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Umweltpolitik in Spanien

Die Spanier sind für ihr Engagement für die Umwelt bekannt. Hunderttausende Menschen hatten im März 2002 in Barcelona gegen umstrittene Wasserpläne der spanischen Regierung demonstriert. Ein Jahr später gingen Hunderttausende in Madrid auf die Straßen und haben gegen die spanische Regierung protestiert, der sie schwere Fehler beim Kampf gegen die Ölpest vorwarfen, nachdem der Öltanker Prestige vor der Nordwestküste Spaniens auseinander gebrochen war.

Von Hans-Günter Kellner | 06.03.2008
    Am kommenden Sonntag finden in Spanien Parlamentswahlen statt. Welche Rolle spielt dabei die Umweltpolitik?

    Theo Oberhuber ist einer der Veteranen in der spanischen Umweltbewegung. Umweltschützer wie er wurden lange Zeit belächelt. Doch seit Hunderttausende gegen die Fehler der damaligen Aznar-Regierung in der Umweltpolitik demonstrierten, wird Oberhuber, Enkel eines Österreichers, ernst genommen. Die Probleme der Umwelt werden auch diese Wahl nicht entscheiden, aber immerhin kommt keine Partei mehr daran vorbei, sagt Oberhuber:

    "Die Umweltpolitik ist durchaus ein Wahlkampfthema. Mehr noch als bei den letzten Wahlen. Das Wasser zum Beispiel: Die Volkspartei spricht wieder vom Bau großer Kanalanlagen von Nordspanien in den trockenen Süden. Das ist in Nordspanien nicht sehr populär. Der Klimawandel ist ein weiterer wichtiger Punkt, der von vielen Spaniern als große Herausforderung angesehen wird. Kein Politiker kann es sich im Wahlkampf heute noch leisten, das Problem nicht wenigstens zu erwähnen."

    Doch es fehlt auch der Regierung des Sozialisten José Luis Rodríguez Zapatero an Ernsthaftigkeit, kritisiert Oberhuber. Nichts deute darauf hin, dass das Land seine CO2-Emissionen bis 2020 um zehn Prozent reduzieren könne, so wie es der europäische Verteilungsschlüssel zum Bali-Abkommen vorsieht. Seit dem Jahr 2000 sind in Spanien jährlich rund 800.000 Wohnungen gebaut worden - mit Vorschriften zur Energieeffizienz aus dem letzten Jahrhundert, kritisiert Oberhuber.

    "Die Klimapolitik ist zwar in einigen Bereichen besser geworden. So gibt es nun einen Plan zur Kontrolle der Emissionen der Treibhausgase. Aber dieser Plan wird nicht umgesetzt. Die Hauptursache ist der Verkehr. Es gibt überhaupt keine Versuche, den Verkehr zu reduzieren. Im Gegenteil, er wird weiter wachsen. Die Regierung Zapatero will bis 2010 6000 Kilometer Autobahnen und 9000 Kilometer Hochgeschwindigkeitsstrecken für die Bahn bauen."

    Denn die Bauindustrie ist DER Wachstumsmotor der spanischen Wirtschaft. Angesichts der sich abzeichnenden Flaute auf dem Wohnungsmarkt hat Zapatero einen Infrastruktur-Plan vorgelegt, ohne bisher auf die Bedenken der Umweltschützer zu hören. Einen Bewusstseinswandel sieht Oberhuber hingegen bei den erneuerbaren Energiequellen Wind und Sonne, die in Spanien in den letzten vier Jahren spektakulär hinzugewonnen haben, und bei der Bekämpfung der Bodenspekulation.

    "Die Leute mobilisieren sich, wie wir es noch nie erlebt haben. Sie wehren sich, in Bürgerinitiativen, sie demonstrieren, sie bringen die Fälle zur Anzeige. Immer noch wollen Unternehmer mit dem Boden spekulieren, bauen, wo nicht gebaut werden dürfte. Aber es haben sich in den letzten vier Jahren einige Gesetze geändert, die Leute machen Druck. Einige Bürgermeister saßen wegen solcher Fälle schon im Gefängnis. Die Staatsanwälte gehen ernsthafter dagegen vor. Die Spekulation wird endlich bestraft."

    Ein Viertel der Oberfläche Spaniens gehört zum Europäischen Netz der Schutzgebiete "Natura 2000". Gleichzeitig gilt Spanien als ein vom Klimawandel besonders bedrohtes Land mit extrem hohen Temperaturen und Feuersbrünsten auf der einen und extrem starken Regengüssen auf der anderen Seite. Die Trockenperioden werden immer länger. Angesichts solcher Aussichten ist Spaniens Umweltpolitik auch unter José Luis Rodríguez Zapatero nicht entschlossen genug, meint auch Spaniens WWF-Generalsekretär Juan Carlos del Olmo.

    "Keine Partei sagt, dass das Wasser einen echten Preis haben muss, und nicht einen, der aus politischen Gründen niedrig gehalten wird. Keine Partei sagt, dass der Strom tatsächlich das kosten muss, was seine Herstellung kostet. Unsere Energie ist zu billig, darum verschleudern wir sie. Die besonders stark kontaminierenden fossilen Brennstoffe sind ebenfalls viel zu billig, wenn man sich die Folgekosten ansieht. Das alles müsste mit einer Ökosteuer korrigiert werden, die gleichzeitig saubere Energiequellen subventioniert, die uns technologisch auch weiterbringen. Da sind leider alle Wahlprogramme viel zu vage."