Dienstag, 19. März 2024

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Umweltbilanz von Gebäuden
"Jeder zusätzliche Quadratmeter verursacht zusätzliches CO2"

Beim Bau von Einfamilienhäusern gebe es Verbesserungsbedarf in punkto Energieverbrauch und CO2-Emissionen, sagte Jens Schuberth vom Umweltbundesamt im Dlf. Man müsse sich Gedanken machen über einen Preis für CO2. Zudem könne die Beratung für Gebäudeeigentümer bei Bau und Sanierung verbessert werden.

Jens Schuberth im Gespräch mit Georg Ehring | 24.05.2019
Wohnhäuser in Gersdorf (Sachsen-Anhalt), aufgenommen am 17.05.2013.
Bei Einfamilienhäusern stagniert der Trend zu sinkendem Energieverbrauch wieder (picture alliance / dpa / Jens Wolf)
Georg Ehring: Alle Welt redet von der Energiewende, doch die allein wird das Klima nicht retten. Knapp ein Drittel des CO2-Ausstoßes in Deutschland stammt aus Gebäuden, und da geht es vor allem um die Heizung. Das Umweltbundesamt hat gestern eine Studie herausgebracht; danach sinken die Emissionen zwar, aber viel zu langsam. Und weil Gebäude lange Zeit halten sollen, werden heute nicht effizient errichtete Häuser das Klima über Jahrzehnte belasten.
Jens Schuberth kümmert sich beim Umweltbundesamt im Fachgebiet Energieeffizienz um Gebäudetechnik, und ihn habe ich vor dieser Sendung gefragt, welche Trends seine Behörde im Einzelnen ausgemacht hat.
Jens Schuberth: In dem Projekt hatten wir den Energieverbrauch der Gebäude/Wohngebäude angeschaut und haben da festgestellt, dass die von 2003 bis 2012 recht kontinuierlich gesunken sind, aber in dem Zeitraum vor allem bei den Einfamilienhäusern hat dieser Rückgang aufgehört und seitdem sind dort die Energieverbräuche, aber gleichermaßen auch die CO2-Emissionen konstant geblieben.
Ehring: Wie kommt das?
Schuberth: Die genaue Ursache kann man so einfach nicht herausfinden, sondern es sind verschiedene Einflüsse, die da wirksam werden. Zum einen sind es in den letzten Jahren relativ niedrige Energiepreise. Vor 2010 herum waren die noch relativ hoch und haben für eine gewisse Aktivität gesorgt. Seitdem sind die zurückgegangen, was dann auch das Interesse wiederum an Energiesparmaßnahmen in den Gebäuden reduziert.
Dazu kommen dann sicherlich noch ungünstige oder unklare Rahmenbedingungen, die auch für Gebäudeeigentümer nicht so motivierend ausgefallen sind.
"Gebäude möglichst klimafreundlich gestalten"
Ehring: Gibt es denn einen Unterschied zwischen Neubau und Altbau? Wird zu langsam saniert oder zu verschwenderisch gebaut?
Schuberth: Der Neubau hat ja in den letzten Jahren durchaus zugelegt, aber da sehen wir durchaus auch Möglichkeiten, dass man effizienter neu bauen sollte, als das bisher der Fall ist. Und bei Sanierungen hat man festgestellt, dass die Häufigkeit, wie viele Gebäude pro Jahr saniert werden, in den letzten Jahren bis Jahrzehnten letztlich auch konstant geblieben ist, ohne dass eine spürbare Aktivitätssteigerung bemerkbar gewesen wäre.
Ehring: Die Wohnfläche pro Kopf der Bevölkerung wächst, aller Wohnungsnot zum Trotz, langsam aber auch kontinuierlich. Ist das auch eine Ursache dafür, dass die CO2-Emissionen zu langsam zurückgehen?
Schuberth: Jeder zusätzliche Quadratmeter, den wir bauen, verursacht natürlich auch zusätzliches CO2. Seit 2008 bis 2016 ist die Wohnfläche um fünf Prozent alleine gestiegen, und das wirkt sich natürlich auf Energieverbrauch und CO2-Emissionen aus.
Ehring: Sie haben gerade die Rahmenbedingungen schon angesprochen: niedrigere Energiepreise. Was könnte denn für einen schnelleren Rückgang der Emissionen sorgen?
Schuberth: Als erstes müssen wir uns natürlich Gedanken machen ganz grundsätzlich über einen Preis für CO2. Das wäre die Grundlage unseres täglichen Wirtschaftens, auf der man dann aufbauend für Gebäude über verschiedene Dinge nachdenken muss. Zum einen sind das sicherlich Vorschriften für Neubauten, die man etwa 25 Prozent effizienter bauen kann, als man das im Moment tut. Die EU hat für einzelne Teile von den Gebäuden in den letzten Jahren schon ganz anspruchsvolle Vorschriften beschlossen, zum Beispiel für Heizungsumwälzpumpen. Dann müssen wir uns Gedanken machen über Förderprogramme, die wirksam ausgestaltet sein müssen, so dass die geförderten Maßnahmen auch zur Dekarbonisierung des Gebäudebestandes beitragen. Und am Ende steht natürlich auch das Thema Beratung, damit Gebäudeeigentümer letztlich auch überhaupt wissen, was sie denn am besten an ihrem Gebäude tun sollten, um es möglichst klimafreundlich zu gestalten.
"Zwei Zentimeter mehr Wärmedämmung kosten durchaus mehr Geld"
Ehring: Die Wohnungswirtschaft setzt sich ja immer für weniger strenge Standards ein. Das trüge zur Kostensenkung bei. Dem würden Sie dann widersprechen?
Schuberth: Dem widersprechen wir, denn einerseits ist es zwar klar, dass zwei Zentimeter mehr Wärmedämmung auch durchaus mehr Geld kosten. Jedoch haben Untersuchungen in den letzten Jahren gezeigt, dass es keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Energieeffizienz eines Gebäudes auf der einen Seite und den entstehenden Baukosten auf der anderen Seite gibt. Dazu kommt letztlich noch, dass man nicht nur auf die Baukosten achten sollte, sondern auf die Gesamtkosten, die im Lebenszyklus eines Gebäudes entstehen, und da spielt dann die wesentlich längere Nutzungsphase, die mehrere Jahrzehnte dauert, eine sehr große Rolle.
Ehring: Ist denn für einen Hausbesitzer, der sich jetzt eine Sanierung überlegt, eine Sanierung wirtschaftlich, oder muss man da mit staatlichen Programmen noch stärker nachhelfen?
Schuberth: Wirtschaftlich sind Maßnahmen in der Regel dann, wenn ohnehin etwas am Gebäude getan werden muss, sprich wenn die Heizung schon besonders alt ist, wenn der Putz erneuert werden muss oder die Fenster sowieso ausgetauscht werden müssen. Darüber hinaus ist es natürlich sinnvoll, immer noch Fördermittel mit in Anspruch zu nehmen, durch die einerseits die Kosten für eine Sanierung sinken und gleichzeitig auch noch bessere Techniken, die auch noch zukunftsfähiger sind, in das Gebäude eingebaut werden können.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.