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UN-Klimakonferenz in Madrid
Niklas Höhne: "Phlegmatismus und Dreistigkeit haben mich sehr enttäuscht"

Die 25. Weltklimakonferenz ging ergebnislos zu Ende. Der in Madrid erzielte Minimalkonsens bringt den Klimaschutz nicht voran. Niklas Höhne vom New Climate Institute erklärt, wer Fortschritte blockiert hat und warum jetzt alle Hoffnungen auf der EU ruhen: "Wenn die EU keine Vorreiterrolle übernimmt, sehe ich schwarz."

Niklas Höhne im Gespräch mit Ralf Krauter | 16.12.2019
Dr. Niklas Höhne im DLF-Studio
Der Klimaexperte Niklas Höhne vom New Climate Institute, bei einem Besuch im Kölner Funkhaus des Deutschlandfunk im Jahr 2016 (Uli Blumenthal)
Ralf Krauter: Zum Auftakt des 25. UN-Klimagipfels haben wir in dieser Sendung vor zwei Wochen mit der Physikerin Dr. Ulrike Kornek gesprochen. Die Forscherin vom Mercator-Institut für Klimawandelforschung in Berlin erklärte damals, welche Weichen in Madrid gestellt werden müssten, damit der Klimaschutz global endlich Fahrt aufnimmt. Ihre Kernaussage war: Die Unterzeichner des Pariser Klimaabkommens müssten ihre Selbstverpflichtungen, die CO2-Emissionen zu reduzieren, wirklich umsetzen. Und sie müssten ihre Ambitionen künftig weiter steigern. Seit Sonntag wissen wir, dass in Madrid nichts davon auf den Weg gebracht wurde. Die Klima-Diplomaten verhedderten sich im Streit um technische oder juristische Details und brachten am Ende nur einen Minimalkonsens zustande, der keinerlei Fortschritt bringt. UN-Generalsekretär Antonio Guterres twitterte am Ende frustriert: "Ich bin enttäuscht von der Konferenz." Die internationale Gemeinschaft habe eine große Chance vertan. Professor Niklas Höhne vom New Climate Institute in Köln war vor Madrid schon bei 22 anderen UN-Klimagipfeln dabei. Ich habe vor eineinhalb Stunden mit ihm telefoniert und gefragt: Teilen Sie die Einschätzung des UN-Generalsekretärs? Außer Spesen nichts gewesen in Madrid?
Niklas Höhne: Ich bin natürlich auch sehr enttäuscht. Wir alle spüren die Folgen des Klimawandels. Die Wissenschaft sagt klar und deutlich, dass wir uns in einer Klimakrise befinden und jetzt sofort handeln müssen. Millionen Menschen haben das verstanden und gehen auf die Straße und demonstrieren für Klimaschutz. Dennoch hat sich die Staatengemeinschaft nicht einigen können, ein klares Signal zu setzen, sondern verliert sich im Klein-Klein. Handeln im Zeichen der Klimakrise sieht wirklich anders aus.
Krauter: Johann Rockström, der Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, hat im Nachgang gesagt: "Alle wichtigen Themen wurden vertagt." Wie kam’s dazu? Wie haben Sie die Konferenz in Madrid erlebt?
Höhne: Die Klimakonferenzen sind sehr kompliziert. Man verhandelt im Konsens-Prinzip, das bedeutet kein einziger der 196 Staaten darf dagegen sein. Und das ist natürlich sehr sehr schwierig, da überhaupt zu Entscheidungen zu kommen. Das klappt eigentlich nur, wenn die großen Staaten zusammen arbeiten. Ein Beispiel: Das Klimaschutzabkommen von Paris im Jahr 2015 ist lange vorbereitet worden - da haben sich die USA und China weit vor der Konferenz geeinigt. Dann haben sie die anderen Staaten entweder mit einbezogen oder isoliert.
"Einige Länder haben auf relativ dreiste Art und Weise blockiert."
