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Unabhängigkeit und Fehlentwicklungen

Die Vereinten Nationen haben 2010 zum Jahr der Biodiversität ausgerufen. Aus diesem Anlass hat die Deutsche Umwelthilfe in Berlin ihre Ideen und Forderungen zum Erhalt der biologischen Vielfalt vorgestellt.

Von Dieter Nürnberger | 07.01.2010
    An erster Stelle steht bei der Deutschen Umwelthilfe die Kritik an der Bundesregierung. Immer mehr werde das Artensterben ein Problem, national wie auch international, aber passieren würde zu wenig. In Deutschland sei beispielsweise 2007 eine nationale Biodiversitätsstrategie verabschiedet worden, doch das darin formulierte Ziel, den Artenschwund bis 2010 zu stoppen, sei deutlich verfehlt worden. Endlich Taten statt Worte fordert nun der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Rainer Baake, verbunden mit einem Biodiversitätsgesetz, welches konkrete und verbindliche Vorgaben formulieren soll:

    "Wir brauchen Nachhaltigkeitskriterien bei der Bewirtschaftung der Flächen, etwa beim Wald. Im Waldgesetz müssen klare Kriterien eingeführt werden, was erforderlich ist, damit unser Wald nicht nur als Forst, das heißt, zur Produktion von Holz existiert. Er ist nämlich auch Lebensraum für bedrohte Tierarten. Ähnliches gilt für den Bereich der Landwirtschaft. Zudem müssen wir im Verkehrssektor dafür sorgen, dass Lebensräume nicht weiter zerschnitten werden. Wo dies schon passiert ist, müssen wir Durchgänge schaffen. Zum Beispiel durch Tierbrücken."

    Eine weitere Forderung der Deutschen Umwelthilfe: Für sämtliche staatlichen Vorhaben solle künftig ein Biodiversitätscheck eingeführt werden. Die Umwelthilfe zeigt sich alarmiert über die anhaltenden Verluste der Artenvielfalt. So stehe nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz ein Drittel aller Wirbeltierarten in Deutschland auf den Roten Liste. Dies hänge unter anderem auch mit dem immer noch vorhanden Flächenverbrauch in Deutschland zusammen. Grünland werde weiterhin in Agrar-, Siedlungs- oder Industriefläche umgewandelt und dies habe Folgen für die Artenvielfalt, sagt Ulrich Stöcker, er ist Leiter der Abteilung Naturschutz bei der Deutschen Umwelthilfe. Er nennt das Beispiel der Feuchtwiesen, auch hier sei die Flächenentwicklung weiterhin rückläufig:

    "Dort sind in naturnahen Grünlandbereichen weiterhin große Artenrückgänge zu verzeichnen. Seit Jahren gehen beispielsweise die Bestände solcher ehemaliger 'Allerweltsarten' wie des Kiebitzes oder der Feldlerche zurück. Das sind Arten, die typischerweise auf feuchte Wiesen angewiesen sind. Bei der Feldlerche liegt es auch daran, dass ebenso immer mehr naturnahe Felder durch Acker-Monokulturen ersetzt werden."

    Diese Liste der bedrohten oder aussterbenden Arten in Deutschland lasse sich leider recht einfach ergänzen und fortschreiben, so die Umwelthilfe. Betroffen seien beispielsweise auch der Feldhamster, der Uhu und verschiedene Froscharten. Die Kritik der Umwelthilfe zielt übrigens weniger auf Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU), sondern auf andere Minister wie etwa die Agrar- und Ernährungsministerin Ilse Aigner oder auch den Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer, beide CSU. Diese würden durch ihre Politik Klientelinteressen vertreten und somit der Artenvielfalt schaden. Man müsse Artenschutzpolitik als Querschnittsaufgabe betrachten, sagt Ulrich Stöcker:

    "Die Intensivierung in der Agrarwirtschaft hält unverändert an. Es ist somit unsere Hauptbotschaft, dass die wesentlichen Treiber und Verantwortlichen dieser Entwicklung in den Bereichen der Landwirtschafts- oder auch der Fischereipolitik zu finden sind."

    Deutschland habe derzeit den Vorsitz bei der UN-Artenschutz-Konvention und die Deutsche Umwelthilfe fordert nun ein verstärktes Engagement der Bundesregierung in diesem Bereich. Hierbei gehe es auch um Glaubwürdigkeit, sagt Rainer Baake, der Bundesgeschäftsführer.

    "Das ist ähnlich wie beim Klimaschutz. Wir haben ein globales Problem – neben dem Klimaschutz ist es auch der Verlust der Arten. Das heißt aber nicht nur Elefanten- oder Tigerschutz, sondern es heißt auch, in Deutschland die Tierarten zu schützen. Wir können nicht von Ländern - beispielsweise in Afrika oder Asien - etwas verlangen, wenn wir nicht auch vor der eigenen Haustür unsere Hausaufgaben erledigen. Auch wir haben wichtige Arten in Deutschland, deren Lebensräume gehen verloren. Diese müssen wir schützen, weil wir sonst nicht glaubwürdig sind."

    Die Umwelthilfe hofft also, dass das Internationale Jahr der biologischen Vielfalt, ausgerufen von der UNO, entsprechend für Taten genutzt werde. Und für Deutschland heiße dies vor allem verbindlichere Gesetze, damit der Artenschwund hierzulande wirklich einmal gestoppt werde.