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Umschulen im Universum

Raumfahrt. - Die US-Sonnenmission Themis ist in die Jahre gekommen. Zweien der fünf Flugkörper droht auf ihrer bisherigen Flugbahn der Strom auszugehen. Daher will die US-Raumfahrtagentur Nasa die beiden Sonden in Richtung Mond dirigieren.

Von Guido Meyer | 06.08.2010
    Es waren einmal fünf Raumsonden. Themis nannte sich dieser Schwarm kosmischer Beobachter. Sie wurden einerseits nach der griechischen Göttin für Gerechtigkeit und Ordnung, Themis, benannt; ihr Name steht abgekürzt aber auch für "Time History of Events and Macroscale Interactions during Substroms". Zu beobachten, wie Eruptionen auf der Sonne das Erdmagnetfeld beeinflussen, zum Beispiel durch die Bildung von Polarlichtern – das war die Aufgabe der fünf Sonden. Und das ist sie noch, auch mehr als drei Jahre nach dem Start, im Februar 2007.

    "Die fünf Themis-Satelliten sind auf einer Linie zwischen Erde und Sonne aufgereiht. So wie Meteorologen mit Hilfe von Bojen im Wasser Wellenbewegungen bestimmen, können wir so die Ausbreitung der Sonnenenergie verfolgen."

    Vassilis Angelopoulos von der Universität zu Berkeley in Kalifornien ist der Chef-Wissenschaftler der Themis-Mission. Diese hat ihre geplante zweijährige Betriebszeit mittlerweile überschritten. Die fünf Sonden funktionieren zwar weiter, doch in wenigen Wochen wären die ersten beiden ausgefallen, wie David Sibeck erläutert, Projekt-Wissenschaftler von Themis am Goddard-Raumfahrtzentrum der amerikanischen Weltraumbehörde Nasa in Greenbelt im US-Bundesstaat Maryland.

    "Ursprünglich hatten alle fünf Sonden die Erde umkreist, in unterschiedlichen Entfernungen. Nach mehr als drei Jahren im Weltraum stellten wir jedoch fest, dass die beiden äußersten mittlerweile in einem solch unglücklichen Winkel flogen, dass sie sich bald für längere Zeit hinter der Erde, im Erdschatten, aufgehalten hätten. Da ihre Solarkollektoren auf Sonnenlicht angewiesen sind, bestand die Gefahr, dass sie einfrieren, ihre Energie komplett verlieren, beim Wiederaustritt aus dem Erdschatten nicht wieder anspringen und zum Totalverlust werden. Was also tun?"

    Eine Möglichkeit wäre gewesen, die beiden Kandidaten näher an die Erde heranzubringen. Je tiefer sie fliegen, desto schneller rasen sie um die Erde und desto kürzer halten sie sich im Erdschatten auf. Zwei bis vier Stunden reichen bei diesen empfindlichen Sonden bereits aus, um sie "kaltzustellen". Bei einem solchen Manöver wäre jedoch viel Treibstoff verbraucht worden, da die Sonden zunächst Richtung Erde hätten fliegen und dann wieder abbremsen müssen, um nicht auf die Erde zu stürzen. Sibeck:

    "Also haben wir uns entschlossen, sie stattdessen zum Mond zu schicken. Das ist etwas, für das sie nie vorgesehen waren. Die beiden äußersten Sonden befinden sich an einer Stelle im Weltraum, die etwa ein Drittel beziehungsweise die Hälfte der Strecke zum Mond ausmacht. Wir haben ihnen sozusagen ein paar Stöße gegeben. Ihre Triebwerke haben mehrmals kurz gezündet und ihren erdfernsten Punkt dabei immer weiter hinaus verschoben, bis der Mond sie eingefangen hat."

    Dabei sind die Sonden jedoch zunächst über ihr Ziel hinausgeschossen, wurden von der Anziehungskraft des Mondes wieder zurückgeholt, flogen dann in der anderen Richtung an ihm vorbei, und wieder zurück – dieses Hin- und Herschwingen dauert so lange, bis der Mond sie endgültig abbremst und in eine Umlaufbahn zwängt, was in diesen Tagen geschieht. Dann beginnt für die beiden Sonden eine neue Aufgabe: Mond- statt Sonnenbeobachtung.
    "Wir haben zwar keine Kameras an Bord, aber ein ganzes Sammelsurium an Instrumenten. Die Sonden sollen magnetische Felder im Gestein des Mondes untersuchen, die radioaktive Strahlung auf seiner Oberfläche und die sehr dünne Atmosphäre des Mondes. Das wird zwar alles nicht zum ersten Mal gemacht, aber wir werden solche Messungen erstmals parallel mit zwei Sonden in verschiedenen Abständen von der Mondoberfläche anstellen. So können wir feststellen, wie sich die jeweilige Strahlung mit zunehmendem Abstand vom Mond verändert."

    Auch Deutschland ist an Bord der fünf baugleichen Sonden vertreten: Die Magnetometer zur Messung der magnetischen Felder hat die Technische Universität Braunschweig zum Projekt Themis beigesteuert. Während die verbliebenen drei Sonden weiterhin die Sonne beobachten, hat die Nasa Ende Juli zunächst für zwei Jahre die Finanzierung der Mond-Nachfolgemission genehmigt – Verlängerung nicht ausgeschlossen.