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Unabhängigkeit
Europa im Sezessionsfieber

Ob Katalonien, Südtirol, Schottland oder auf Korsika: In der Europäischen Union gibt es viele Länder oder Regionen, die nach Unabhängigkeit streben. Dabei setzen die Separatisten höchst unterschiedliche Methoden ein. Aber die EU will unbedingt verhindern, dass Europa in Kleinstaaten zerfällt.

Von Karin Bensch | 09.10.2017
    Demonstration für die Unabhängigkeit Kataloniens in Barcelona
    Der Streit über die Unabhängigkeit Kataloniens spaltet die Region ebenso wie das Land (AFP/ Lluis Gene)
    Die Krise zwischen Katalonien und Spanien – sie bringt auch die EU in eine vertrackte Lage. Bislang hat sich die Kommission nicht als Vermittlerin angeboten und ist dafür scharf kritisiert worden. Doch mischt sich die Brüsseler Behörde in den Konflikt ein, riskiert sie, den Separatisten Legitimität zu verleihen. Denn was jetzt für Katalonien gilt, müsste später wohl auch für andere Regionen in Europa gelten, die unabhängig werden wollen. Und davon gibt es einige.
    Zum Beispiel für die französische Insel Korsika. Dort gibt es seit Jahrzehnten Unabhängigkeitsbestrebungen. 2014 legte die "Korsische Nationale Befreiungsfront" zwar ihre Waffen nieder. Zugleich gewannen separatistische Kräfte in der Politik aber an Macht. Der Präsident des korsischen Parlaments, Jean-Guy Talamoni, will Korsika zu einem unabhängigen Staat machen. Er fordert, politische Gefangene freizulassen, den Immobilienkauf durch Korsen zu fördern und Korsisch neben Französisch als offizielle Inselsprache einzuführen.
    Abspaltung aus historischen Gründen: Das kennt man auch in Großbritannien. 2014 hatten die Schotten mit knapper Mehrheit gegen die Unabhängigkeit entschieden. Doch die Pläne für ein neues Referendum liegen nur auf Eis.
    "Wenn mehr Details über den Brexit bekannt sind, wird es zwischen Herbst nächsten Jahres und Frühjahr 2019 erneut eine Abstimmung geben", sagte die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon.
    Die EU will keine Zersplitterungen
    Auch Italien hat mit Abspaltungskräften zu kämpfen. In Südtirol wollen sich viele seit langem von Italien loszusagen. In der deutschsprachigen Region liegt das Bruttosozialprodukt deutlich über dem italienischen Durchschnitt. Neue Unabhängigkeitstendenzen kommen aus der Lombardei und Venetien. Die wohlhabenden Regionen in Norditalien wollen am 22. Oktober nichtbindende Referenden abhalten.
    "Es soll darum gehen, wie unsere Bürger zu mehr Autonomie von Rom stehen", sagt der lombardische Regionalpräsident Roberto Maroni von der rechtspopulistischen Partei "Lega Nord".

    Man wolle sich nicht von Italien abspalten. Es gehe vielmehr um finanzielle Unabhängigkeit. Die Lombardei und Venetien machen zusammen fast ein Drittel der Wirtschaftskraft Italiens aus und fordern mehr Zugriff auf ihr Steueraufkommen.
    Die Regierungen in Rom, Paris und Madrid haben kein Interesse daran, dass ihre Länder zersplittern. Und die EU-Kommission will verhindern, dass Europe in Kleinstaaten zerfällt.
    "Wir haben viele unterschiedliche regionale Traditionen, das gehört zu den Besonderheiten Europas", meint Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.
    Diese regionalen Besonderheiten dürften aber nicht zu Separatismus in Europa führen, fügte Juncker hinzu.
    Heute Katalonien, morgen Korsika, übermorgen Südtirol? Damit die EU nicht zerbröckelt, versucht die Kommission sie zusammenzuhalten. Ohne laute Worte vor Kameras und Mikrofonen, eher still im Hintergrund. Nach dem Motto: Einigkeit statt Unabhängigkeit.