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Umstrittene Äußerungen zu Chemnitz
Maaßen legt Bericht vor

Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen hat der Bundesregierung heute einen Bericht zu den Vorgängen in Chemnitz übermittelt. Die Inhalte sind noch nicht bekannt. Am Mittwoch soll er auch dem Parlamentarischen Kontrollgremium und dem Innenausschuss des Bundestages Rede und Antwort stehen.

Von Gudula Geuther | 10.09.2018
    Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz
    Der Druck auf Verfassungsschutzpräsident Maaßen wächst (dpa)
    Zuerst hatte die SPD dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz ein Ultimatum gesetzt. In dieser Woche müsse Hans Georg Maaßen Belege vorgelegen, warum er Presseberichte und ein Video zu den Vorfällen in Chemnitz in Zweifel zieht. Gestern Abend zog Maaßens Dienstherr Horst Seehofer in der ARD nach:
    "Er hat bis morgen einen Bericht an das Bundesinnenministerium zu erstatten."
    Bis heute also. Wie weit die Inhalte dann bekannt gegeben werden, ist offen. Die Erwartungen sind hoch. Auch in der CDU. Könnte der Leiter des Inlandsnachrichtendienstes seine Aussagen nicht belegen, wäre das ein gravierender Vorgang, urteilt die Generalsekretärin der Christdemokraten Annegret Kramp-Karrenbauer gegenüber der Welt:
    "Denn der Chef einer Sicherheitsbehörde, der mit einer Deutung an die Öffentlichkeit geht und im Nachhinein dann einräumen muss, dass diese Deutung keine faktenbasierte Unterlage hat, das ist durchaus ein gravierender Vorgang. Und ich gehe davon aus, dass der Bundesinnenminister das entsprechend kritisch dann auch mit dem Chef der nachgeordneten Behörde besprechen wird. Und alles weitere wird man dann sehen."
    Opposition fordert Rücktritt Maaßens
    Die Linkspartei geht einen Schritt weiter. Ihr Fraktionsvorsitzender Dietmar Bartsch formuliert seine Rücktrittsforderung bedingt.
    "Nach meiner heutigen Einschätzung und wenn dort nicht gravierend neue Erkenntnisse vorliegen, kann Herr Maaßen im Amt nicht verbleiben. Die Kanzlerin ist gefordert."
    Dagegen hatte sich Bundesinnenminister Horst Seehofer noch am Abend verhalten hinter Maaßen gestellt. Der genieße sein uneingeschränktes Vertrauen betonte er auf Nachfrage, aber auch:
    "Die Verantwortung für Formulierungen und seine Thesen bleibt natürlich bei ihm."
    Dass er seine Zweifel öffentlich machen wollte, hatte Maaßen aber demnach abgestimmt.
    Wenn solche Zweifel vorhanden sind, darf man diese Meinung als Minister nicht unterdrücken.
    Neue Argumentationslehre der von Unionspolitikern
    Politiker von CDU und CSU verteidigen Maaßen derweil mit einer neuen Argumentationslinie. Maaßen hatte am Freitag gegenüber der Bild-Zeitung ein von einer linken Gruppe verbreitetes Video angezweifelt, das zeigt, wie Menschen angegriffen werden. Der CDU-Innenpolitiker Philipp Amthor interpretiert das im Morgenmagazin von ARD und ZDF nun so:
    "Herr Maaßen hat daran Anstoß genommen, dass diese linke Gruppe dieses Video verbreitet hat, mit dem Stichwort ‚Menschenjagd‘ überschrieben hat. Und das Video an sich diese Menschenjagd nicht belegt."
    Diese Interpretation freilich ist kaum mit dem Wortlaut der Maaßen-Äußerungen zu vereinbaren. Er hatte Medienberichte angezweifelt, über gezielte Falschinformationen gemutmaßt und wörtlich gesagt: "Es liegen keine Belege dafür vor, dass das im Internet kursierende Video zu diesem angeblichen Vorfall authentisch ist." Zitat Ende. Im Deutschlandfunk findet dafür auch der CSU-Innenpolitiker Michael Kuffer die Deutung:
    "Er hat das so gemeint, dass das Video im Sinne des Titels authentisch ist. Das heißt, dass das, was der Titel, der vorangestellt worden ist, Menschenjagd oder Hetzjagd in Chemnitz, nachher auch im Video gezeigt wird."
    Die Grüne Katrin Göring-Eckart hat weniger Verständnis:
    "Was Herr Maaßen macht, das kennen wir normalerweise von Rechtsradikalen. Nämlich irgendwas raushauen, es dann relativieren und dann nochmal relativieren."
    FDP-Chef Christian Lindner will vor einer Bewertung Maaßens Aussagen abwarten. Sein Urteil über das Gebaren der Bundesregierung steht dagegen. Es sei "nicht Ausdruck eines Regierungshandelns, das Vertrauen weckt."
    Und nach scharfer Kritik an Maaßen durch die SPD sieht FDP-Vize Wolfgang Kubicki auch die Genossen in der Pflicht: Wer dicke Backen mache, müsse auch die Konsequenzen ziehen und sagen: Entweder Horst Seehofer oder die SPD verlässt das Kabinett. Am Mittwoch soll Maaßen auch dem Parlamentarischen Kontrollgremium und in einer Sondersitzung des Innenausschuss des Bundestages Rede und Antwort stehen.