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(Un-)Belastete Lebensmittel

Der pazifische Raum ist die fischreichste Region der Welt. Ein atomarer Unfall könnte Fische und Lebensmittel belasten, die von dort aus exportiert werden. In Deutschland ist man seit dem Reaktorunfall von Tschernobyl auf den Ernstfall vorbereitet.

Von Annette Eversberg | 17.03.2011
    In Deutschland werden bundesweit Lebensmittel regelmäßig auf Radioaktivität untersucht. 400 Proben von Milch, Pilzen, Wildfleisch, Gemüse oder Getreide gehen pro Jahr allein beim chemischen und Veterinäruntersuchungsamt in Münster ein. Doktor Claus Wiezorek leitet die Untersuchungen.

    "Auf der einen Seite haben wir die Untersuchung auf der Erzeugerstufe, also unmittelbar vom Acker, wenn Sie so wollen - Primärprodukte -, auf der anderen Seite haben wir aber auch noch Zollprodukte. Importe aus Drittländern, die gegebenenfalls von Tschernobyl betroffen sind, werden uns gesandt. Drittens haben wir dann noch die Lebensmittelüberwachung, die vom Handel Proben nimmt, die im Verdacht stehen, erhöhte Radioaktivitätsgehalte zu haben. Das sind im Grunde diese drei Säulen, auf denen insgesamt die Überwachungen der Radioaktivität in Lebensmitteln beruhen."

    Eine radioaktive Belastung entsteht nicht nur durch atomare Unfälle. Sie kommt bereits natürlicherweise vor. Zum Beispiel im Kalium. Einem Mineralstoff in Gemüse, Obst oder Getreide.

    "Das Kalium enthält auch immer radioaktives Kalium, sodass alle Pflanzen und tierische Produkte Kalium 40 als natürliche Radionuklide enthalten."

    Auch Mineralwasser wird auf Radioaktivität untersucht. Denn im Boden befindet sich Uran, eine dauernde Quelle für eine natürliche Radioaktivität. Aber seit dem Reaktorunfall von Tschernobyl hat man die Bestimmungen für die Lebensmittelüberwachung verschärft. Claus Wiezorek.

    "Unmittelbar nach dem Unfall von Tschernobyl ist ja das Strahlenschutzvorsorgegesetz erlassen worden. Es gibt EU-Verordnungen, die den Import von Produkten aus Drittländern regeln, die vom Kernkraftwerksunfall in Tschernobyl betroffen waren. Die sind etwas aktualisiert worden. Aber im Grunde hat sich daran nichts geändert."

    Ein dichtes Informations- und Messsystem liefert seitdem ständig Daten über mögliche radioaktive Belastungen. Jede Veränderung, etwa durch den Reaktorunfall in Japan, würde sofort entdeckt. Bisher hat die Überwachung aber ergeben, dass nach Tschernobyl die Belastungen in Deutschland wieder auf einen normalen Stand gesunken sind. Nur in den Waldböden hält sich nach den Erkenntnissen von Claus Wiezorek noch Cäsium, das eine lange Halbwertzeit hat, und zum Beispiel über die Pilze in die Nahrungskette gelangt.

    "Die Pilze reichern das Radio-Cäsium häufig an, weil sie es mit Kalium verwechseln, wenn man so will, weil sie das Kalium speziell für einen Farbstoff im Pilzhut brauchen. So ist das beispielsweise bei den Maronen. Und dadurch wird in den Maronen auch stark das Radio-Cäsium angereichert."

    Hier bleibt die radioaktive Belastung weit unter dem Grenzwert für Cäsium von 600 Becquerel pro Kilogramm. Auch Fische werden regelmäßig vom Hamburger Institut für Fischereiökologie untersucht. Denn die Anreicherung von Radioaktivität im Fisch geht – so Claus Wiezorek – sehr schnell.

    "Die Friedfische, die ja die Pflanzen aufnehmen, reichern die Radioaktivität relativ schnell in ihrem Organismus an. Und die Raubfische, die danach folgen, entsprechend auch."

    Sollten die Hamburger Fischereiökologen nach dem Reaktorunfall von Fukushima eine ungewöhnliche radioaktive Belastung feststellen, kann die EU kurzfristig reagieren. Denn Tschernobyl war ein Testfall, mit dem man sich auch auf künftige atomare Katastrophen vorbereitet hat, betont Claus Wiezorek.

    "Es gibt entsprechend auch eine EU-Verordnung, die besagt, dass neue Grenzwerte erlassen werden durch die Kommission der EU, im Falle eines erneuten Ereignisses. Grenzwerte, die dort vorgesehen sind, sind in der Tat höher als 600 Becquerel."

    Bisher geben die Fachleute Entwarnung. Eine Gefährdung der deutschen Verbraucher durch Fisch aus Japan liege derzeit nicht vor. Eine schnelle Gefahrenabwehr sei jedoch jederzeit möglich.