Jetzt haben sich aber die USA aus dem Prozess zurück gezogen und das macht es leider den Störenfrieden sehr leicht, sich aus der Deckung zu trauen und eben Entscheidungen zu verhindern. Und das haben Länder wie Brasilien, Australien, zu Teil auch Japan genutzt. Alles Regierungen, die nichts vom Klimaschutz halten - und die haben den Spielraum genutzt und auf relativ dreiste Art und Weise blockiert. Deswegen ist am Ende quasi nichts rausgekommen.
Krauter: Nun gibt's wegen genau dieses Befunde, den Sie schildern, Leute, die sagen: Lasst uns diese ergebnislosen Mammut-Konferenzen künftig gar nicht mehr durchführen. Denn offenbar bringen die ja nichts, wenn die Regierungen großer Staaten wie die USA, Brasilien und Australien überhaupt kein Interesse am Klimaschutz zeigen. Teilen Sie diese Argumentation? Oder würde das heißen, das Kind mit dem Bad auszuschütten?
Höhne: Die Klimadiplomatie ist überhaupt nicht nutzlos. Sie ist sehr wichtig und wir stünden sehr viel schlechter da ohne diesen Prozess. Wir haben mal ausgerechnet: Ohne das Pariser Klimaschutzabkommen wären wir Ende des Jahrhunderts ungefähr bei Temperaturerhöhungen von 3.5 Grad. Und heute sind wir bei ungefähr drei Grad. Das ist deutlich besser, aber immer noch weit weg davon, wo wir sind. Der Prozess alleine kann das Problem nicht lösen. Insbesondere nicht in Zeiten von Populismus, wo Regierungen auf eigene Vorteile setzen und Wissenschaft und Fakten ignorieren. Wir könnten ihn vielleicht ein Bisschen abspecken und durch andere Prozesse erweitern.
Eine 'Allianz der Willigen' sollte eine Vorreiterrolle übernehmen
UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat das versucht dieses Jahr. Er hat einen Sondergipfel gemacht im September - und nur die eingeladen, die es auch tatsächlich ernst meinen mit dem Klimaschutz. Bei der Veranstaltung waren zum Beispiel die USA und Australien überhaupt nicht dabei.
Krauter: Also die Idee einer 'Allianz der Willigen', die manche schon ins Feld geführt haben - das hielten Sie für einen guten Ansatz?
Höhne: Unbedingt. Das braucht es sowieso auch im Rahmen des Pariser Klimaschutzabkommens. Das funktioniert ja nur, indem eben Länder freiwillige Selbstverpflichtungen eingehen. Und das kann nur gelingen, wenn große Staaten zusammenarbeiten, um den ersten Schritt zu tun und dann andere mitzuziehen. Und diese 'Allianz der Willigen' - in den vergangenen Jahren waren das die USA und China. Das geht nicht mehr und jetzt muss man neue Allianzen finden. Die einzigen, die ich sehe, ist eben die EU. Die kann zuhause sich neue Klimaschutzziele auferlegen, den 'Green Deal' umsetzen, könnte dann sich zusammensetzen mit China und gemeinsam das Vorgehen beschließen - und damit dann hoffentlich andere Staaten mitziehen. Das wird nicht einfach. Ich glaube, die USA werden versuchen, genau das zu verhindern. Aber zur Zeit ist das der einzige Weg nach vorn.
Krauter: Sie haben vorhin gesagt: Wenn sich alle an die in Paris gemachten Zusagen halten würden, würden wir vermutlich bei einer Welt landen, die um 2100 drei Grad wärmer wäre als vor Beginn der Industrialisierung. Jetzt haben Sie den 'Green Deal' Ursula von der Leyens angesprochen, den Vorschlag der EU-Kommission etwas stärker auf Gas zu treten beim Klimaschutz und schon bis 2050 klimneutral zu werden. Wieviel näher brächte uns das dem Erreichen des 1.5- oder 2-Grad-Ziels?
