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Umweltverschmutzung
Afrika als Europas Autoschrottplatz

Das UN-Umweltprogramm kritisiert, dass schrottreife und stark umweltverschmutzende Autos aus Europa nach Afrika exportiert werden - und haben eine Initiative für Mindeststandards gestartet. Afrikanische Autohändler befürchten Nachteile, doch es gibt bereits positive Vorbilder.

Von Jana Genth und Antje Diekhans | 14.11.2020
Autowerkstatt in Bamako, Mali
Gebrauchtwagen werden häufig nach Afrika exportiert, verschmutzen dort die Umwelt und verursachen Verkehrsunfälle (imago /Jörg Böthling)
Eine Straßenkreuzung in Kenias Hauptstadt Nairobi. Hier warten die Fahrer von einfachen Taxis auf Kunden. Kaum ein Auto ist jünger als zehn Jahre. Einigen sieht man an, dass sie aus unterschiedlichen Teilen zusammengeschweißt sind. Fast alle Fahrer haben schon Unfälle oder Fast-Unfälle gehabt.
"Die Motorhaube hat sich geöffnet, als ich etwa 80 Stundenkilometer gefahren bin. Zum Glück habe ich es noch geschafft, das Auto zu stoppen."
"Unfälle sind normal. Du bist unterwegs und der Wagen reagiert nicht mehr richtig. Dann trittst du auf die Bremse, aber es ist zu spät und du bist schon auf ein anderes Auto aufgefahren. Das ist dann ein Fall für die Versicherung."
Autoschlange in Nairobi, Kenia, aufgenommen 2006
Exportautos verpesten die Luft
Smog in Afrikas Großstädten: Hauptursache sind Autoabgase von Gebrauchtwagen – importierte Dreckschleudern aus Europa und Japan, die auf europäischen Straßen nicht mehr erlaubt sind. Doch einheitliche Gesetze zum Umweltschutz sind in Afrika rar.
Schädliche Abgase der alten Autos belasten die Umwelt
Die Sicherheit auf den Straßen ist das eine. Das andere sind die schädlichen Abgase, die von den alten Autos ausgestoßen werden. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNEP schlägt Alarm. Denn die Zahl der Fahrzeuge wird in den nächsten Jahren noch zunehmen, sagt Direktorin Inger Andersen.
"Die globale Fahrzeugflotte wird sich bis zum Jahr 2050 voraussichtlich verdoppeln. 90 Prozent dieses Wachstums wird wahrscheinlich in Ländern verzeichnet, die ein geringes Pro-Kopf-Einkommen haben. Dort werden vor allem importierte Gebrauchtwagen gekauft."
Das Problem: Diese Autos sind oft in einem katastrophalen Zustand. Ausgemustert und teils sogar ausgeschlachtet in Europa, Japan oder den USA werden sie Richtung Afrika verschifft.
"Entwicklungsländer vor allem in Afrika dienen als Schrottplatz für Autos, die von den reichen Ländern nicht mehr als sicher oder sauber genug angesehen werden. Das widerspricht allen Regeln der Fairness. Und es ist ein Grund, sich um die Gesundheit der Menschen und um die Umwelt zu sorgen."
Viele Autos erfüllen in Afrika nicht die geltenden Umweltstandards
Das UN-Umweltprogramm veröffentlichte zuletzt eine Studie, wonach innerhalb von drei Jahren weltweit etwa 14 Millionen Gebrauchtwagen exportiert wurden. Mehr als drei Viertel gingen in arme Länder. Ein Großteil der Fahrzeuge erfüllt nicht die geltenden Umweltstandards. Für die Käufer zählt vor allem, dass die Wagen erschwinglich sind.
Eddy Chiriga steckt mitten in Verhandlungsgesprächen mit einem Kunden. Er ist ein erfahrener Autoverkäufer in Simbabwes Hauptstadt Harare. Vor einigen Jahren hat er bei einem Verkehrsunfall ein Bein verloren, aber das hält ihn nicht davon ab, weiter seinen Beruf auszuüben. Die Autos, die er anbietet, sind alle schon viele Jahre alt. Er achte auf den Zustand der Wagen, nicht auf das Baujahr, meint Eddy Chiriga. Der Autohändler fürchtet große Nachteil, wenn der Export gebrauchter Fahrzeuge eingeschränkt werden sollte.
Elektroschrott-Sammler auf einer Müllhalde im Stadtteil Agbogbloshie in der ghanaischen Hauptstadt Accra.
Recycling von Elektroschrott: Ist die Kreislaufwirtschaft eine Illusion?
Zwischen Waschmaschinen und Computerteilen leben 60.000 Menschen auf einer von Ghanas größten Elektroschrott-Deponien. Sie sollen recyclen, was Verbraucher weggeworfen haben. Mit deutscher Hilfe. Kann das funktionieren?
"Unser Geschäft wird nicht überleben, wenn nur noch Autos, die nicht älter als fünf Jahre sind, eingeführt werden dürfen. Solche Wagen können sich nur Firmen oder Organisationen leisten. Für die normalen Leute sind sie unerschwinglich."
Die Vereinten Nationen haben eine Initiative gestartet, um Mindeststandards für den Import von Gebrauchtautos aufzustellen. Es gehe dabei nicht darum, den Handel völlig zu unterbinden, sagt UNEP-Direktorin Inger Andersen.
"Wir verlangen kein komplettes Verbot. Aber der Gebrauchtwagenmarkt sollte genauso reguliert sein, wie er es in Europa ist."
Mehrere afrikanische Länder haben neue Richtlinien erlassen
Mehrere afrikanische Länder haben schon neue Richtlinien erlassen. Ghana beispielsweise begrenzt jetzt den Import. "In diesem Jahr haben wir die Gesetze angepasst", sagt der Umweltminister des Landes, Kwabena Frimpong-Boateng. "Es sollen keine Fahrzeuge mehr eingeführt werden, die in einem schlechten Zustand oder beschädigt sind. Generell dürfen sie nicht älter als zehn Jahre sein."
Straßenszene und Blick in die Berge
Carsharing-Projekt - Ruanda will mobil in die Zukunft
Startschuss für ein internationales Carsharing-Projekt in Ruanda: Künftig soll die dortige digital affine Bevölkerung per App Mitfahrgelegenheiten finden oder ein Auto mieten. Daran beteiligt sind Firmen wie VW und Siemens.
Die Elfenbeinküste und Mauritius haben vor Jahren ähnliche Schritte unternommen. Der Studie des UN-Umweltprogramms zufolge sind die Geschäfte dadurch nicht zurückgegangen, sagt Autorin Jane Akumu.
"Sie waren in der Lage, sehr saubere Wagen zu importieren. Die Gesamtzahl der Fahrzeuge hat weiter zugenommen." Während die Belastung für die Umwelt trotzdem abnimmt. Von Afrikas Straßen sollen nur die unsicheren Abgasschleudern verschwinden, die in Europa schon längst nicht mehr fahren dürfen, sagt UNEP-Direktorin Inger Andersen.
"Schrott-Fahrzeuge sollten verschrottet werden. Dann werden ihre Bestandteile recycelt und neu verwendet. Alle Autos, die nicht mehr fahrtauglich sind, sollten aus dem Verkehr gezogen werden. Das wäre eine gute Sache."