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Umstrittene Justizreform
Polen trotzt der EU

Gerade erst hat die EU-Kommission ein Sanktionsverfahren gegen Polen wegen dessen umstrittener Justizreform eingeleitet, da schafft das Land neue Fakten: Staatspräsident Duda unterzeichnete zwei Gesetze und setzte damit die letzten Teile der Reform in Kraft.

20.12.2017
    Duda steht an einem Rednerpult mit dem polnischen Adler und spricht. Hinter ihm vier polnische Flaggen vor einem blauen Vorhang.
    Polens Präsident Duda gibt in Prag die Unterzeichnung der Gesetze bekannt. (PAP)
    Duda unterzeichne die Gesetze in Warschau. Sie führen dazu, dass der Oberste Gerichtshof und der Nationale Justizrat, der für die Auswahl von Richtern zuständig ist, künftig von der Politik kontrolliert werden.
    Zuvor hatte die Europäische Kommission ein Sanktionsverfahren gegen das Land eingeleitet. Vize-Kommissionpräsident Timmermans sagte in Brüssel, die polnische Regierung habe in den vergangenen beiden Jahren insgesamt 13 Gesetze verabschiedet, die eine ernsthafte Gefahr für die Unabhängigkeit der Justiz darstellten. Er schrieb dazu auf Twitter, Artikel 7 der EU-Verträg sei schweren Herzens aktiviert worden. Doch die Fakten ließen der Kommission keine andere Wahl. Es gehe nicht nur um Polen, sondern um die EU als Ganzes.
    Der Schritt gilt als schärfste Maßregelung eines Mitgliedsstaates und erfolgt zum ersten Mal in der Geschichte der Europäischen Union. Am Ende könnte der Entzug von Stimmrechten stehen. Allerdings können Sanktionen nur verhängt werden, wenn der Beschluss einstimmig erfolgt. Ungarn hatte im Vorfeld bereits angekündigt, sein Veto einzulegen.
    Die EU-Kommission verklagte Polen zudem in einem laufenden Vertragsverletzungsverfahren zur Justizreform nun vor dem Europäischen Gerichtshof.
    Polens Regierung verteidigt Reform
    Der polnische Ministerpräsident Morawiecki verteidigte den Umbau der Justiz in seinem Land. Die entsprechenden Reformen seien notwendig, erklärte Morawiecki über Twitter.
    Zugleich kündigte die Regierung in Warschau an, im Januar Gespräche mit der EU über die Rechtsstaatlichkeit in Polen führen zu wollen. Die polnische Regierungspartei PiS bezeichnete die Einleitung eines Verfahrens nach Artikel 7 der EU-Verträge als politisch motiviert.
    Das Außenministerium in Warschau betonte, man werde vor dem Europäischen Gerichtshof für die eigene Position kämpfen. Polen sei aber auch weiterhin zu Gesprächen mit der EU bereit.
    Ungarn bezeichnet Vorgehen der Kommission als "inakzeptabel"
    Ungarns stellvertretender Regierungschef Zsolt Semjen sagte nach der Ankündigung der EU-Kommission laut Nachrichtenagentur MIT, deren Vorgehen gegen Polen sei inakzeptabel und verletze die Unabhängigkeit des Landes. Daher werde Ungarn im Europäischen Rat sein Veto gegen den Beschluss einlegen und Polen verteidigen.
    EU-Ratspräsident Tusk rief dazu auf, die Reputation Polens in der EU nicht weiter zu schwächen. Der Sprecher der Bundesregierung, Seibert, hatte bereits zuvor angekündigt, Deutschland unterstütze die Maßnahme. Die Europaabgeordnete Sippel hält das Verfahren nach Artikel 7 für geeignet, Polen darauf hinzuweisen, dass es europäische Werte verletzt. Es gehe nicht darum, ein Land an den Pranger zu stellen, sagte die SPD-Politikerin im Deutschlandfunk.
    (mg/vic)