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Umstrittener Standort

Seit Kurzem steht auf dem Campus der Freien Universität Berlin eine riesige Bronzeskulptur. Sie erinnert an Studenten, die für die Freiheit ihr Leben verloren haben. Gemeint sind damit zehn junge Männer, die Anfang der 50er Jahre in der DDR verhaftet, von sowjetischen Militärtribunalen zum Tode verurteilt und in Moskau hingerichtet wurden. Doch die späte Ehrung findet nicht nur Zustimmung.

Von Otto Langels | 12.12.2007
    Drei massive Bronzestelen ragen in den Himmel, dazwischen liegt ein schweres horizontales, scheinbar schwebendes Element. "Perspektiven" hat der Berliner Künstler Volker Bartsch seine mit 12 x 9 x 7 Metern angeblich größte Bronzeskulptur Deutschlands genannt. Sie soll ein Davor und Danach, Gefundenes und Gesuchtes, Altes und Neues symbolisieren.

    Das Kunstwerk ist eine Auftragsarbeit eines privaten deutschen Bankhauses. Da es Einwände gegen ursprünglich vorgesehene Standorte im Zentrum Berlins gab, brachte Dieter Lenzen, Präsident der Freien Universität, den Campus seiner Hochschule ins Gespräch.

    "Durch die Tatsache, dass die Freie Universität zur gleichen Zeit auf der Suche war nach der Möglichkeit, für die ermordeten Studierenden der Freien Universität ein Denkmal bauen zu lassen, war es eine günstige Koinzidenz, die Bank davon zu überzeugen, dass dieses der richtige Platz in Berlin sein könnte."

    Ein Fall von "drop-art" gewissermaßen: Kunst kommt dorthin, wo sich ein freier Platz findet, und in diesem Fall sogar kostenlos als Präsent einer Privatbank.
    Ein merkwürdiger Vorgang, findet der Historiker Wolfgang Wippermann, Professor an der Freien Universität.

    "Hier hat der Präsident einfach das Denkmal hingesetzt, ohne sich mit der Universität, mit den Studenten, Professoren auseinanderzusetzen. Das war mir neu in der Denkmalsgeschichte. Und wie dann herauskam, war es wohl eigentlich auch mehr ein Zufall, denn das war ein ziemlich wanderndes Denkmal, also ein Ladenhüter, keiner wollte es. "

    Auf einer kleinen Tafel vor der monumentalen Skulptur ist nachzulesen, dass das Kunstwerk den Studenten der Freien Universität Berlin gewidmet ist, die für die Freiheit ihr Leben gelassen haben. Nähere Auskunft gibt die Inschrift nicht. Studierende wie Ralf Hoffrogge vom AStA der FU kritisieren den allgemein gehaltenen Text:

    "Darunter kann man alle möglichen Leute fassen. Das kann Benno Ohnesorg sein, das können diese zehn ermordeten Studenten sein. Ich studiere auch Geschichte und würde sagen, es ist einfach kein Denkmal, weil es an nichts erinnert, sondern man kann beliebig irgendwas rein projizieren."
    Nur im Internet findet sich der Hinweis auf zehn junge Männer, die ihren Widerstand gegen das SED-Regime und die sowjetische Besatzungsmacht Anfang der 50er Jahre mit dem Leben bezahlten. Sowjetische Militärtribunale verurteilten sie wegen angeblicher Spionage und Mitgliedschaft in einer konterrevolutionären Organisation zum Tode, ohne auch nur minimale rechtsstaatliche Prinzipien einzuhalten.
    Die meisten waren in der Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit aktiv, einer antikommunistischen Organisation, die mit Regierungs- und Geheimdienstgeldern finanziert wurde.

    "Die Historiker haben gefunden, daß sie nicht nur Propaganda gemacht haben, also Flugblätter in die DDR eingeschmuggelt, oder mit Luftballons, sondern daß auch Sabotageakte, man kann auch Terrorakte sagen, begangen wurden gegen das Transportwesen der DDR. Das waren Reifen durchstechen, aber auch Züge entgleisen lassen oder entgleisen lassen wollen, das ist nicht ganz sicher. "

    Die Universitätsleitung verweist jedoch darauf, dass keiner der zehn Studenten wegen einer Straftat verurteilt wurde und die meisten in den 90er Jahren von der russischen Justiz rehabilitiert worden seien. FU-Präsident Dieter Lenzen:

    "Es ist kein einziger Fall bekannt, dass von diesen zehn Personen jemand an Handlungen beteiligt gewesen wäre, die jemand anderen zu Schaden gebracht hätten. Es gibt keinen Grund in der Welt, jemand zu ermorden, und ich glaube, dass ist der entscheidende Satz."

    Außer Frage steht, daß die hingerichteten Studenten in die Mühlen des Kalten Krieges gerieten und Opfer des stalinistischen Terrors wurden. Aber sind sie denkwürdige Kämpfer für die Freiheit und taugen sie auch als Vorbilder für künftige Studenten-Generationen?
    Ralf Hoffrogge:

    "Was diese Leute sonst noch gemacht haben, ob die gewalttätige Aktionen unterstützt haben, was sie für politische Inhalte vertreten haben, oder wie ihre Vergangenheit war, das wurde überhaupt nicht thematisiert. Und allein deshalb denke ich schon, dass wir vom AstA der FU nicht drum rumkommen, eine Umwidmung zu fordern."