dem Raum, die sich auch als parlamentarischer Arm von Pegida versteht, das ist die AfD, die mittlerweile ja ganz runter ist von ihrem Anti-Euro-Kurs, mit dem sie sich mal demokratisch bemäntelt hat, und jetzt auf Ressentiments setzt. Und deshalb müssen wir natürlich die Diskussion auch bundesweit über diese Haltungen führen und zeigen, dass ein zukunftsfähiges Deutschland ein Einwanderungsrecht braucht, das modern ist und eine Willkommenskultur beinhaltet und das nicht rassistisch ablehnend gegenüber Zuwanderern und Flüchtlingen agiert.
    Engels: Volker Beck, innenpolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, vielen Dank für Ihre Zeit!
    Beck: Bitte schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.