Freitag, 29. März 2024

Archiv

Umweltkrise im irakischen Basra
Giftiges Wasser, giftiger Boden

Die Provinz Basra im Süden des Irak leidet unter katastrophalen Umweltschäden. Die Bauern können nichts mehr anbauen, aus den Wasserhähnen kommt nur noch eine giftige bräunliche Brühe - die Krebsraten rund um den Fluss Schatt al-Arab sind hoch.

Von Carsten Kühntopp | 10.08.2019
In den Stadtkanälen von Basra türmt sich der Müll
In den Stadtkanälen von Basra türmt sich der Müll (Deutschlandradio / Carsten Kühntopp)
Träge fließt der Fluss. Über den Feldern am Ufer gegenüber weht eine iranische Flagge. Hier in Siba, im äußersten Süden des Irak, ist das Wasser des Schatt al-Arab hellbraun, wegen des hohen Sandgehalts. Durch ein baumdickes Rohr wird Flusswasser in die Silos des Wasserwerks von Siba gepumpt, zur Aufbereitung.
Doch der Chef des Wasserwerks, Ali Abdul Amir, weiß: Was seine Anlage in die Häuser von etwa 70.000 Menschen liefert, ist ungenießbar.
"Im Sommer ist der Salzgehalt des Wassers viel zu hoch. Wasser mit so viel Salz drin kann man nicht benutzen – sogar zum Abwaschen ist es untauglich."
Weder wird das Wasserwerk von Siba mit dem Sand fertig, noch mit dem Salz. Der Schatt al-Arab spendet kein Leben mehr, sondern bringt den Tod: Auf den Feldern rund um Siba wächst kaum noch was, einst war dies sehr fruchtbares und ertragreiches Land. Qassem Sabhan, Mitte 50, war Bauer, heute ist er Wachmann.
Seine letzte Ernte hatte er vor zehn Jahren, sagt er. Da fahren junge Leute mit einem Pritschenwagen langsam durchs Bauerndorf.
Ölförderung mit dramatischen Folgen
Über Lautsprecher bieten sie Obst und Gemüse an – also das, was die Menschen, die hier leben, früher selbst produziert haben. Qassem Sabhan bricht in Tränen aus.
"Wir empfinden großes Leid, großen Kummer! Sie haben unser Land zerstört, ich schwöre bei Gott, das ist wahr! Meine Palmen sind eingegangen, und niemand hat mich entschädigt. Heute leiden die Menschen Hunger."
Braune Brühe: das Wasser im Fluss Schatt al-Ara
Braune Brühe: das Wasser im Fluss Schatt al-Arab (Deutschlandradio / Carsten Kühntopp)
Der Schatt al-Arab speist sich aus Euphrat und Tigris und mündet in den Persischen Golf. Warum sein Wasser so giftig wurde, hat Doktor Shukry al-Hassan erforscht. Er ist Professor an der Universität von Basra.
"Der wichtigste Faktor war, dass der Fluss weniger Wasser führt. Deshalb fließt Meerwasser aus dem Persischen Golf hinein. So strömten auch giftige Materialien in den Fluss. Dann zählt die Entwässerung aus dem Iran zu den wichtigen Gründen der Verschmutzung. Weil dieses Wasser Komponenten von Pestiziden und Düngemitteln enthält, die sich im Wasser auflösen, verschlimmerten sich die Vergiftungsfälle."
Und schließlich leidet Basra an den Folgen der Ölförderung. Riesige Vorkommen werden hier ausgebeutet. Ihr Export macht den größten Teil der irakischen Staatseinnahmen aus.
"Die negativen Auswirkungen sind zum einen die giftigen Emissionen, die die Luft verunreinigen und unerträglich machen. In der Folge leiden die Menschen an Lungenkrankheiten und Krebs. Zum anderen werden die Böden verseucht, durch austretendes Öl. Deshalb sind die Böden für die Landwirtschaft nicht mehr nutzbar."
Untätige Zentralregierung
Die Provinzhauptstadt Basra mit ihren Kanälen galt einst als das "Venedig des Orients". Heutzutage kippen viele Menschen ihren Müll einfach in die Wasserstraßen. An die Corniche kommen noch immer viele Stadtbewohner, um sich zu erholen, mit Blick auf den Schatt al-Arab. Doch hier, in der Stadt, führt der Fluss viel Müll mit sich, am Ufer dümpeln Plastiktüten und Plastikflaschen. Ein alter Mann erinnert sich an bessere Zeiten.
Die Corniche am Ufer des Schatt al-Arab im irakischen Basra
Erholungsgebiet und Müllhalde: die Corniche am Ufer des Schatt al-Arab (Deutschlandradio / Carsten Kühntopp)
"Oh, meine Welt! Früher haben wir direkt vom Fluss getrunken. Aber jetzt - bei uns zuhause, wenn man den Wasserhahn aufdreht, kommt nur salziges Wasser raus, das man sich noch nicht mal ins Gesicht schütten kann."
Nicht erst seit Jahren, sondern seit Jahrzehnten wird Basra vom Staat weitgehend ignoriert. Bei Saddam Hussein, 2003 von den USA gestürzter Langzeitherrscher und Sunnit, mag das Methode gewesen sein, weil in Basra vor allem Schiiten wohnen. Doch auch die Zentralregierung heute hat wenig mehr als leere Versprechungen für Basra. Einige Teile der Provinz, wie die Felder rund um Siba, haben katastrophale Umweltschäden erlitten: giftiges Wasser, giftige Böden, giftige Luft. Imad Asfoor, Chef der Handelskammer von Basra, ist wütend.
"Basra produziert das Öl, erduldet im Gegenzug aber die ökologischen Schäden, die Umweltverschmutzung. Ob sich der Staat dessen bewusst ist, ist egal. Unabhängig davon leiden wir hier darunter."