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Umwelt
Der frühe Frühling und seine Folgen

In diesem Jahr hat der Vorfrühling einen Schnellstart hingelegt. Temperaturen von teilweise über 20 Grad treiben die Menschen in Gärten und Parks, die Vegetation explodiert geradezu. Schon jetzt können Kraniche und Gänse auf ihrem Zug beobachtet werden. Einige Vögel tun sich mit dem frühen Frühling aber besonders schwer.

Von Annette Eversberg | 17.03.2014
    Die Meteorologen überrascht der frühe Frühling nicht. Die Wetterdaten, die sie seit Jahrzehnten gesammelt haben, zeigen ihnen klar und deutlich: Die Lufttemperaturen sind kontinuierlich gestiegen. Damit beginnt auch der Frühling immer früher, wie Franz-Josef Löpmeier, Leiter des Zentrums für Agrarmeteorologische Forschung des Deutschen Wetterdienstes, belegen kann.
    "Wir haben im Mittel in etwa einen Vorsprung von zwei Wochen. Insbesondere, was so beobachtet wird bei Hasel, Erle, Forsythie – da kann man im Mittel in Deutschland sagen etwa zwei bis zweieinhalb Wochen."
    Bereits seit etwa 1950 berichten Biologen, dass Pflanzen früher austreiben. Die ersten Kröten tauchten in diesem Jahr schon Ende Februar auf und haben bereits begonnen, zu wandern. Die Kohlmeisen haben längst angefangen, zu brüten. Franz-Josef Löpmeier:
    Nicht immer profitiert die Natur von höheren Temperaturen
    "Das mag auch ein Indikator des Klimawandels sein. Zumindest ist das, was die Beobachtungen und auch die Klimamodelle sagen: Eine Zunahme der milden Winter ist eine der häufigsten Aussagen zum Klimawandel. "
    Die Natur reagiert. Aber nicht in allen Fällen profitiert sie von höheren Temperaturen. Gerade bei den Zugvögeln gibt es, so Dr. Eick von Ruschkowski vom Naturschutzbund Deutschland, auch solche, die sich mit dem frühen Frühling schwertun.
    "Problematisch ist das für Vogelarten, die Langstreckenzieher sind, und die zu dem Zeitpunkt, wo sie in Afrika zum Beispiel in Richtung Europa sich zurückbewegen, natürlich nicht wissen, dass sich die Vegetation in Mitteleuropa verändert hat. Das sind diejenigen, die darunter leiden."
    Denn nicht nur das frühe Nahrungsangebot steuert das Zugverhalten der Vögel. Sie haben auch eine innere Uhr, die zunächst nicht zulässt, dass sie sich flexibel an den Klimawandel anpassen, erläutert Dr. Wolfgang Fiedler von der Vogelwarte Radolfzell:
    "Wir wissen von Kleinvögeln, das ist an der Mönchsgrasmücke untersucht worden, dass es - offensichtlich genetisch vererbt - so etwas wie einen Zeitplan gibt: Wann wandere ich? Wie lange wandere ich? Und dass es eine Richtung und damit wahrscheinlich einen Vektor auf der Landkarte gibt, wo man hinzieht. Das scheinen die Gene als Rahmen vorzugeben. Und je nach Vogelart wird das moduliert, durch Umweltreize, die entweder aus Erfahrung oder aus anderen Gründen mitverarbeitet werden können."
    Vor allem der Kuckuck könnte ein Problem bekommen
    Wer zu spät kommt, dessen Platz ist unter Umständen schon besetzt. Auch bestimmte Blumen sind schon verblüht. Dann sind die Insekten, die dort vorkommen, nicht mehr da. Und damit fehlt Nahrung, die für die Aufzucht der Jungvögel benötigt wird. Der Kuckuck hat noch ein anderes Problem. Wenn er nach mehreren tausend Kilometern Flug aus seinem Winterquartier in Afrika kommt. Wolfgang Fiedler:
    "Der Kuckuck, der braucht nämlich auch noch Wirtsvögel, die gerade eben ihre Eier ins Nest gelegt haben. Nur dann kann das Kuckucksweibchen dort sein Ei hineinschmuggeln. Wenn es zu spät kommt, und es sind schon Junge im Nest, weil die Wirtsvögel einfach früher angefangen haben zu brüten, dann erkennen die natürlich, wenn ein zusätzliches Ei drin ist und es funktioniert nicht. Wenn wir die Verfrühung der letzten 20 Jahre angucken, schließen wir, dass vielleicht früher oder später der Kuckuck ein Problem hat. "
    Wenn alles früher beginnt, dann bedeutet das, dass die Pflanzen länger wachsen und grün sind. Aber auch die verlängerte Vegetationszeit insgesamt hat Vor- und Nachteile. Für den Weinbau zum Beispiel hat man sich laufend gute Jahrgänge versprochen. Doch Untersuchungen von Dr. Rainer Amann vom Staatlichen Weinbauinstitut in Freiburg haben gezeigt: Mit dem Anstieg des Zuckergehaltes aufgrund der höheren Temperaturen schaden häufiger Essigsäurebakterien den Trauben. Der Anbau von Energiepflanzen profitiert wiederum von der längeren Wachstumszeit, sagt der Agrarmeteorologe Franz- Josef Löpmeier:
    "Wenn man zum Beispiel ein Wintergetreide im Mai erntet, grün, und in eine Biogasanlage gibt, und dann anschließend noch Mais anbaut, auch für die Biogasanlage, dann hat man wesentlich mehr Masse, um Biogas zu erzeugen, was im Nahrungsmittelbereich so allerdings nicht funktioniert, weil es ja ausreifen muss."
    Andererseits werden Pflanzen bereits früher und damit auch länger von Schädlingen befallen, die in der Landwirtschaft bekämpft werden müssen, was Eick von Ruschkowski vom NABU mit Sorge betrachtet.
    "Von daher ist es schon von Relevanz, wenn jetzt aufgrund der längeren Vegetationsperiode der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft erhöht werden muss. Das ist ganz klar ein Problem."