Höhne: Das würde natürlich unsere Temperaturschätzung verbessern. Ein kleines Bisschen wahrscheinlich. Aber das ist nicht der Punkt. Der wirklich wichtige Punkt wäre die Signalwirkung.
"Wenn die EU jetzt nicht vorangeht, sehe ich schwarz"
Wenn jetzt ein Land oder eine Gruppe von Ländern wie die EU beschließt sehr schnell komplett aus Kohle, Öl und Gas auszusteigen und damit die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens umzusetzen, dann hat das eine Signalwirkung an alle anderen, dass diese Transformation tatsächlich passiert und dass man sich beeilen sollte, auf den Zug zu springen - denn sonst verpasst man vielleicht was. Deswegen ist es so wichtig, dass die EU diesen Schritt geht und als Vorreiter hier voran geht. Wenn das nicht passiert, sehe ich ehrlich gesagt schwarz. Denn wer soll das sonst machen? Dann können sich alle zurücklehnen und auf die anderen verweisen.
Krauter: Wenn der Vorstoß der EU so sinnvoll und erwünscht ist, warum ist dem dann keiner gefolgt? In Madrid hat es mit der 'Allianz der Willigen' ja offenbar noch nicht geklappt.
Höhne: Die EU hätte das natürlich schon sehr viel früher machen müssen. Alle haben gehofft, dass die EU schon dieses Jahr das beschließt und auch das kurzfristige Ziel erhöht und sagt: Wir stehen dazu, wir machen jetzt ambitionierten Klimaschutz. Das ist leider nicht passiert, auch die EU ist etwas zögerlich. Der Vorschlag des 'Green Deals' kam jetzt von der Kommission, der ist noch gar nicht durch alle Mitgliedsstaaten durch. Da müsste die EU noch deutlicher werden, um genau das zu tun.
Immer mehr Länder bekennen sich zur Klimaneutralität
Ich glaube aber, die 'Allianz der Willigen' passiert schon ein Bisschen. Es gibt immer mehr Länder und auch Bundesstaaten, die sich das Ziel der Klimaneutralität auferlegen - Kalifornien zum Beispiel gehört dazu. Diese Gruppe wird immer größer. Und ich glaube, das ist das, worauf man hinarbeiten muss: Diese Gruppe so groß zu machen, dass die quasi alle anderen mitziehen.
Krauter: Ist das aus Ihrer Sicht das Wichtigste, was im Vorlauf zu nächsten Klimakonferenz im kommenden Jahr in Glasgow passieren muss - diese Seilschaft quasi zusammenbinden?
Höhne: Ich glaube zwei Dinge sind wichtig, um Glasgow zum Erfolg zu führen. Das eine ist diese Gruppe der Staaten, die klimaneutral werden wollen, zusammenzubringen, zu vergrößern und möglichst viele in diese Gruppe reinzubringen. Das Zweite ist, auf dem diplomatischen Weg Allianzen zu schmieden - also die EU mit China. Zuammen ein gemeinsames Vorgehen abzustimmen und damit zu zeigen, wie dieser Gipfel aussehen kann. Wenn die EU es nicht schafft, sich vor dem Gipfel mit China zu einigen, dann wird es sehr schwierig.
Krauter: Sie haben schon 23 UN-Klimakonferenzen vor Ort begleitet. Welches Etikett würden Sie COP25 in Madrid aufkleben?
Höhne: Das war für mich sicher eine der enttäuschendsten Klimaverhandlungen. Die Erwartungen waren nicht hoch. Aber selbst die niedrigen Erwartungen sind nicht erfüllt worden. Wir sind sehr spät dran. Wir haben jetzt lange verhandelt. Das war die 25. Klimakonferenz. Wir stehen vor einer Klimakrise. Wir sehen, dass wir eigentlich einen Notstand haben und wir müssten sofort handeln. Der Phlegmatismus, der sich da breit gemacht hat, oder auch die Dreistigkeit, mit der da einige Länder blockiert haben, die hat mich sehr sehr enttäuscht.