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Umwelt
Nachhaltig leben im Selbstversuch

Nachhaltig leben und einkaufen - das ist mittlerweile anscheinend nicht mehr ganz so schwer, weil sich viele Firmen schon auf Kunden, die das wollen, eingestellt haben. Ob nachhaltiges Einkaufen aber im Alltag wirklich funktioniert, das hat Ann-Kathrin Horn einen Tag lang im Selbstversuch getestet.

Von Ann-Kathrin Horn | 09.07.2015
    Ein Gemüsestand auf einem Wochenmarkt
    Ein Gemüsestand auf einem Wochenmarkt (Jan-Martin Altgeld)
    Der Tag beginnt mit der entscheidenden Frage: Wenn ich nachhaltig sein will, was muss ich dann überhaupt alles beachten? Es muss Bio sein, regional, Fair gehandelt, wenige CO2-Emissionen erzeugen. Im Internet finde ich eine eigene Erklärung von der Bundesregierung.
    "Nachhaltig einkaufen heißt, Produkte zu kaufen, deren Herstellung und Nutzung energiesparend und umweltfreundlich ist. Die Menschen, die die Waren herstellen, werden angemessen bezahlt und arbeiten unter fairen Bedingungen.
    Jetzt geht es auf den Wochenmarkt in meinem Stadtviertel. Da gibt es Obst, Gemüse und Eier aus der Region.
    "Fragen die Leute denn oft, wo das herkommt?" - "Eigene Ernte oder nicht? Ja, die Leute, die hier einkaufen, kaufen sehr bewusst ein."
    Viele aus meinem Viertel kaufen auf dem Wochenmarkt ein - nur Zeit muss man eben haben, der Markt ist nämlich nur tagsüber. Für Berufstätige ist das eher schwer.
    "Ich habe jetzt Elternzeit, da passt das. Als ich gearbeitet habe, hat das oft nicht gepasst, aber jetzt schon."
    "Man weiß einfach, genau was man isst, dass es nicht gespritzt ist, sondern einfach nur Gemüse. Das ist mir schon wichtig."
    Wochenmarkt nicht teuer
    Die erste Überraschung: Die Produkte sind nicht teurer als im Supermarkt, zumindest, wenn sie Saison haben. Äpfel gibt es am Stand keine mehr aus Deutschland. Ich versuche es im Discounter gegenüber, da kommen sie aus Neuseeland, außerdem sind sie in Plastik verpackt - fällt also weg. In einem kleinen Gemüseladen in der Nähe finde ich noch Elstar aus Deutschland. Mehr als 50 Cent pro Stück, ganz schön happig. Aber ich habe jetzt 3 Läden durch, noch länger will ich auch nicht suchen. Zeit - das merke ich jetzt - ist der entscheidende Faktor beim nachhaltigen Konsum - weil man eben meist doch suchen und vergleichen muss - und nachfragen, nach Produktionsbedingungen und Herkunftsregion.
    Immerhin, viele Lebensmittel sind mittlerweile recht gut gekennzeichnet, bei anderen Einkäufen wird es noch etwas komplizierter, bei Kleidung zum Beispiel. Das Kleid, das ich heute trage, ist von einer kleinen Marke, die sehr teuer ist, aber auf der nicht Fair Trade draufsteht. Ich gehe also noch mal in den Laden.
    "Also Fair Trade ist es nicht, die Marke?" - "Nee. Ist nicht ausschließlich Fair Trade. Sie versucht es so viel wie möglich, sie kennt jede Produktionsstätte selber. Also es ist nicht dieses typische Made in China, wie man es aus anderen Firmen kennt."
    Weiternutzen, statt neu kaufen
    Kein pures Fair Trade also, aber in dem Fall kann ich damit leben, wenn sich die Designerin so viele Gedanken macht. Aber fest steht: Fair produzierte Kleidung ist wesentlich teurer als andere. Aber - heute kennt jeder die Bedingungen, unter denen Billig-Kleidung hergestellt wird. Wenn ich doch mal was Billiges kaufe, einfach, weil es mir passt und gut aussieht - ein schlechtes Gewissen habe ich dabei immer. Und nachhaltig bedeutet ja eigentlich auch: Nicht immer was Neues kaufen, sondern Dinge, die man hat, länger nutzen.
    Zu Hause mache im Internet einen Test zu meinem ökologischen Fußabdruck, also dazu, wie viel ich mit meiner Lebensweise anrichte.
    "Nicht schlecht. Du liegst unter dem deutschen Durchschnitt. Trotzdem benötigst du mehr Ressourcen, als die Erde für alle zur Verfügung stellen kann. Würden alle Menschen leben wie du, bräuchte die Menschheit zwei Erden."
    "Genug" verzichtet habe ich also noch nicht. Käse und Fernreisen werde ich aber auf keinen Fall aus meinem Leben streichen. Meine Bilanz heute: Nachhaltig leben ist vor allem eins: Aufwändig und zeitfressend, weil meist die Transparenz fehlt. Oft braucht man auch mehr Geld. Die größte Herausforderung für mich ist mein eigenes Gewissen. Ich bin nämlich nicht immer konsequent. Abends nach dem Sport bekomme ich Heißhunger, der Biomarkt hat schon zu. Es gibt Chips aus der Plastiktüte und Kirschen von weit weg, weil sie gut aussehen und günstig sind. Müsste ich mir für heute eine Note geben, wäre das vielleicht: "Sie hat sich bemüht."