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Unbekannte Freundschaft

Bis heute reist der Borussia Mönchengladbach regelmäßig ins heilige Land und auch umgekehrt sind israelische Vereine zum freundschaftlichen Austausch am Niederrhein.

Von Robert Hunke | 08.01.2011
    Borussia Mönchengladbach und Israel, das ist eine ganz enge Freundschaft. Eine Beziehung die in den 70er-Jahre begann - zu einem Zeitpunkt an dem die Diplomatie zwischen den jungen Demokratien Deutschland und Israel noch in den Kinderschuhen steckte.
    Insgesamt war die Borussia über 14 Male in freundschaftlicher Mission in Israel:

    "Das hat sicher auch in Israel Anklang gefunden und dadurch sind sicher auch die diplomatischen Beziehungen einfacher geworden kann ich mir vorstellen weil der Sport schlägt Brücken und das hat er da sicher bewerkstelligt. Und wir sind dann sehr oft da hingefahren und hingeflogen. Wir sind da unglaublich gastfreundlich behandelt worden."

    Der heutige Leverkusener Bundesligatrainer und Borussen Legende Jupp Heynckes spricht hier an was im Februar 1970 als Liebe auf den ersten Blick begann. Unbekümmert - quasi im Vorbeigehen reißen die Fohlen bei ihrem ersten Besuch in Israel1970 die Bevölkerung auf ihre Seite.
    6:0 schlägt Mönchengladbach um einen überragenden Günter Netzer damals die Nationalmannschaft Israels. In einem Land das 25 Jahre nach Ende des Holocaust trotz Adenauers Aussöhnungspolitik kritisch auf Deutschland schaut, steht das ausverkaufte Bloomfield Stadion in Tel Aviv an diesem Tage Kopf und feiert die Mannschaft von Hennes Weisweiler mit "Vivat Germania" Sprechchören - damals eine Sensation!

    Die Führungsspitze des Vereins will damals unbedingt dieses Abenteuer. Auch wenn einige Spieler wie der damalige Mittelstürmer Herbert Laumen zunächst Angst haben vor einem Land, das immer wieder vom arabischen Terror heimgesucht wird. Die Führungsspitze des Vereins will damals unbedingt dieses Abenteuer. Auch wenn einige Spieler wie der damalige Mittelstürmer Herbert Laumen zunächst Angst haben vor einem Land, das immer wieder vom arabischen Terror heimgesucht wird:

    "Dann hat man uns aber überredet, da würde nichts passieren, da sind wir mit einer Bundeswehrmaschine nach Tel Aviv geflogen, dann haben wir da gegen die Nationalmannschaft gespielt, da dann aber ein `Feuerwerk` abgebrannt und 6:0 gewonnen - wir wurden unglaublich gefeiert."

    Der Grundstein einer Freundschaft ist gelegt. Borussia Mönchengladbach reist in der folge noch über 14 Mal nach Israel. Der Ursprungskontakt kommt über die Trainer Legende Hennes Weisweiler zu Stande. Auf seiner persönlichen Freundschaft zum israelischen Nationaltrainer Edi Schaffer basiert die ganze Beziehung. In den 60ern bildete der Fußballlehrer auf seinem Trainerlehrgang in Köln als ersten Ausländer Edi Schaffer aus. Weisweiler ist berührt vom Schicksal des Israelis. Im zweiten WK wird Schaffer als deutsches, jüdisches Kind mit seiner Familie aus Recklinghausen vertrieben, später ermordeten Nazis Schaffers gesamte Familie. Weisweiler freundet sich mit Schaffer an und als dieser israelischer Nationaltrainer wird halten beide Wort: Mönchengladbach kommt sofort nach Israel.

    Für die langjährige gute Seele des Vereins und Teilnehmer aller Nahostreisen, Masseur Charly Stock steht heute fest ...

    "...dass Hennes Weisweiler der Initiator dieser intimeren, engeren, dauerhafteren Freundschaft. Und auch Helmut Grasshof davon zu überzeugen. Also dass es wichtig ist mit Israel Freundschaft zupflegen, das haben alle erkannt!"

    1972 dann erreicht die enge Beziehung zwischen Mönchengladbach und Israel einen ersten Höhepunkt. Mit Shmuel Rosenthal wechselt der Libero der israelischen Nationalelf an den Niederrhein, er ist der erste Israeli in der Fußball Bundesliga. Eine Selbstverständlichkeit ist sein Wechsel damals nicht, ein Jahr Sperre nimmt er dafür in Kauf. Heute sind israelische Fußballer die in Europa spielen Stars, damals ist das keinesfalls so. Vor allem nicht mit Blick auf Deutschland. Zu nahe sind damals noch die Gräueltaten der Nazis:

    "Ich glaube, dass ich der erste Israeli war der das Tor in Gewisserweise für alle anderen Spieler geöffnet hat, aber damals vor 40 Jahren galt man noch als Verräter wenn man ins Ausland ging."
    Auch nach Rosenthals einjährigem Gastspiel reist der Verein immer wieder durch ganz Israel. Auch als der politische Ton zwischen Bonn und Tel Aviv rauer wird, die israelischen Vereine reißen sich weiter um das Team aus Deutschland

    Eine Tradition an die sich auch der damalige Botschafter Deutschlands in Israel, Niels Hansen, noch sehr gut erinnert:

    "Es gab keine relevanten anderen Fußballvereine die in Israel gastiert haben. Das war wichtig, dass Sportler da gastiert haben, das war wesentlich. Es war eine schwierige Zeit damals noch!"

    Noch lange vor dem ersten Länderspiel zwischen Israel und Deutschland hatte der kleine Verein aus dem Westen schon gegen ein Dutzend Mannschaften aus Haifa, Tel Aviv, Beersheeva und Petach Tikva gespielt.
    Doch nicht die Spiele alleine sind entscheidend für die Beliebtheit in Israel, es ist das Auftreten der deutschen Delegation abseits der Fußballplätze. Zum Reiseleiter schwingt sich dabei Masseur Charly Stock auf…

    "Ich habe also unsere Spieler und unsere Begleiter immer wieder daraufhin gewiesen was man so sehen könnte, wenn. Und wir hatten auch die Chance nach Jerusalem zu fahren, immer wieder. Auch in Haifa gewesen, am See Genezareth, auch an den Golanhöhen, haben also alles geguckt was so zu begucken war. Bethlehem natürlich."

    2008 reiste der Verein erneut nach Israel. Der Grund: mit Gal Albermann und Roberto Colautti spielten wieder zwei Israelis für die Borussia in der Bundesliga. Die Trips die nach der Abdankung vom alten Israel freundlichen Führungsstaab eingeschlafen waren, flackern wieder auf, regelmäßig kommen nun auch wieder Trainerhospitanten aus Israel nach Mönchengladbach, auch wenn Albermann und Colautti nicht mehr dabei sind und wieder in Tel Aviv spielen.

    Borussia Mönchengladbach trug in der Vergangenheit zum Teil bewusst, zum Teil unbewusst mit großen, emotionalen Schritten dazu bei dass Deutschland heute einer der wichtigsten Verbündeten Israels ist. Eine Tradition an die man sich heute auch im 111 Jahr des Bestehens gerne erinnert.