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Umwelt
Ein Ozean aus Plastik

Unzähliger Plastikmüll in den Ozeanen gelangt früher oder später in die Nahrungskette - oft in Form kleinster Teilchen, die selbst Würmer oder Muscheln aufnehmen können. Nun haben Forscher erstmals berechnet, wie viel Kunststoffmüll vom Land ins Meer getragen wird.

Von Dagmar Röhrlich | 13.02.2015
    Plastikmüll am Strand von Dakar, Senegal. Im Vordergrund sitzt eine magere Katze
    Die Strände einiger Städte und Inseln versinken geradezu in Müll. (Picture Alliance / dpa / EPA / Nic Bothma)
    In den frühen 1970er-Jahren erschienen erste wissenschaftliche Aufsätze zum Thema Plastikmüll in den Ozeanen. 30 Jahre zuvor hatte der Siegeszug des Kunststoffs Fahrt aufgenommen, und seitdem landet ein Teil davon in den Meeren. Dort sammelt sich das Plastik einmal gut sichtbar an der Oberfläche, wo geschätzte 245.000 Tonnen schwimmen sollen. Dazu kommt eine unbekannte Menge, die verborgen in der Wassersäule schwebt oder am Meeresboden liegt. Was da zusammenkommen könnte, lässt sich nun anhand dieser neuen Studie erahnen, die erstmals zu ergründen versucht, wie und in welchen Mengen Plastikmüll von den Küsten in die Ozeane gelangt:
    "Wir haben die unterschiedlichen Wege untersucht und dafür die Daten von 192 Küstenstaaten untersucht. In unsere Berechnungen flossen Faktoren ein wie die Bevölkerungsdichte in einer 50-Kilometer-Zone entlang der Küsten, die wirtschaftliche Entwicklung, wie hoch der Plastikanteil am Abfall ist und wie viel davon nicht ordentlich deponiert wird und von den Küsten ins Meer gelangen kann."
    Das Gros der Daten stammte von der Weltbank, erklärt Jenna Jambeck von der University of Georgia in Athens. Wo diese Angaben fehlten, wurden die Werte anhand aller zur Verfügung stehenden Informationen abgeschätzt. Das Ergebnis:
    "Wir haben für unser Berechnungsjahr 2010 drei Szenarien untersucht. Eines, bei dem nur ein geringer Prozentsatz des Plastikmülls ins Meer gelangt, ein mittleres und ein hohes. Unserem mittleren Szenario zufolge landeten 2010 rund acht Millionen Tonnen Kunststoffabfall in den Ozeanen. Bei dem niedrigen Szenario waren es 4,8 und bei dem hohen 12,7 Millionen Tonnen."
    Einsammeln lässt sich Plastikabfall im Meer oft nicht mehr
    Wird das mittlere Szenario zugrunde gelegt und bleiben Steigerungsraten gleich, sollte im Jahr 2025 doppelt so viel Plastikmüll in die Ozeane gelangen wie 2010. Über die Zeit akkumuliert ergäbe das 155 Millionen Tonnen.
    "Interessant ist, wie empfindlich unsere Modellrechnungen auf unterschiedliche Faktoren reagieren. Der wichtigste Faktor war die Besiedlungsdichte der Küstenregion. Je mehr Menschen dort leben, umso mehr Müll entsteht und damit wächst auch die Wahrscheinlichkeit, dass etwas im Meer landet. Dann folgen Faktoren wie die Menge an Plastikmüll, die eine Gesellschaft erzeugt oder die Qualität der Abfallbeseitigung."
    Offene Mülldeponien lassen den "Müllstrom" ins Meer ebenso anschwellen wie ein Hang zum gedankenlosen Wegwerfen. Einsammeln ließe sich der Plastikabfall nicht mehr, urteilen die Forscher. Unter anderem scheint ein großer Teil schnell in Partikel von Planktongröße zu zerfallen: Fischt man die heraus, fischt man auch die Basis der Nahrungskette ab. Plastikmüll sollte deshalb möglichst gar nicht erst ins Meer gelangen:
    "Damit weniger Plastikmüll ins Meer gelangt, müssen wir unterschiedliche Lösungsansätze verfolgen. In den USA, die auf Platz 20 unter den Top-Zulieferern von Plastikmüll ins Meer stehen, leben sehr viele Menschen an den Küsten und erzeugen besonders viel Plastikmüll. Dort müssen wir bei der Müllvermeidung ansetzen."
    Weniger Plastik verbrauchen ist auch die Strategie für die 23 Staaten der EU, die - als Einheit betrachtet - auf Platz 18 liegen. Für die Länder an der Spitze des Rankings wäre hingegen eine geregelte Abfallverwertung entscheidend: In China, Indonesien oder den Philippinen schlägt die hohe Bevölkerungsdichte in den Küstenzonen zu Buche, Mängel im Abfallmanagement und die schnelle wirtschaftliche Entwicklung. Unter den Top 20 sind aber auch Entwicklungsländer wie Bangladesh oder Nordkorea - und auch dort liege die Lösung in der Abfallverwertung.