Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Umstrittener Haushaltsentwurf
Italiens Regierung plant mehr Schulden

Schon jetzt drücken Rom Staatsschulden in Höhe von 133 Prozent des Bruttoinlandproduktes, mit dem neuen Haushalt sollen weitere 2,4 Prozent Neuschulden dazukommen. Mit der EU-Kommission war etwas anderes vereinbart worden, und selbst innerhalb der italienischen Regierung ist der Entwurf umstritten.

Von Jan-Christoph Kitzler | 28.09.2018
    Giovanni Tria, der neue italienische Wirtschaftsminister, im Parlament am 05.06.2018
    Hatte weniger als 1,8 Prozent Neuschulden gefordert: Wirtschaftsminister Giovanni Tria (imago/Samantha Zucchi)
    Noch am späten Abend haben sie vor Palazzo Chigi, dem Amtssitz des Ministerpräsidenten in Rom, gefeiert. Die Spitzen der Fünf Sterne Bewegung, zeigten sich in Siegerpose. Allen voran der stellvertretende Ministerpräsident Luigi di Maio, der als Arbeitsminister ein zentrales Wahlversprechen umsetzen will - den Ausbau des italienischen Sozialstaates:
    "Heute gewinnt nicht die Regierung, sondern die Italiener, die uns am 4. März gewählt haben. Und das ist nur der Beginn – das Haushaltsgesetz öffnet die Türen zum 'Manöver des Volkes', es löscht die Armut aus. Es gibt viele Bürger, Unternehmer, Menschen die arbeiten und unter der Armutsgrenze leben. Viele Steuerzahler werden weniger zahlen. 2,4 Prozent Neuverschuldung bedeutet viel - für die Würde der Personen und für den Reichtum der italienischen Familien."
    Keine ungeteilte Begeisterung
    Große Worte. Matteo Salvini, der Innenminister und Chef des kleinen Koalitionspartners klingt da schon deutlich weniger pathetisch. Seine Lega hatte hart und bis zuletzt um die Details gerungen – am Ende trägt er den Haushaltsentwurf mit: "Na klar, das Recht von Millionen von Bürgern auf Arbeit, Gesundheit, auf Leben auf Glück ist ein paar Nümmerchen wert."
    Ein paar Nümmerchen - genauer gesagt geht es um 27 Milliarden Euro neue, zusätzliche Schulden. Acht Milliarden allein wird die Rentenreform kosten. 400.000 Italiener sollen früher in Rente gehen können - in der Hoffnung, dass deren Arbeitsplätze neu vergeben werden. Ab Anfang 2019 soll es eine Grundsicherung von 780 Euro geben, nicht nur für Rentner, die weniger als das bekommen, sondern auch für sechseinhalb Millionen Italiener und Nichtitaliener, die seit zehn Jahren einen Wohnsitz im Land haben, Arbeit suchen und in Armut leben. Die neue Regierung will auch die Arbeitsvermittlung in Italien besser organisieren.
    Opposition spricht von Geschwätz
    Kritik am Ausbau des Sozialstaates kommt von der Opposition, zum Beispiel von Graziano Delrio, der bis zum Regierungswechsel Infrastrukturminister war: "Für mich drückt sich die Identität Italiens durch Arbeit aus. Dieser Haushalt schafft keine Arbeitsplätze. Es ist vollkommen illusorisch zu glauben, dass die Arbeitsagenturen innerhalb von drei Jahren so funktionieren, wie in Deutschland oder anderen hochentwickelten Ländern. Jeder, der die Probleme kennt, weiß, dass das reines Geschwätz ist."
    Wie versprochen soll eine Flat-Tax eingeführt werden. Zunächst sollen aber nur kleine Unternehmen und Selbständige einen festen Steuersatz von 15 Prozent zahlen - das System soll in den kommenden Jahren ausgebaut werden. Trotzdem: Es passiert zu wenig, um die Wirtschaft anzukurbeln, sagt Mara Carfagna, Abgeordnete für Forza Italia:
    "Die Wirtschaftspolitik der Fünf Sterne, die anscheinend von der Lega mitgetragen wird, zerstört den Staatshaushalt, verschwendet das Geld der Bürger und führt Italien zurück ins Mittelalter, indem große Infrastrukturprojekte blockiert werden. Jetzt besteht das Risiko, dass die Opfer, die die Italiener in diesen Jahren erbracht haben, verbrannt werden. Wir werden dafür kämpfen, dass das nicht passiert."
    Heftiger Machtkampf während der Verhandlungen
    Ob das gelingt, ist fraglich: Zwar muss der Haushalt noch vom Parlament verabschiedet werden, aber die Koalition der ungleichen Regierungspartner scheint sich einig zu sein. Verlierer ist der parteilose Finanzminister Giovanni Tria. Der hatte nicht mehr als 1,8 Prozent neuer Schulden gefordert, und mit seinem Rücktritt gedroht. Nun bleibt er, auch auf Wunsch des Staatspräsidenten, im Amt.
    Angesichts von Staatsschulden in Höhe von 133 Prozent des Bruttoinlandproduktes war mit der EU-Kommission eigentlich eine Neuverschuldung von maximal 0,8 Prozent für 2019 ausgemacht. Entsprechend kommt nun Kritik aus Brüssel, die Luigi di Maio prompt zurückweist: "Die Sorge ist legitim, aber diese Regierung hat sich angestrengt, die Neuverschuldung bei 2,4 Prozent zu halten, was bedeutet, dass wir die Schulden zurückzahlen wollen, investieren wollen, um das Wachstum zu begünstigen. Ich kann Euch versichern, dass die Verschuldung sinken wird. Denn die Investitionen, die wir dieses Jahr machen und die sozialen Maßnahmen werden für ein unerwartetes Wirtschaftswachstum sorgen. Das ist der Zeitpunkt, um in Italien zu investieren."
    Das sehen die Finanzmärkte zur Zeit noch anders: Die Risikoaufschläge für Italienische Staatsanleihen sind am Morgen kräftig angestiegen. Das ist kein Vertrauensbeweis für die Schuldenpolitik der italienischen Regierung.