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Umstrittene Personalie
Wird Sigmar Gabriel Chef-Lobbyist der Auto-Industrie?

Kaum zwei Jahre war Deutschlands oberster Auto-Lobbyist, Bernhard Mattes, im Amt, als er Mitte September überraschend als Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) zurücktrat. Seitdem kocht die Gerüchteküche, wer sein Nachfolger werden könnte. Nun auch im Gespräch: Sigmar Gabriel.

Von Nadine Lindner | 28.10.2019
Sigmar Gabriel spricht auf einer Parteikonferenz und hebt den Zeigefinger.
Sigmar Gabriel, ehemaliger SPD-Vorsitzender (dpa/Friso Gentsch)
Bislang ist es nur Geraune, eine Entscheidung zur neuen VDA-Spitze gibt es noch nicht: Sigmar Gabriel, der ehemalige SPD-Chef zählt zu den aussichtsreichsten Kandidaten. Für einige Automanager ist er sogar der Wunschkandidat, so die Süddeutsche Zeitung. Der Grund: Gabriel war Umweltminister und Wirtschaftsminister in der Großen Koalition. Er kennt die Strippenzieher in Berlin und Brüssel. Zudem kommt Gabriel aus Niedersachsen, aus dieser Zeit hat er enge Kontakte zu VW.
2016 sagte Gabriel in der ZDF-Sendung Maybritt Illner zur Zukunft der Automobilbranche:
"Was die Politik nicht machen kann ist, sich immer hehre Klimaschutzziele zu setzen und nicht eine Sekunde darüber nachzudenken, wie die Facharbeiter in der Automobilindustrie, im Maschinenbau, in der Elektrotechnik morgen noch Einkommen haben. Das finde ich unfair."
Gabriel hat die Gerüchte weder bestätigt noch dementiert.
Anforderungen, die auch andere erfüllen
Der Ex-SPD-Chef ist jedoch nicht allein im Bewerberfeld. Die CDU-Politikerin Hildegard Müller hat ebenfalls einen interessanten Lebenslauf. Sie war von 2005 bis 2008 Kanzleramtsministerin und ist nun im Vorstand des Energiekonzern Innogy. Sie bringt also neben den politischen Kontakten auch Kenntnisse in der wichtigen Energieindustrie mit, die in Zeiten der aufkommenden Elektromobilität wichtig sein könnten.
Die Entscheidung könnte am 7. November, bei der nächsten Vorstandssitzung des VDA fallen. Es gibt mehrere Anforderungen an die neue VDA-Spitze so Experte Stefan Bratzel von der Fachhochschule Bergisch Gladbach, man müsse "tief vernetzt sein mit der Politik in Deutschland und in Europa, um zu wissen, welche gesetzlichen Regelungen sind denn in den nächsten Jahren zu erwarten. Er muss aber auch die Position der deutschen Automobilindustrie und deren Interessen glaubhaft den politischen Akteuren vermitteln können"
Die mangelnde politische Vernetzung war dem scheidenden VDA-Chef Bernhard Mattes vorgeworfen worden.
Der Job an der Spitze des VDA könnte mindestens so anstrengend werden wie an der Spitze der SPD, denn die Branche ist in schwerem Fahrwasser. Die Entwicklungen hin zur Elektromobilität fordern bereits erste Entlassungen bei Herstellern und Zulieferern, die Binnenkonjunktur lahmt. Zusätzlich belasten der unklare Brexit und der Zollstreit mit den USA den Absatz.
Von Fürsprechern und Skeptikern
Die Reaktionen auf den möglichen neuen Job von Gabriel fallen kontrovers aus. Auch in den eigenen Reihen. Norbert Walter-Borjans, Kandidat für den SPD-Vorsitz sagte der Bild-Zeitung, dass er mit innerparteilicher Kritik rechne. Lars Klingbeil hingegen versuchte gut Wetter für Gabriels mögliche Pläne zu machen, Gabriel sei profiliert in diesem Bereich. Skepsis gibt es bei der politischen Opposition. FDP-Chef Christian Lindner am Mittag in der Bundespressekonferenz: "Sigmar Gabriel war als Ministerpräsident von Niedersachsen Mitglied des Aufsichtsrats von VW. Ich stelle die Frage, ob Herr Gabriel für die Branche insgesamt ein guter Repräsentant wäre, wenn er so eng an einen Konzern persönlich angebunden ist."