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Umweltbundesamt zu Emissionshandel
Angrick: Die Industrie zum Umlenken bringen

Die Tonne CO2 war lange sehr günstig und Unternehmen sahen so keinen Anreiz, auf klimaschonende Technologien umzuschwenken. Nun steigt der Preis. Die Industrie investiere nur in andere Techniken, wenn der Preisdruck entsprechend hoch sei, sagte Michael Angrick vom Umweltbundesamt im Dlf.

Michael Angrick im Gespräch mit Georg Ehring | 06.07.2018
    Emissionen der Industrie
    Der Emissionshandel deckt nur die Produktionsanlagen ab, sagt Michael Angrick von der Emissionshandelsstelle (deutschlandradio.de / Daniela Kurz)
    Georg Ehring: Was nichts kostet, ist auch nichts wert. Diese einfache Weisheit ist Grundlage für den Emissionshandel oder den Handel mit Verschmutzungsrechten: Industriebetriebe, Stromerzeuger und andere Unternehmen, die das Klimagas CO2 in die Atmosphäre entlassen, müssen dafür einen Preis bezahlen. Und weil die Zahl der Emissionsrechte begrenzt ist, werden die Zielvorgaben automatisch erreicht - es wird nur so viel Klimagas in die Luft geblasen, wie erlaubt. Die Europäische Union hat den Emissionshandel vor 13 Jahren eingeführt und er hat trotzdem einen schlechten Ruf: Die Preise waren so niedrig, dass er kaum etwas zum Klimaschutz beitrage, so die Kritik. Mittlerweile werden die Verschmutzungsrechte teurer, die Tonne CO2 kostet über fünfzehn Euro. Vor dieser Sendung habe ich Michael Angrick, den Leiter der deutschen Emissionshandelsstelle beim Umweltbundesamt gefragt, ob der Klimaschutz damit rentabel wird.
    Michael Angrick: Der Klimaschutz wird damit nicht unbedingt rentabel, jedenfalls noch nicht bei diesen Preisen. Aber was tatsächlich festzustellen ist, ist, dass der Emissionshandel mehr und mehr seine Wirkung entfaltet, und das ist eigentlich das, was wir als Klimaschützer als erste Priorität ansehen.
    Ehring: Aber kann es Ihnen nicht eigentlich egal sein, wie teuer die Tonne CO2 ist? Die Ziele werden ja erreicht.
    Angrick: Ja. Es geht uns aber vor allen Dingen auch darum, dass der Preis der Tonne CO2 die Industrie zum Umlenken bringt, also es sinnvoll ist, auszusteigen aus der einfachen Emission und in andere Techniken zu investieren. Und die Industrie investiert nur in andere Techniken, wenn der Preisdruck der Tonne CO2 über den Emissionshandel, über das Emissionshandels-Zertifikat entsprechend hoch ist.
    "400 Millionen Zertifikate werden vom Markt genommen"
    Ehring: Und wie hoch müsste der Preis sein, damit die Industrie sich richtig Gedanken macht?
    Angrick: Sie haben eben in Ihrer Anmoderation ja gesagt: Zurzeit sind wir bei etwas über 15 Euro. Der Höchststand war im Mai bei 16,70 Euro. Das reicht bei weitem noch nicht aus. Wir brauchen mit Sicherheit einen Preis, der irgendwo bei 45 oder 50 Euro liegt, und das ist etwas, was wir - jedenfalls denke ich, wird es so kommen – in den nächsten Jahren erreichen können, wenn die vierte Handelsperiode anfängt. Die fängt 2021 an.
    Ehring: Das heißt, die Verknappung der Zertifikate ist schon ausreichend eingeplant, dass das automatisch kommt?
    Angrick: Sie ist eingeplant, das ist richtig. Ab nächstem Jahr werden bereits 400 Millionen Zertifikate vom Markt genommen, in eine Marktstabilitätsreserve überführt, und ab 2021 besteht die Möglichkeit, diese in die Marktstabilitätsreserve überführten Zertifikate auch zu löschen, sie wirklich vom Markt zu nehmen. Dadurch wird die Verknappung weiter zunehmen und das wird mit Sicherheit einen weiteren Preisanstieg für die Zertifikate nach sich ziehen.
    Ehring: Die Europäische Union hat eigene Ziele für die Energie-Effizienz, unabhängig vom Emissionshandel, und auch für den Anteil erneuerbarer Energien am Markt. Wofür braucht sie die, wo der Emissionshandel in der Theorie doch eigentlich alleine reichen würde?
    Angrick: Nein! Das reicht deshalb nicht, weil der Emissionshandel deckt nur die Produktionsanlagen ab, also etwa 40, 45 Prozent dessen, was Europa, wenn Sie jetzt mal Europa als Gesamtheit nehmen, an CO2 emittiert. Wir haben den Verkehr, wir haben andere Bereiche, die wir ebenfalls abdecken müssen, zum Beispiel auch die Gebäudesanierung, die Wärmedämmung. All diese Bereiche müssen in irgendeiner Weise auch ihren Beitrag leisten, und das tun sie bisher weitaus weniger gut, und insofern ist es notwendig, diese Pakete insgesamt zu haben und damit auch zu arbeiten.
    Ehring: Kann man den Verkehrssektor nicht auch in den Emissionshandel einfach einbeziehen?
    Angrick: Das wäre im Moment aus meiner Sicht nicht vorteilhaft, weil der Preis, den ein Emissionshandels-Zertifikat bringen müsste, damit er eine Wirkung im Verkehr erzielt, der wäre bei irgendwas zwischen 150 und 180 Euro, und das kann sich kein Mensch vorstellen, dass das passiert. Das muss über andere Wege geregelt werden. Eine Einnahme, Hineinnahme des Verkehrs in den Emissionshandel ist nicht wirklich eine sinnvolle Geschichte.
    "Emissionshandelssysteme miteinander vernetzen"
    Ehring: Das heißt, das würde dafür sorgen, dass die Autohersteller sich weniger anstrengen müssten im Klimaschutz als mit separaten Regeln, die die EU ja auch hat?
    Angrick: So ist es. Und wir müssen im Prinzip weiterhin dafür sorgen, dass die Grenzwerte, dass das, was jetzt auf den Weg gebracht ist, von der Autoindustrie eingehalten wird, und es darf kein Ausweichen an dieser Stelle geben. Und das über Zertifikate, über den Zertifikate-Handel zu machen, wäre ein Ausweichen.
    Ehring: Ausweichen ist das Stichwort. Ausweichen können Unternehmen ja auch ins Ausland, zum Beispiel nach China, wenn ihnen die Emissionshandels-Preise in Europa zu teuer sind. Wäre es da nicht sinnvoll, den Emissionshandel international zu vernetzen, weltweit zu organisieren?
    Angrick: Das wäre sehr sinnvoll. Das ist auch langfristig immer eine Überlegung, dieses sogenannte Linking, das miteinander vernetzen verschiedener Emissionshandelssysteme. Aber dafür gibt es im Moment noch zu wenige. Die Europäische Union wird das mit der Schweiz machen; das ist jetzt nicht gerade ein ganz großer Player. Die Europäische Union hat die Absicht, selbstverständlich auch, wenn die Chinesen ihren Emissionshandel richtig in Schwung gebracht haben, darüber zu diskutieren und zu reden. Es gibt in den USA beziehungsweise in einigen Staaten der USA einen Emissionshandel. Das wären die richtigen Schritte, aber noch sind wir nicht so weit.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.