Freitag, 29. März 2024

Archiv


Unbekannte im Polarkreis

Klimaforschung. – Im Polarkreis der Nordhemisphäre scheint sich der Klimawandel als erstes bemerkbar zu machen. Die permanent gefrorenen Böden der Tundra beginnen zu tauen. Die Klimaforscher rätseln noch über die Konsequenzen. Die beiden Treibhausgase Kohlendioxid und Methan spielen dabei zentrale Rollen.

17.12.2004
    Allzu weit in die Vergangenheit reichen die Aufzeichnungen über die Vegetation des kanadischen Permafrosts nicht zurück. Seit 1957 verfolgen die Botaniker die Veränderung der Pflanzenwelt an der Ostküste der Hudson Bay, einem Bereich, der südlich an die Permafrostzone angrenzt. Das dortige Moorgebiet ist typisch für die Übergangszone zwischen dem Nadelwald der gemäßigten Zone und der arktischen Tundra. Der Boden ist nicht permanent sondern nur zeitweilig gefroren. Möglicherweise wird er künftig gar nicht mehr gefrieren. Das befürchtet Serge Payette, Professor für Pflanzenökologie an der Universität Laval in Quebec: "In den letzten 50 Jahren ist der Permafrost in seiner Ausdehnung um über 80 Prozent geschrumpft. Und wir müssen damit rechnen, dass er in vielleicht zehn Jahren ganz verschwunden sein wird, wenn die Temperaturen weiter so steigen wie in den letzten zehn Jahren." Flache Tümpel und Teiche breiten sich in der polaren Landschaft aus und verändern so die Lebensbedingungen. Neue Pflanzenarten, etwa bestimmte Seggen-Gräser und Torfmoose, wandern ein.

    Was das für das Klima bedeutet, darüber rätseln die Forscher noch. Moore sind schließlich "Kohlenstoffsenken", sie binden das Treibhausgas Kohlendioxid. Durch stärkeren Pflanzenbewuchs wird dieser Effekt noch verstärkt, denn die neuen Pflanzen speichern entsprechend mehr Kohlendioxid. Payette: "Es gab immer die Befürchtung, dass zusätzliches CO2 in die Atmosphäre entweicht, wenn der Permafrostboden taut. Weil dann der Abbau von organischem Material einsetzt. Doch durch die neue Vegetationsdecke wird das kompensiert. Die Gräser und Moose nehmen ja ihrerseits CO2 aus der Atmosphäre auf. Das Moor wird also nicht unbedingt zu einer Kohlenstoff-Quelle. Die Bilanz sollte in etwa ausgeglichen sein." Daten aus dem europäischen Permafrost bestätigen das. Allerdings gibt es neben Kohlendioxid ein weiteres Treibhausgas: das Methan. Verglichen mit CO2 wirkt Methan rund 20 Mal so stark. Torben Christensen vom Zentrum für Geo- und Biosphärenforschung an der Universität Lund in Schweden: "Eine Messreihe in Nordschweden zeigt, dass die Abgabe von Methan in der Subarktis in den letzten 30 Jahren erkennbar zugenommen hat, stellenweise um bis zu 60 Prozent." Grund ist der verstärkte Abbau von Pflanzen, weil die Moore jetzt öfter unter Wasser stehen als vorher und das Pflanzenmaterial daher verrottet. Nach den Abschätzungen der Universität Lund überwiegt dieser negative Faktor die erhöhte Kohlendioxidbindung. Bei einer steigenden Atmosphärentemperatur wird sich dieser negative Einfluss daher verstärken.

    [Quelle: Volker Mrasek]