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Umwelthilfe kritisiert Vorzugspreise für Strom-Großverbraucher

Viele große Stromverbraucher bekommen Rabatt bei den Kosten der Energiewende. Im Gegenzug müssen sie ihre Energieeffizienz jährlich verbessern. Genau das ist ohnehin schon bald EU-Vorgabe, und die Deutsche Umwelthilfe fragt: Warum also der Ausgleich an die Unternehmen?

Von Dieter Nürnberger | 23.08.2012
    Der Streit um die Kosten der Energiewende und vor allem über die Verteilung dieser Kosten, der nimmt nun an Härte deutlich zu. Die Deutsche Umwelthilfe kritisiert den Kabinettsbeschluss hinsichtlich der Ökosteuer, der Anfang August beschlossen wurde.

    Es geht um die Gegenleistungen, die energieintensive Betriebe erbringen müssen, um den sogenannten Spitzenausgleich bei der Ökosteuer zu erhalten. Und nach EU-Recht dürften eben nur solche Unternehmen diese Subventionierung bekommen, die etwas über den Standard Hinausgehendes leisten. Und genau hier setzt die Kritik von Cornelia Ziehm an, sie ist Leiterin der Abteilung Energiewende bei der Deutschen Umwelthilfe.

    "Fakt ist, dass genau das in der kürzlich – im Juni dieses Jahres – beschlossenen EU-Effizienzrichtlinie die Maßgabe ist. Somit ist dies ab 2015 ohnehin zwingendes Europarecht. Es handelt sich also nicht um besondere, freiwillige Leistungen, sondern um etwas, was bereits im Ordnungsrecht vorgegeben ist."

    Ganz konkret: Die Unternehmen müssen nachweisen, dass sie pro Jahr eine Energieeffizienzsteigerung von 1,3 Prozent erbringen, so die Vorgaben der Bundesregierung. Vorwurf der Umwelthilfe: Das müsse nach EU-Recht ohnehin passieren – es sei somit kein Grund für die Gewährung des Spitzenausgleichs bei der Ökosteuer. Der Umwelthilfe passt zudem die ganze Vorgabe nicht. Die sei zu wenig ambitioniert, sagt Cornelia Ziehm.

    "Es ist ein Zielwert von 1,3 Prozent - übrigens auch erst ab 2015 - vereinbart worden, das entspricht aber dem, was ohnehin business as usual in der Industrie ist. Solche laschen Vorgaben zur Energieeffizienzsteigerung sind der Energiewende nicht förderlich, sondern eher abträglich."

    Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin hatte schon Anfang August diese Regierungsvorgabe zur Energieeffizienz als zu gering kritisiert. Dies bleibe hinter den Möglichkeiten zurück, hieß es damals.

    Die Reaktion der betroffenen Branchen kam heute übrigens direkt und schnell. Geich in Anschluss an die Pressekonferenz der Deutschen Umwelthilfe traten die energieintensiven Industrien in Deutschland ebenfalls vor die Journalisten. Hier wurde deutlich, dass man es langsam satthat, ständig als Buhmann bei der Energiewende betitelt zu werden. Kritik auch an der Opposition im Bundestag, die würde heute Regeln kritisieren, die sie einst selbst beschlossen habe. Michael Basten, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband Baustoffe.

    "Was uns in der politischen Diskussion wirklich stört, ist, dass alles durcheinandergemengt wird. Wir haben unterschiedliche Entlastungsmechanismen, aber alle haben ihre Berechtigung. Schließlich sind diese Entlastungsvorgaben einst von Rot-Grün im Prinzip auch so beschlossen worden: Stromsteuer und Energiesteuer, reduzierte Sätze für das produzierende Gewerbe insgesamt, Spitzenausgleich für die besonders energieintensiven Unternehmen, EEG-Härtefall-Regelung – alles eingeführt von Rot-Grün."

    Die energieintensiven Unternehmen präsentieren nach eigenen Angaben rund 875.000 Arbeitsplätze in Deutschland. Und ganz konkret am Beispiel des Spitzenausgleichs festgemacht – weist man die Vorwürfe der Umwelthilfe zurück. Man müsse sehr wohl Anstrengungen unternehmen, um die Energieeffizienzvorgabe der Regierung zu erreichen.

    "Wir machen das ja nicht für lau, sondern wir müssen uns jetzt im Hinblick auf die Energie- und Stromsteuer immer wieder vor Augen führen, dass wir uns zu einer Steigerung der Energieeffizienz verpflichtet haben. In der gesamten Industrie! Die Vorgabe heißt 1,3 Prozent pro Jahr, das wird dann später sogar auf 1,35 Prozent steigen. Und es wird dann 2016 oder 2017 auch Gegenstand einer Neujustierung sein, wenn es opportun ist."

    Die Branche der energieintensiven Unternehmen sieht sich also zu Unrecht an den Pranger gestellt. Man stehe zur Energiewende, so die klare Botschaft. Allerdings müsse man auch an die Wettbewerbssituation in Europa denken – und deshalb gebe es diese Ausnahmeregeln für die Industrie. Und nicht alles, was die Unternehmen einsparen würden, müssten die Steuerzahler, der gewöhnliche Stromkunde ausgleichen.

    Die Kosten der Energiewende und die Verteilung – das wird somit ein großes, politisches Thema dieses Herbstes sein. Der sogenannte Spitzenausgleich bei der Ökosteuer ist nur ein Aspekt davon.